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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 20.1922

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Heft 7
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Glaser, Curt: Lovis Corinth
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https://doi.org/10.11588/diglit.4747#0246
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LOVIS CORINTH, ITALIENISCHE LANDSCHAFT. ZEICHNUNG

MIT ERLAUBNIS DER KUNSTHANDLUNG FRITZ GURLITT, BERLIN

LOVIS CORINTH

VON

GURT GLASER

Der letzte Prüfstein für die Tragfähigkeit eines
Talentes ist seine Entfaltung in den Jahren
des Alters. Es gibt Künstler, die frühreif genia-
lisch beginnen, und die sich rasch ausgeben. Die
Basis ihrer Kunst ist zu schmal, um einen starken
Bau zu tragen. Der Strom ihres Schaffens ver-
siegt, wenn er nicht immer wieder durch Neben-
bächlein künstlich gespeist wird. Und es gibt
andere, die bescheiden beginnen, deren Lehrzeit
länger währt, die ihr Talent in der Schule der
Tradition nähren und stärken, deren Kräfte aber,
wenn sie einmal entbunden sind, aus sich selbst
wachsen und immer neue Zeugungskraft bewähren.

Wir erleben es heute, wie nicht wenige Künstler,
wie gerade die hoffnungsreichsten Talente der jünge-
ren Generation, da sie die Grenze des Mannes-
alters erreichten, eine schwere Krisis zu bestehen
haben. Sie haben Raubbau an ihrem Talente ge-

trieben. Sie suchen Rettung vor der eigenen Ver-
gangenheit, um einen Weg in die Zukunft zu
finden. Glücklicher, wer nicht einer Jugend nach-
trauern muß, die doch nicht wiederkehrt, wer
in jedem Lebensalter die unveränderte Schaffens-
freude bewahrt, wer nicht zurückzublicken braucht,
sondern unbeirrt auf geradem Wege voranschreitet.

Zu diesen glücklichen Talenten zählt unter den
heutigen Lovis Corinth. Krankheit lähmte nur
die äußere Lebenskraft seiner bärenhaften Natur.
Die Vitalität seiner künstlerischen Produktion stei-
gerte sich noch, da alle Sinnlichkeit nun in das
Geistige überströmte. Und die Hand, der die Ge-
schicklichkeit im Kleinen genommen wurde, er-
wies sich als das rechte Werkzeug einer Anschau-
ung, die sich nur mehr auf die große Form und
auf die malerischen Zusammenhänge eingestellt hat.

Corinth ist seiner Natur nach ein ursprünglich

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