Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Auktionsnachrichten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0183

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Buk t ions x a c i i rich t e n

Zu dem im vorigen Auktionsbericht
vermerkten Riesenpreise für ein
Gemälde Henri Rousseaus gibt
uns das Schreiben eines Pariser
Freundes unserer Zeitschrift einen
interessanten Kommentar. Da-
nach wäre das Bild gar nicht verkauft, sondern von der
Händlergruppe der Rue de la Boetie, die die Auktion Quinn
finanziert hatte, zurückgenommen worden. Wir geben von
dieser Mitteilung, für deren Richtigkeit wir allerdings keine
Gewähr zu übernehmen vermögen, Kenntnis, da es auch
uns scheint, als könne eine halbe Million, selbst wenn sie
nur aus Papierfranken besteht, nicht ernstlich als Grundlage für
die Bemessung künftiger Rousseau-Preise genommen werden.

Richtige Millionenpreise wurden dafür am 23. November
in London bei der Versteigerung des Nachlasses des Lord
Michelham erzielt. Die Werke der berühmten englischen
Porträtmaler erwiesen hier erneut ihre faszinierende Wirkung.
Hin Nicht-Hngländer wird niemals verstehen, daß für ein
liebenswürdiges, elegant gemaltes Mädchenporträt von Tho-
mas Lawrence 74000 Guineas, das ist rund eineinhalb
Millionen Mark, gezahlt werden.

Enorm waren ebenso die Preise für einzelne kostbare
Möbel des achtzehnten Jahrhunderts, die auf der gleichen
Versteigerung zum Ausgebot gelangten. Ein Schreibtisch
im Louis XV.-Stil brachte 9750 Guineas, eine Kommode mit
Bronzen von Gouthiere 4000, eine Jacob signierte Salon-
garnitur mit Beauvais-Tapisserien 26 500, ein Gobelin nach
einem Karton von Coypel 19000 Guineas.

Die Beispiele mögen genügen, das Preisniveau einer
großen englischen Versteigerung zu charakterisieren, an der
gemessen alle deutschen Auktionen der letzten Zeit, trotz
ihrer oft luxuriös ausgestatteten Kataloge, doch nur als kleine
lokale Bewegungen des Kunstmarktes erscheinen. Die ganz
großen Objekte sind in den letzten Jahren durch die minder
sichtbaren Kanäle des privaten Kunsthandels zumeist nach
dem Ausland geleitet worden. Die Auflösung der großen
fürstlichen Kunstsammlungen, die in aller Stille weiter fort-
schreitet, meidet das Geräusch der großen Auktionen. So
kommt im allgemeinen nur jene Mittelware zur Versteigerung,
für die im öffentlichen Auktionssaal ein Publikum sich
interessiert, das den Weg in die Kunsthandlungen nur schwer
findet. Es gibt nicht wenige Leute, die es lieben, auf Ver-
steigerungen zu kaufen, weil sie meinen, es müsse auf dem
Wege des öffentlichen Ausgebotes eine normale Bewertung
erzielt werden. So ist es begreiflich, daß der Antiquitäten-
handel sich in steigendem Maße des Mittels der Auktionen
bedient. In diesem Sinne verdient die Versteigerung des
ganzen Hausrates einer Villa in der Hohenzollernstraße, die
Jakob Hecht veranstaltete, als eine Kuriosität verzeichnet
zu werden, da hier ein wahrer Wettstreit um Dinge ent-
brannte, die beim Althändler kaum so leicht ihre Käufer
finden würden. Aber auch die ernsthafteren Auktionen, die
Lepke und Cassirer veranstalteten, führten dem Markte
kaum Kunstwerke von bedeutendem Range zu. Die Gegen-
stände, die bei Lepke aus dem Besitze des Herrn Jacques

Mühsam versteigert wurden, stellten mehr die Ausstattung
des Hauses eines kunstliebenden Mannes dar als seine
eigentliche Sammlung, denn die berühmten Gläser blieben
von dem Verkaufe ausgeschlossen.

Bei Paul Cassirer folgten einander am 7. und 8. De-
zember drei Auktionen, von denen die erste Reste der
Holländer-Sammlung des Herrn Jules Porges in Paris zum
Verkauf brachte, die zweite eine Wiener Sammlung, die eine
Reihe guter kunstgewerblicher Gegenstände und vor allem
Bronzen enthielt. Die Preise hielten sich im allgemeinen
in mäßigen Grenzen. Immerhin wurden für zwei Figuren
der Ceres und der Minerva von Alexandra Vittoria 6900,
für zwei liegende Eber von Pietro Tocca 5000, für eine
Peter Candid zugeschriebene Allegorie des Sommers 7800
und für die vergoldete Gruppe des Tarquinius und der
Lukretia von Hubert Gerhard nicht weniger als 13000 Mark
bezahlt. Am stärksten umworben waren drei schöne Ver-
düren des sechzehnten Jahrhunderts, die für zusammen
52000 Mark zugeschlagen wurden.

Bedeutender in ihrem Bereich waren die zwei großen
Graphik-Auktionen, die bei Boerner in Leipzig und bei
Hollstein & Puppel in Berlin stattfanden. Boerner brachte
am 10. November die Dubletten der Sammlung Friedrich
Augusts II. von Sachsen zur Versteigerung. Seltenheiten ersten
Ranges, wie eine Reihe vorzüglicher Drucke des Meisters
E S, wurden ihrem Werte entsprechend mit Preisen bezahlt,
die zwischen 8000 und 16000 Mark lagen. Des Meisters
LCZ berühmte Versuchung Christi kostete 10500 Mark.
Für Rembrandts „Drei Bäume" wurden 13900, für den
ersten Zustand des Clement de Joughe 15600 Mark bezahlt.
Sensationell wirkten die Preise für Holzschnitte Lukas Cranachs.
Das allerdings besonders seltene Blatt mit Friedrich dem
Weisen in Anbetung vor der Madonna stieg bis auf 7600 Mark.

Auch die Sammlung von Farbstichen, Schabkunstblättern
und Radierungen des achtzehnten Jahrhunderts in großenteils
ungewöhnlich schönen Öldrucken, die Hollstein & Puppel
am 18. November versteigerten, stammte aus dem Besitz
einer deutschen Fürstenfamilie. Ein internationales Händler-
publikum war zu der Auktion erschienen, deren Kostbar-
keiten zum großen Teil ins Ausland abgewandert sind.
Debucourts berühmte Promenade publique in einem tadel-
losen, farbenfrischen Druck erzielte mit 7000 Mark den
Höchstpreis der Versteigerung. Die Bewertung der franzö-
sischen Farbstiche ist der der englischen Porträts vergleich-
bar. Wer Dürer oder Rembrandt sammelt, wird sich kaum
für Bonnet oder Janinet erwärmen können. Es ist eine
andere Klasse von Sammlern, die die Preise für diese Blätter
bestimmt, die noch heute als begehrenswertester Schmuck
für einen eleganten Salon im Stil des Dix-huitieme gelten.

Daß auch die neuere Graphik sich von den schweren
Schäden der Inflationszeit zu erholen beginnt, bewies die
Versteigerung einer Sammlung bei Jakob Hecht. Wir ver-
zichten darauf, Preise im einzelnen zu geben, möchten nur
die Tatsache verzeichnen, daß ein regeres Interesse sich in
der langsam steigenden Bewertung einzelner Blätter be-
kundete. —r.

*59
 
Annotationen