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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 9
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Cohn, William: Aus meinem ostasiatischen Reisetagebuch, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0360
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BOMBAY, STRASSE IM F.UROPAISCI IEX VIERTEL

AUS MEINEM OSTASIATISCHEN REISETAGEBUCH

V O N

WILLIAM COHN

VI: Indische Höhlentempel

Bombay, den 24. Dezember 1924.
TT7"ie merkwürdig, nach wochenlangem Auf-
* * enthalt fern von allem wesdichen Komfort,
ja ohne auch nur einem Europäer begegnet zu
sein, sich plötzlich wieder in einem modernen
Luxushotel zu befinden! Am meisten irritiert die
strahlende Helligkeit abends in den Sälen nach der
kärglichen Beleuchtung mit Wachskerzen und Pe-
troleumlampen in den Bungalows und fast peinlich
wirkt das zwanglose Wesen der Europäerinnen und
besonders der Amerikanerinnen, nachdem man im
Innern Indiens Frauen so selten getroffen hatte, und
wenn es geschah, demütige, scheue Wesen, die
kaum ihr Gesicht zu enthüllen wagten.

Bombay hat sich seit dem Jahre 1914, wo ich
es zuletzt sah, nur wenig verändert. Man hat un-
mittelbar vor dem protzigen, in venetianischer
Gotik erbauten Taj-Mahal-Hotel am Apollo Bundur

eine Art Triumphtor aus gelblichem Basalt in einem
recht akademischen indo-islamischen Stil errichtet
zur Erinnerung an den Besuch des englischen
Königspaares im Jahre 1911 und man gab dieser
Anlage den stolzen Namen „Gateway of India".
Die malerischen, schlichten, einheitlichen, sachlich
gebauten Stadtteile, wo die indische Bevölkerung
wohnt, müssen weiter europäischen Geschmack-
losigkeiten weichen und werden wohl bald über-
haupt verschwunden sein. Der Verkehr verlangt
auch hier seine Opfer. Im Hotel ist die Zahl der
indischen und parsischen Gäste größer geworden,
während das englische Element sichtlich seine
frühere Distinguiertheit verloren hat. Kaum merk-
liche Zeichen der tief gehenden Umschichtungen,
die Indien durchwühlen. Die herrliche Lage der
Stadt, die an Neapel erinnert, kann glücklicher-
weise durch nichts zerstört werden. Der Blick

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