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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 11
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Thiis, Jens: Liebermann
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0459

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DRACHE UND RATTE. GURTELSCHLOSS AUS GRAUEM JADE. HAN-ZEIT. SAMMLUNG CULTY

AUSGESTELLT IN PARIS IM MUSEUM CERNUSCHI

LIEBE RMANN

VON

JENS THIIS

Tn den nordischen Ländern begrüßen wir ein-
stimmig Max Liebermann als den großen Frei-
geist der germanischen Kunst.

Er hat die echte Wahrheit suchende Tradition
von dem BahnbrecherMenzel aufgenommen,weiter-
geführt und impressionistisch pointiert mit sprühen-
der Lebendigkeit.

Ein schauender Vorposten ist er in seinem langen
Leben gewesen mit wachen Sinnen für die lebenden
Kräfte der modernen Kunst. Kein Vorurteil, kein
Chauvinismus hat ihn abgehalten, die schönen
Werte der neueren französischen Kunst zu be-
haupten und leidenschaftlich zu verteidigen.

Und damals, im Jahre 1892, da Münch als ein-
geladener Gast beim Berliner Künstlerverein mit
seinen schönsten Bildern, die jetzt unsere großen
Klassiker bedeuten, schimpflich ausgeschlossen
wurde, war es Liebermann an der Spitze, der mit
allen tätigen Kräften aus diesem verknöcherten
Künstlerbund ausgetreten ist, um die Berliner Se-
zession zu begründen. Wahrhaftig eine schöne
Geste und eine große Tat, deren bei uns gedacht
werden soll!

Ich bewundere Liebermann in seinen kraft-
vollen und überzeugenden Werken der Jugend als
den vorzüglichsten der Realisten. Ich bewundere
ihn noch mehr in seinen holländischen Bildern
mit arbeitenden Frauen und ruhenden Alten. Er
hat Ausdruck gegeben der demütigen Einförmig-
keit des Lebens, er hat sie künstlerisch in schönem
rhythmischen Parallelismus verherrlicht.

Liebermann hat den großen Millet und den
gemütvollen Israels demokratisiert, ihre ehrwür-

digen Begriffe von der Arbeit und der Zusammen-
gehörigkeit der Menschen weitergeführt. Und
dies hat er getan mit lauter malerischen Mitteln,
ohne literarischen Einschlag. Rhythmus in der
Gruppierung, Einförmigkeit in der Haltung —
das genügt für die dekorative Wirkung. In die-
sem Rahmen der Komposition sprüht das persön-
liche Leben.

Und wie hat er weiter in seinen Landschaften
und Gärten die Poesie des Schattens kultiviert, das
schöne Kühle und die Macht der Sonne! Wie
feurig blühen die farbigen Blumen seiner Gärten.
Und wie häufen sich in satter malerischer Opu-
lenz die Früchte der holländischen Erde in seinem
Meisterwerk „Obstmarkt in Amsterdam"!

Ein Ironiker, ein kluger Wissender von den
Menschen und sich selbst ist Liebermann — darum
auch ein großer Porträtmaler. Aber seine wahre
Größe fühlt man in den Naturbildern mit dem
schattigen Grün oder dem wogenden Meer, wo
nackte Buben feurige Pferde am Strande zähmen.

Ein jugendlicher Alter, der so das Leben preist,
ist eine schöne Erscheinung der Gegenwart. Die
Jugend braucht vielleicht eine „neue Sachlichkeit".
Mir genügt vorläufig die seinige.

Wenn Deutschland jetzt zu Liebermanns acht-
zigstem Geburtstag seinen Ehrenkranz um den schö-
nen kahlen Schädel legt, sind auch einige duftende
Hochgebirgsblumen vom hohen Norden darin
eingeflochten.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag war für
das Juliheft bestimmt, ist verspätet eingelaufen und wird
darum in diesem Heft mitgeteilt.

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