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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 12
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Zur Frage des Expertisenwesens
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Preetorius, Emil: Die Ausstellung Chinesischer und Japanischer Malerei im Münchener Völkerkundemuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0525
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ZUR FRAGE DES E X P E R TI S E N W E S E N S

T eopold Dußler veröffentlicht im Augustheft des „Kunst-
' wart" einen beachtenswerten Beitrag, dem wir die fol-
genden Sätze entnehmen:

„Das Thema des Gutachtenwesens ist in den letzten
Jahren wiederholt in Zeitschriften und in der Presse erörtert
worden, wohl am scharfsinnigsten von einem so gründlichen
und erfahrenen Gemäldekenner wie Hans Wendland*, aber
seither ist methodisch an dem zweifelhaften Betrieb der
Zettelschreiberei wenig geändert worden, ja es bestärkt sich
in Fachkreisen die Meinung, daß heute dreister und unver-
frorener denn je die leichtfertige Autorenbestimmung seitens
eines Expertenringes sich breit zu machen wagt. —

Der Historiker dürfte sich doch der Einsicht nicht ver-
schließen, daß der reale Bereich des kunstgeschichtlichen
Ablaufs ein weit umfassenderer gewesen ist, als gemeinhin
dem Publikum bekannt ist, daß also der kleinen Schar von
Meisternamen eine weit größere Zahl Anonymer zu allen
Zeiten gegenübergestanden hat. Allein dadurch könnte der
heutigen widerlichen Mache, das Kunstwerk und seinen
Autor börsenmäßig als „Kurs" zu notieren, gesteuert werden.
Wie sehr diese Forderung in der Praxis fast durchweg
ignoriert wird und an deren Stelle eine leichtfertige Bereit-
willigkeit der Experten tritt, mit Namen aufzuwarten, die
einer gründlicheren Nachprüfung nicht standhalten, dafür
könnten zahllose Nachweise erbracht werden. —

So soll der nicht zu leugnende Tatbestand rein neutral

* Anmerkung der Redaktion: Siehe „Kunst und Künstler" XXVIII,
Heft V.

gestreift werden, daß eine Reihe namhafter Experten ihre
Gutachten von dem Grad prozentualer Beteiligung an dem
betreffenden Kunstwerk, das sie aus der Taufe heben, ab-
hängig machen, daß einige unter ihnen sich vertraglich mit
Firmen festgelegt haben und in festem Solde stehen, und
wiederum mehrere einen Ring unter sich bilden, um
die Werke eines bestimmten Meisters nur nach vorheriger
gegenseitiger Vereinbarung anzuerkennen bzw. abzulehnen.
Da es sich in solchen Fällen immer um einen numerisch
sehr kleinen Kreis von Gutachten handelt und diese — dank
ihrer Willfährigkeit — allein gebieterisch über das kom-
merzielle Feld verfügen, so wird mit einer geradezu auto-
matischen Sicherheit die wissenschaftlich anderslautende
Meinung mit dem Knüppel behandelt, bis sie gewaltsam er-
stickt ist. —

Unsere Kritik galt im wesentlichen der unwissenschaft-
lichen Art der Bilderbestimmung, als deren vielfache Ursache,
roh gesprochen, ein kapitalistisches Moment zu erblicken ist.
An sich wäre diese Wirtschaft belanglos, soweit nicht die
Kunstwissenschaft und ihre Jünger selbst davon betroffen
werden. Mit dem wachsenden Unwesen dieser Bestimmungen
wird aber allmählich das Gesamtbild einer Künstlerpersön-
lichkeit derart vage und farblos, daß die Vergewaltigung
einer historischen Erscheinung und ihres Wertes zur Gefahr
wird, andererseits aber drohen auch die Vertreter unserer
Disziplin, sofern sie zugleich Lehrer der akademischen
Jugend sind, Fälscher der Wahrheit zu werden, falls sie
solchen Praktiken Gefolgschaft leisten."

DIE AUSSTELLUNG CHINESISCHER UND JAPANISCHER MALEREI
IM MÜNCHENER VÖLKERKUNDEMUSEUM

T Taben die ostasiatischen Ausstellungen der letzten Jahr-
zehnte die Malerei zurücktreten lassen hinter der Plastik
und Gerätekunst, so ist gerade die Malerei das einzige
Thema der Münchener Darbietung. Sie erwirbt sich damit
das Verdienst, die größte, kennzeichnendste, die schlecht-
hin unvergleichliche künstlerische Äußerung des fernen
Ostens zum ersten Male in die rechte Mitte zu rücken.
Die Ausstellung, gegliedert in einen chinesischen und japa-
nischen Teil, zählt nicht viel mehr als hundert Bilder, gibt
aber durch sorgfältige Auswahl und überlegte Keihung einen
ungefähren Überblick über neun Jahrhunderte. Jedoch ist
es weniger ihre Absicht, mit der Geschichte der östlichen
Malerei bekannt zu machen — ein auch bei reichsrem Bild-
material unmögliches Beginnen — als durch die Darbietung
bedeutender Werke verschiedener Zeiten Sinn und Auge
zu öffnen für die besondere Qualität dieser Kunst. Ge-
lungen ist das bei dem chinesischen Teil, wo dank dem
Entgegenkommen öffentlicher und privater Sammlungen (unter
den ausländischen vor allem das Musee Guimet, Paris, Eu-
morfopoulos, Yamanaka, London, del Drago, New York) er-

lesene Stücke die einzelnen Epochen belegen. Minder ge-
lungen ist der japanische Saal: hier fehlt es an einer ge-
nügenden Zahl von relevanten, voll repräsentierenden Bei-
spielen, obwohl es manch schönes, frühes und spätes Bild
zu bewundern gibt. Die Sonderung der Kunst beider Völker
macht den Unterschied von deren Grundartung und Grund-
haltung in markanter Weise deutlich: dem Chinesisch-
Seelenhaften steht das Japanisch-Geisthafte gegenüber, der
gefühlten Sicherheit dort die bewußte hier, der Tiefe der
Empfindung der Glanz des Artistischen. — Den schönen
Ausstellungen, die München in diesem Sommer vielerorts
festlich ausbreitet, gibt die Darbietung des Völkerkunde-
museums eine bedeutsame Ergänzung. So fremdartig diese
Bildschau zunächst auch anmuten mag, so zurückhaltend, ja
so wenig wirkungsstark sie ist im Vergleich mit jenen
prangenden Ausstellungen: sie gerade ist es, die auf Künst-
ler und Kunstempfängliche immer wieder die nachhaltigste
Wirkung ausübt. So mag neben den vollsten, den tönend-
sten Stimmen eine zarte, aber unendlich modulierte sich
behaupten mit besonderer Eindringlichkeit.

Emil Preetorius

Soi
 
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