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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 7
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Bondy, Walter: Naivität und Spekulation
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0293

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JEAN KRÄMER, VOLKSSCHULE BERLIN-WITTENAU

BAUHERR : STADT BERLIN

NAIVITÄT UND SPEKULATION

VON

WALTER BONDY

„Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen,
Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an."

Faust: I. Teil

Zwischen den Künstler und im speziellen Falle
zwischen den bildenden Künstler und sein
Werk schieben sich unausgesetzt Dinge, die seine
Naivität zu trüben und ihn auf den Weg der
Spekulation zu führen suchen. Den bildenden
Künstler bringt ein innerer Drang zum Gestalten,
aber warum er gestaltet, oder warum er so oder
so gestaltet, weiß er nicht. Er fühlt zwar eine
Gesetzmäßigkeit, die er durchdringen, entwirren
möchte, er fühlt eine Art von Pflicht, seinen Be-
obachtungen, Erfahrungen, Gefühlen feste Gestalt
zu geben. Aber bestimmte Definitionen, Gesetze,
Formeln, die das Ziel der exakten Wissenschaft
ausmachen, bleiben für ihn unerreichbar. Die Re-
sultate seiner Arbeit liegen bei weitem nicht so
klar zutage, wie die der Wissenschaft. Er wird
seine Wahrheit immer nur wie mit einem Schleier
verhüllt bringen können und es den andern über-
lassen müssen, das Richtige und Falsche, das
Echte und Unechte, das Wertvolle und Wertlose
unter diesem Gewand zu suchen. Man darf nicht

daran zweifeln, daß es in der Kunst ebenso wie
in der Wissenschaft objektive Gesetze gibt, aber
sie bieten sich nicht so klar und eindeutig dar
wie etwa die der Mathematik oder Physik, und
sie lassen stets die manigfachsten Interpretierungen
zu. So kommt es, daß über das Kunstschaffen
selbst der Größten, bei den Künstlern, bei der
Kunstwissenschaft, sowie bei dem sogenannten
Laienpublikum die Urteile niemals so übereinstim-
mend sind, wie es bei den Resultaten der Wissen-
schaft der Fall ist.

Wenn die Schöpfungen der Künstler nicht ob-
jektiv wertvolle Resultate zeitigen würden, hätte
das gesamte Kunstschaffen keinen Sinn. Wenn der
Künstler nicht an einen objektiven Wert des Er-
reichten— oder mindestens des zu Erreichenden —
glauben würde, so wäre damit seinem Streben die
Richtung genommen. Nun ist ihm aber, wie er-
wähnt, die Kontrolle darüber, ob das, was er er-
reicht hat, objektive Qualitäten enthält oder nicht,
unendlich erschwert. Er kann nicht wrie der Tech-

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