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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 10
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Göpel, Erhard: Aus Leipziger Ateliers
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0422

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OTTO R. VOIGT, BLICK VOM BALKON. 1930

RÜDIGER BERLET, HERBSTWALD. 54:65 cm

AUS LEIPZIGER ATELIERS

VON

ERHARD GÖPEL

Leipzig steht nicht im Rufe einer Kunststadt. Trotzdem
j hausen genug Maler in den vierten Stockwerken, dem
Licht am nächsten. In diesem Bereich herrscht eine eigene
Atmosphäre. Die vielen Gänge, die notwendig waren, um
den vorliegenden Bericht zu ermöglichen, haben mit dieser
Welt näher bekannt und mit den Anschauungen der Künst-
ler vertraut gemacht. Diese Anschauungsweise geht vom
Schaffen aus, und selbst das fertige Werk — auch das des
anderen — betrachtet der Künstler unter dem einen Gesichts-
punkt, wie man es anders hätte machen müssen, um es
gut zu machen, oder wenn es gut ist, was daran zu lernen
ist. Sich in dieser Atmosphäre der unmittelbaren Wirkung
des Kunstwerkes bewegen zu können, war das als neu emp-
fundene Glück während der Arbeit.

Über die künstlerischen Einsichten hinaus aber war das
Ergreifende, das Leben der Maler in der Nähe zu sehen.
Meist sind es Männer, die in irgendeinem bürgerlichen Be-
ruf ihr Brot leicht verdienen würden, die aber nun, auch
wenn sie vierzig und fünfzig sind, sich mit dem einfachsten
behelfen. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie es tun, ist
das Erschütternde.

In einer Stadt wie Leipzig kommt dazu — denn die Stadt
hat keine geistige Atmosphäre im Bereich der bildenden
Kunst —, daß die meisten einsam sind, einsam selbst in Be-
tracht der Tradition. Blickt in Dresden ein Maler von einer
der Elbhöhen auf die Stadt hinunter, so fühlt er sich in
Gemeinschaft vieler, die das gleiche gemalt und auf ihre
Weise gestaltet haben. In Leipzig mag er stehen wo er will,
er hat nirgends die Möglichkeit dieser vertrauensvollen Ge-

meinschaft im Augenerlebnis — selbst nicht in einem über-
tragenen Sinne. Wenn mir ein nach Leipzig eingewanderter
Maler sagte, ein Maler muß fertig nach Leipzig kommen,
hier kann er nichts werden, so ist daran iichtig, daß wer
hier anfängt, einfach und bescheiden sich dieses Anfanges
bewußt sein und Stein für Stein zu setzen die Absicht haben

und das Können fühlen muß.

*

Am 19. Mai 1930 starb in Leipzig Heinz Hoffmeister
sechsunddreißig Jahre alt. Er hinterließ ein kleines Oeuvre von
etwa siebzig graphischen Blättern, eine Reihe Zeichnungen
und einige wenige Bilder. Im August 1930 ehrte man ihn
innerhalb der Leipziger Ausstellung des Deutschen Künstler-
bundes. Die Kritik wies auf seine Zeichenkunst hin, aber
seitdem ist es sehr still um ihn geworden, so wie es Zeit
seines Lebens um ihn still war. Ein Arbeiter sondergleichen,
galt seine Bemühung durch Jahre dem graphischen Porträt.
Die künstlerische Absicht ging dabei auf ein inneres Er-
fassen des Dargestellten, verbarg sich aber hinter einer
sachlichen, ganz firmen Zeichenart. Einige Illustrationen zu
Dickens, voll Laune und voll eines aus den tiefsten Quel-
len gespeisten Humors, weisen auf den geistigen Umkreis
des ungemein gebildeten Künstlers, dessen englische Mutter
dem wenig Gereisten die Weite der Welt erschloß. Aus
innerer Verwandtschaft hat seine Radierkunst etwas von
der Kühle englischer Radierer. Oft hat er das Porträt dieser
seiner Mutter versucht, von kleinen Notizen bis zu einer
großen, in Schabtechnik begonnenen Platte. Einmal, 1919,
gelang ihm in einem raschen Wurf — wie die Mutter er-

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