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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Eisenstadt, Mussia: "Kunst-Brigaden" der Sowjets
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0028
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„Kunst-Brigaden" der Sowjets

von MUSSIA EISENSTADT

Unter den geistigen Exportgütern der Sowjetunion stehen die Erzeug-
nisse der bildenden Kunst an letzter Stelle. Die vorjährige Gemälde-
Ausstellung der Secession war eine peinliche Exhibition steriler Exerzitien;
mancher fragte sich, ob die Banalitäten-Schaustellung etwa eine nicht witz-
lose Persiflage westeuropäischer Gestaltungsimpotenz sein solle. Denn er-
wartet hatte man ein „Bild" jener Wandlung aller Daseinsformen, deren
ungewöhnliche optische Äußerung russische Filme schon gebracht haben.
Etwas von diesem neuen Gemeinschaftsgeist zu gestalten war von den
ausstellenden Sowjetmalern nicht versucht worden. So blieb die Frage, ob
dem Tafelbilde in der Sowjetunion eine Lebensfunktion gewahrt bleibt,
praktisch unerörtert. Sie wird in russischen Kunstzeitschriften meist bejaht,
aber mit sehr antiquierten Vorbehalten und Wünschen. Dadurch erhalten
kuriose Versuche, die ausbleibende revolutionäre Malerei am laufenden
Bande gedrillter Stoßbrigaden zu erzeugen, ihre symptomatische Bedeutung.
Dieser Weg — von der Einwirkung auf den einzelnen Künstler bis zu
der Instruktion eines Kollektivs — soll hier durch einige Dokumente illu-
striert werden.

In der beginnenden Kampagne des Fünfjahresplanes versuchten ästheti-
sierende Propagandisten die Künstler — oft Favoriten der Vorkriegsgene-
rationen — zu neuen Aufgaben zu ermuntern. In der Weise etwa: der
Maler Kontschalowski („seine Lehrer sind: Surikow, Rembrandt, Velasquez,
Veronese, Griechen, Japaner, Cezanne, Matisse, Picasso") wird in einem
vor zwei Jahren erschienenen Aufsatz der „Iskusstwo" ermahnt, die Dar-
stellung der „vom Leben übersättigten, hysterischen, degenerierten bour-
geoisen Intelligenz" (Porträt einer Dame im Harlekinskostüm) zugunsten
einer neuen Menschenauffassung aufzugeben, die sich bereits ankündige
in dem Bild von V)%j „Mädchen im blauen Kopftuch", welches „ernst,
freudig, interessiert" dreinschaue. „Wir haben jetzt viele solche Mädchen!"
Auch findet der Rezensent es lobenswert, daß der Maler ein „Bad der
roten Kavallerie" dargestellt hat, doch ging er dabei von der Form aus,
nicht vom „Inhalt", den diversen Rot-Armee-Typen ... Dagegen zieht im
gleichen Heft ein Rezensent die „traurige Bilanz": „Nur einzelne Ausstel-
lungen, mit großen Vorbehalten, sind in das Aktivum der Sowjets ein-
zutragen".

Daß übernommene Kunstformen zur Aufnahme eines revolutionären Ge-
halts nicht tauglich sind, ist nur von wenigen Sowjet-Literaten ausgesprochen
und von den älteren Künstlern nicht begriffen worden. In den letzten Heften

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