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Margarethe von Valois.

Historische Novelle au
ÄuS dcm dunklen Schooß der Gesä'ici'te steigt
oft der leise Ton verklungener Sage herauf
ein mahnender Ruf im Lbao« der Gegenwart.
Johanne- von Müller.
ES war am vierzehnten August des Jahres 1599. Der Kanonendonner
von hundert und zwanzig Schüssen und das zweistündige Läuten aller Glocken
von ö^üirc Ilume hatte der jubelnden Bevölkerung von Paris die feierliche
Vermählung des geliebten Königs, Heinrich des Vierten mit Maria
von Medici, Tochter des Großherzogö von Toskana, verkündigt-


In dem rechten Flügel des Louvre aber, der nach der Seine blickt und
damals noch nicht erbaut war, saß Margarethe von Valois, die ge-
schiedene Gemahlin de» Frankrcich'schcn Königs, und weinte bittere Thränen.
Schrcckcnhast drang der tausendzüngtge Ruf der Freude und Ausgelassenheit in
der hohen Frau edle» Herz, unter welchem bereits seit acht Monaten und fünf
Tagen das Pfand der Liebe Heinrich des Vierten schlug, der bei allen
Tugenden, die ihn als Fürst und Mensch zierten, weder hiervon noch von der
Rache eine Abnung hatte, die diese, bis in ibr Innerstes tief beleidigte Fürstin
gegen ihn und sein ne» angetrautcS Gemahl zu bcgen, sich in jeder Beziehung
berechtigt zu finden die genügendste Veranlassung hatte.
Da vergoldete die Sonne mit ihren letzten Strahlen die alten grauen

s t- en Zeiten dcrMcdici.
Kuppeln des Stammschlosses der französischen Könige, und in einem blauschwar-
zen, bis zu den Sandalen herabsiicßcndcn, mit Brüssler Spitzen und silbernen
Sternen reich verzierten, Sammctkleidc, das funkelnde Diadem in den Haaren,
trat Maria von Medici an der Hand ihres fürstlichen Bräutigam» auf
den Balkon der Tuillerien, und stieg langsam mit ihm die breite steinerne Treppe
hinab, die ehedem in die dunklen Partien des KastanienwalveS führte, allwo
die allerhöchsten Liebenden noch einmal vor dem Hintritt dcS bedeutungsvollen
Tages die würzige Lust der üppig wuchernden ZaSmin- und Lindcnblüthcn, den
kräftigen Abcndthau der saftgrünen Vegetation cinzuschlürsen zu gedenken
nicht gedacht wurden.
Jn diesem Augenblicke stürzte eine hohe, von Kummer gebeugte Gestalt
auS dem dichten Buschwerk des GarlcnS, mit bald kreischender — bald lispeln-
der Stimme den Weg der hohen Wandelnden versperrend.
Wer bist Du — fragte sanftmülhig der König — der Du Dich erfrechst
zu dieser Stunde Henri <> untre in den Weg zu treten.
„Jch bin cS!" — rief Margarethe von Valois — denn sie war
eS wirklich — „ich bin eS, das von Dir treulos verlassene Weib, die Dich in
diesem süßesten Momente menschlichen Glückes den tiefsten Zug aus dem bitter-
sten LeidenSkelch des Lebens leeren lassen will.
Bei diesen Worten schlug sic ihren Schleier zurück.
Aber waS wollt Ihr, Fürstin? fragte Heinrich, und eine Thräne der Er-
innerung entschwundener Tage gleitete in seinen Bart, welcher später den
Namen Henri guslre erhielt.
Noch einmal Heinrich — rief Margarethe — noch einmal Heinrich eh' wir
scheiden, trete ich vor Dich, die rächende Stimme des Schicksals. Seit acht
Monaten und fünf Tagen trage ich heimlich das Psand Deiner leider
nur zu deutlich für mich ausgesprochenen Neigung unter meinem Herzen. Ich
fliehe mit ihm in das Ausland, und nie mehr sollst Du von dem Kinde und
der Mutter wieder etwas erfahren. Aber kommen wird einst der Tag, wo es
sich darum handeln wird, wer der rechtmäßige Erbe des TkroncS seiner Väter
sich zu erklären gemüßigt finden dürste, und mögen die Welle» der Zeit Jahr-
hunderte darüber wcgspülen, — es kommt dennoch einst die Stunde, wo ich
sür die Qual dieses Momentes so reichlich als hinlänglich entschädigt sein werde



Boden sec ein Knäblcin, das in der
Taufe die Namen August Heinrich
Schnitze erhielt. Der deutsche unschein-
bare Name sollte jeden Verdacht ablcnken
der den Entwürfen derBourbo-
nischen Linie störend in den Weg
treten, oder den Entwickclungsplänen des
legitimen Organismus ein zu
frühes: „Halt!" hätte zurufcn dürfen.
Wir überspringen jedoch inzwischen
einen Zeitraum von einigen Jahrhunderten
und versetzen unser» Leser in einen Wurst-
kcllcr der preußischen Residenzstadt
Berlin.
Wenn man nämlich überden GenS-

Jn diesem Augenblick vcrjHwanb die Unglückliche.
In der Entfernung aber vernahm man nur noch leise den Jubelruf der
trunkenen Bevölkerung, und malt erleuchtete Raketen stiegen nur noch vereinzelt
empor an dem Bogen des azurblauen Horizontes!-

II.
Geschlechter steigen emver, Geschlechter sinken
in'« Grab, aber durch die Weltgeschichte gebt
«in Hauch irdischer Gerechtigkeit auf den wun.
dersamen Sittichen der indifferenten Verdeh-
nung alle« Edlen und Erhabenen.
Beeter'« Weltgeschichte.
Margarethe von Valois war ins Ausland geflüchtet. Aber
schon am 23. September des JahrcS 1599 gebar sie zu St. Nellv am
 
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