Kladderadatsch: Humoristisch-satirisches Wochenblatt (8.1855)

Berlin, den 3. Juni 1855.

8. Jahrgang

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wochenkateiwer.

Montag, den 4. Juni.
Unverbürgte» Gerüchten zufolge soll ein
neuer VermitlclungSvorschlaq zur Beilegung
des orientalischen Streites aufzutauchen in
Wien nicht ohne alle Aussicht sei».
Dienstag, den 5. Juni.
Die in Aussicht stellende Vermittelung
stützt sich aus eine angemcflcne Tkeilung
des streitigen Gebietes unter alle dabei
Jnteressirten.
Mittwoch, den L. Juni.
Rußland erbält das goldene Horn, de»
Bosporus, die Dardanellen, das Lckwarzc
Meer und Kleinasicn, und wird so zum
Frieden gezwungen.



Donnerstag, den 7. Juni.
England erbält die Europäische Tür
sei mit Ausnabmc sämmtlieber Harem».
Frankreich erbält die letzteren sowie
Alles was an Fabnen, Standarten und
sonstigen Tropbäen erbeutet worden ist.
Oesterreich begnügt sich mit dem dauern-
de» Besitz der Donausürstenlkümer.
Freitag, den 8. Juni.
Preußen und Sardinien erkalten
— das Zusehen.
Sonnabend, den 9. Juni.
Die Türkei bekommt — den Rest.
Kladderadatsch.

sMwriMch- satlin'Ws wochmlilntl.

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Zürnest du, Herr des Olymps ? Dumps rasselnder Donner Getöse
Fern vom Gipfel de« Bergs hallt zu des Meere« Gestad'.
Angstsche» bäumt vor dem Stoß sich die Flut empor des EuxinuS
Und cs erbebet der Grund, bebet die Firn' des GebirgS.
Machtlos sank, zum Tode geschmückt, die erhabenste Jungfrau —
Brussa sank in den Staub unter gigantischer Faust.
Tausend begrub ihr Sturz, ein einziger gewaltiger Hügel,
Schutt und Moder allein zeugt von der Herrscherin Pracht.
Was Jahrhunderte bauten, zerschlug ein Moment der Empörung,
Und au« zerklüftetem Grund leckten die Flammen empor.
Zürnest du, Herr des Olymps? Aus glulhausschnaubcndem Krater
Schleudert der alte Vesuv Kelsen und Schrecken umher:
Schrecken, so weit nur bas Aug' umschaut, vom Italischen Boden
Bi« zu des Eismeer« Nacht, bis zum Sibirischen Schnee.
Fast in jeglichem Land austrat wildfrevelnd ein Slromgott,
Und der Verheerung Grau'n lagert aus schmachtender Flur.
Pcstkauch schwängert die tückische Luft, entfärbend das Leben,
Wo einst Freude gelacht, grinset Verderben hervor.
Krankheit, Jammer und Noth-zu der Füll' aufschreckender Wunder
Fehl! nur ein einziger Stern, fehlt noch ein rother Komet.
Warum zürnst du, o Herr? Was streckst du vom alten Olympoö
Allvernichtend den Arm über die Länder hinaus ?
Juppiter drauf: Ich zürne, mein Sohn, weil dieses Geschlecht mir
Ties im Herzen verhaßt; weil ich des alte» gedenk.
Drüben am Politischen Strand entbrannt' ein Kampf wie um Troja,
Und wie bei Aulis einst hat sich die Flotte gcschaart.
Aber wo ist mein Heldengcschlccht? Wo sind die Hellene»?
Geister erblicke ick wobl, aber eg fehlet der Geist!

Aber cg fehlt das Genie mir des göllergleichen Achilleus,
Fehlt mir der göttliche Sinn, fehlt mir der kühne Entschluß.
Eanrobert ist Agamemnon nicht, noch dem Ajax vergleichbar,
Und wer Pclissier — lehre die kommcndc Zeit.
Zwar scheint Raglan an Alter vergleichbar dem Pyli scheu Nestor,
Aber des Frosches Natur hatte der Göttliche nicht!
Weder beguckt' er nach Regen und Wind angstvoll sich die Wolken,
Noch vom Gamaschendienst wußte der Göttliche was.
Und so wie hier mich die Diener des Mars, so ärgern mich drüben
Die mit der Herrschaft Stab schlagen die Völker zurück.
Wohl Hab' hundert Genies ich geweckt im Laufe der Zeilen,
So in Frankreich dort als a» der Briten Gestad'.
Hut und Stiesel und Krone allein nicht mache» den Helden:
Manncskrast zeige der Held! Tkalen verrichte der Fürst!
Soll ich nicht zürnen, o Freund, wenn mich, den höchsten Gebieter,
Selbst zum Narren man hält? — Denkst du, cs sei nicht geschck'n?
Wann, so frag' ich, wird reise» Herr Heß, wann reise» ein Andrer?
Wann, mein Freundchen, gescheh'n, was man mich glaube» gemacht?
Wann wird einig und frei sich Deutschland endlich entschließen?
Gab ick dem kleinste» Thier Herz nicht »nd klugen Instinkt?
Gab ich den» Lobcnslein nicht Minister, und Räthe an Lippe?
Gab ich Herrn Hasscnpslug nicht eine gepanzerte Haut?
Schuf ich, Z«u», ringsum nickt die kläglichen Herr» Diplomaten
Gab ich nicht Alles dazu, wa« nur erfreut und beglückt?
Aber sie stehe» zusaminl und jammern und klagen und heulen,
Und in der faltige» Hos' schlottert das zage Gebein;
Und vom Ende der Well zun, andern ertönet der Wehruf:
'»«er! — tönt'« — —
Kladderadatsch.