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235

Schreiben des Narons von Prudelmih an den
Naron von Strudelivih.
Oker Baren! Wie sagt doch Dichter? „Nichts ist schwerer zu ertragen
als eine Reihe von guten Stunden." DicS ganz mein Fall, da cn esset
kau», weiß, waS vor Seligkeit anfangcn soll. Tanzen? — Tempi Passat!!
Singen? — Zu plebejisch! Ganze Welt umarmen? — Zu kosmopolitisch!
Allo werde als Frcudcnopfcr aus Altar von Vaterland zu Weihnachten zehn
Schnepscn für Berliner Revue nicdcrlcgc». — Wer hätte träumen lasten, daß
so schnell Alles. Alles erreichen würden? Heilige Alliance wiederhergestellt,
Congreßschwindel refusirt, Oesterreich Freund deS BuftnS, Olä ?am ok I.on-
llon.unser Complice, Gortschakoff alter Lxo, Revolution gegen und an Bun-
destag abaltue, vcrschmcttcrt, und liberale Kammcrwirthschast beseitigt! Vic-
toria, hurrah, hip, hip! WaS sagen dazu, wie Leichenproscstor von Exccllenz
B. abgeführt worden? Grandios, noble, elegant, selber zu Leiche gemacht —
aus Kaftan! Wundert mich nur, daß sich Witz auf Zellular-Pathologie hat
entgehen lasten! Hätte aus Zelle, Zcllcnwagcn u. s. w. krampfhaste Anspielung
machen können. Gebe Ihnen genialen Einsall zu freier Benutzung, respec-
lualitor z» Einsendung an Zeidler oder Revue.
Muß doch herrliches Gestühl sein, gegen halbe Welt zu kämpfen und eigenen
Kopf durchzusetzen, auf Sympathie von Völker und parlamentablc Götzen verächt-
lich von höheren olympisch-diplomatisck-mythiscken Standpunet herabzublicken!
Ekelhaft sentimentale, lendenlahme, schwachlebige Politik, die sich von Pöbelgeschrci
beirren und von sogenannten VolkSwillcn leiten läßt z. B. Roggenbach. VolkS-
rvillcn —lächerbar! Wer ist Volkswillen? — Paar demokratische Reiscprediger,
Diätcnsckluckcr, KreiSsüchse, Actenhamster, Kathedrallichtcr, Affocialistcn, Prcß-
judcn, Jacobiner, vagabondirendeS, kosmopolitisches Zigcunerthum — aufKaftan!
WaS will VclkSwillen? — Bekomme eben Kreuzzeitung, worin Depesche von
Abgcordnetentag aus Frankfurt. „Dafür wirken, daß Herzog Friedrich
von Bund anerkannt wird." — Augustcnbürgcrliche Schwcbelei!
Herzog anerkennen, der mit Nationalvcrein illegitime Alliance geschlossen! Pah!
„Dem Rechte Geltung verschaffen!" — Welchem Rechte, und mit
welchem Rette? — Cobürgcrliche Fantasie! Pah! „Trennung der
Herzogthümer von Dänemark vollziehen!" — Schild bürgerliche
Selbstüberhebung und Arrozance! Pah! „Und ihre Selbstständigkeit
und unzertrennliche Verbindung sofort Herstellen!" — Spieß-
bürgerliche Anschauung, als ob sich Traetate umstoßen ließen wie Theetaffen!
Als ob gar keine Großmächte mehr gäbe! Als ob Weltkrieg mit demokratischen
Rechenpfennigen führen könnte! Pah! Nichts da von alledem! — Wenn
Zeit und Stellung richtig begreifen, so inüsten Dänemark zwingen, daß Lon-
doner Vertrag hält, und sollte eS auch dreißig Millionen Thaler kosten! Mehr
dürfen nicht verlangen, denn — nobles?« oblige! Und wenn durchsetzen kön-
nen, daß cS Herzogthümcrn mecklenburgische oder kurhessische oder anhallische
Verfassung verspricht, dann — höchstes Ziel, ruhmreicher succes und AlleS
gewonnen, waS unter Umständen verlangen kann. Denn politisches Verlangen
muß sich stets wechselnden Ereignissen unterordnen. WaS Augustcnburger
betrifft, so thut mir au kooel leid, aber halte für impossidls, prostituirt weil
golhaisirt, beseitigt! Hat Sache verkehrt angesanzen! Oder glauben, clior
Il-iron, daß noch entfernte Chancen hat? — Bitte, obgleich zu Silvester nach
Berlin komme, doch vorher noch um Brief zu Beruhigung. Hier geht näm-
lich Fabel, daß unsre Parte! di« Zwölsmillionen-Anleihc übernehme» soll.
Nun wissen zwar, cber varon, daß stets zu jedem Opfer für Partei bereit,
aber in gegenwärtigem Moment, wo Course so niedrig und nichts dabei zu
prosttirc«, wäre sehr fatal, wenn Anstands halber zeichnen müßte. Solches
Risico überlaste gern Bankjuden! WaS sagen zu meiner Toleranz? Lconinischc
Großmuth — v'est-ce pas? — Vergnügtes Fest und patriotischen Gruß!
Ihr
Prudelwitz.

Man schreibt aus Wien: Hier wird man sich, sobald eine Anleihe
nöthig wird, wieder an die Spitze Deutschlands stellen!
Man schreibt auS Paris: Die jetzt fast siebzigjährige Dcjazet hat,
um ihre Finanzen zu verbessern, nochmals die Bühne betreten, und zwar in
«inerihrer früheren Holen-Rollen, als „Gentil-Bernard" in dem gleich-
namigen Vaudeville. Ein unsagbar widerwärtiger Anblick!

Jtaliänische Zeitungen veröffentlichen ein vertrauliche» Schreiben deS
Ex-König« von Neapel, worin er bekennt, Laß er während seiner Regierung
fortdauernd über sein Reich, über besten wirklichen Willen und Interessen in
Täuschungen erhalten worden sei, und daß eS ihm daher wünschenowerth
wäre, nach den gemachten Erfahrungen nochmals auf den Thron zu gelangen.
Die Neapolitaner werden aber hoffentlich noch so viel Zuneigung für ihren
früheren Herrscher haben, ihn in der Lage zu lasten, in der er sich so
wesentlich gebessert hat.

Der Naron von 8trudef>»itz an den Naron von
Prudelmitz.
Ober awi! Ruhig Blut! Oalmer-vous wegen Anleihe! Glaube nicht an
Krieg, und muß mit allen Mitteln hinteitrieben werden, ersten» weil Rußland
nicht verfeinden dürfen, zweitens weil England auf dänische Leite, und
drittens, weil Revolution nicht entfesseln dürfen, die, wie richtig bemerken, in
Frankfurt schon wieder Haupt erhoben hat. Mit Revolution Im Inner n
würden nicht bloß fertig werden, sondern wäre vielleicht für Partei von
Vortheil, um Situation und Feld „klar zu machen"; aber Revolution durch
ganz Deutschland — gefährliche» Experiment! So lange die Rebellion ab-
dämmcn können, dürfen nichts versäumen, obgleich vielleicht nicht schaden
würde, wenn Freischärler vorschickten, damit unruhige Köpfe und Zukunsts-
redner loS würden. Wäre superbe, wenn tricolore Jungen, ihre Professoren
natürlich voran, spartanischen Muth bei blauer Bohnensuppe erproben
müßten! Indessen, da zu viel Zündstoff auch im nördlichen Deutschland,
ist bester, wenn die Feuerköpfc und süddeutschen Lunten fern halten und
Begeisterung wie Feuerwerk verpuffen lasten. Attention, cber ami, in drei
Woiben ist holsteinische» Geschrei verstummt und mecrumschlunzencr Prätendent
kaltgestellt und vergessen. Kann dann in Frieden als Kaiser von Dölzig
Cioilliste verzehren, die Nalionalvercin für erste» Jahr auSgcworfen. Char-
mante Idee — illimitirtcS Anlehcn — unverzinsliche Staatsschuld — in
Mond rückzahlbar — Eastcnicheinc — an allen demokratischen Banken un d
Bicrbänken angenommen al» baarc Münze — hätte nicht gedacht, daß Leut e
gibt, die so lheure Tapeten kaufen, und soll mich wundern, wie viel Ellen
davon absetzcn wird. Will mich freuen, wen» recht gutes Geschäft macht und libe -
rale Dcputirlcn ihre Diäten gegen Augustcnburgcr BonS-BonS austauschen! GlückS-
bürgcrlicher Witz, aus Hüstc! WaS wollen denn diese schwäbischen Schoppen-
siecher, diese bairisckcnMaaßloscn, diese sächsiichenKrcuzer und badischen Sächser?
Ist neuer Däncnkönig nicht ein Deutscher von reinstem Blute? Wenn ihm
gelingt, die heidnischen Holsten zu christianisircn — elektrischer Einsall — so
hat Spiel gewonnen! — Für un» die Hauptaufgabe: Politik der freien
Hand! — Freie Hand! Wie gern möchten Rappelköpfe an DönhofSplatz uns
die Hand binden! Vergebne Mühe, Kessieurs! Bleiben Sie un» mit
Ihren Düftcleien und Lüsteleien, Ihren loyalen Phrasen und Declamationcn
vom Leibe! — Daß Grabow nicht herauSzebisten haben, schade, sehr schade
— war rasnnirteS Manöver — auf Leo!
Von Freunden werden zu Silvester nur Wenige hier anwesend treffen,
da schon seit längerer Zeit nicht beschlußfähig: trotzdem hoffe, daß sich magui-
pvrbemeul amusiren sollen und Ihnen morganatische Genüsse verschaffen
werde. Haben wohl schon gelesen, daß Balett Mcrgano in neue verbesserte
Auflage erschienen, so daß vampyrhafk murawiew'scher Schluß durch heitre»
Tableau ersetzt? Werden von dieser neuen klassischen Leistung enchantirt sein,
ebenso auch von schalkhafte Fachini, die draußen bei Kcoll als Puck florirt.
Möchte gleich heut Ihnen Tagesordnung für Herkunft mittheilen: Erster
Abend Balett — dann Borchardt, zweiter Abend WeihnachtS-A uS
stellung bei Kroll, die in Wahrheit splendioS — dann heimlicher Besuch
in Orpheum, dritter Abend Bellachini — Zauberer par excslleu es
— dann Ritterstubc in Behrenstraße, wo feineren Schlachtplan ent-
werfen und mit Sippschaft aus glückliche Execution und Segen für Christian
anstoßen und I'ereat bringen wollen allen Rebellen! — Auf frohe» Wieder-
sehen und vergnügte Feiertage! Ihr
Strudebwitz.

Zlndanli — der Dsett Loh»!

Die Times ruft den Franzosen die Dienste ins Gedächtniß, welche die
Engländer ihnen seit dreißig Jahren geleistet: die Anerkennung Louis Philipp«,
der Republik, deS Präsidenten und de» Kaisers, BundeSgenoffenschaft in zwei
Kriegen, Neutralität während deS italiäni'chcn Feldzug», passive aber freund-
schaftliche Politik in Cochinchina und Mexico u. s. w. Aber einen und de»
größten Dienst vergißt die Time», den nämlich, den sic selbst durch diese»
Leitartikel den Franzosen erwiesen. Denn die lachlustigen Franzosen einmal
von Herzen lachen machen, scheint unS in dielen ernsten Tagen deS Kaiser-
reichs eine nicht genug zu würdigende Dienstleistung.

Anterhaltunge» am herrenhäusliche» Herde.

Frage von der Tribüne.
WaS ist das Gegentheil von einem Tcllkampf?
Antwort vom Katheder.
Ein Ecßlcrsikg.
 
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