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Koch, Alexander [Editor]; Fuchs, Georg [Editor]
Grossherzog Ernst Ludwig und die Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt von Mai bis Oktober 1901: [ein Dokument deutscher Kunst] — Darmstadt, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3770#0340

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Innen-Kunst von Olbrich und Behrens.

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dauern sein, wenn es Olbrich nicht gelingen
sollte, diesen gefährlichen Zug, an dessen
Erweckung die Ausstellung gewiss ein gut
Teil schuld ist, abzulegen. — Als erstes
Moment, das diesem Hange dient, finden
wir häufig ein falsches, übertriebenes Maass
in der Anwendung an sich sehr guter, sehr
wirksamer Mittel. Die Farbe, die Olbrich
fast überall über die Form triumphieren lässt,
ist nicht nur zu häufig, sondern auch in
seltsamen, ja gesuchten Tönen verwandt.
Die Kompliziertheit mancher Formen ist
ebenso sehr geschraubt, wie jene oft plötz-
lich und unvermutet auftretende Einfachheit,
die ab und zu in einen koketten, ja läppischen
Primitivismus ausartet. Die Dimensionen
mancher Räume sind ebenso übertrieben, wie
die mancher Gegenstände in diesen, wie die
kolossalen, von Nutzlosigkeit strotzenden
Kamine in den Hallen Olbrich und Gross-
Glückert, die Familien - Grabmälern eher
gleichen als Heiz-Körpern, beweisen. Maass-
los ist die Sucht nach Neuem, die Hetze
nach Originalität, die alle Prinzipien über
den Haufen rennt, das soeben gefundene
Gute einen Augenblick später, ein Zimmer
weiter durch Minderwertiges ersetzt, und
so zwischen der ausgesprochensten Gegen-
sätzlichkeit hin- und herjagt.

Es ist selbstverständlich, dass Olbrich
durch solches Schaffen einem, hauptsächlich
von ihm vertretenen, und an sich sehr an-
erkennenswertem Prinzipe, jedem Räume
ein Haupt-Moment, eine Grund-Stimmung
durch eine Haupt-Farbe zu geben, die erste
Bedingung für dessen Geniessbarkeit raubte.
Der Farb-Grund seiher Räume, oft fein, ja
übermässig fein gestimmt und ausgeklügelt,
schliesst darum selten die Einzel - Momente
in ihnen zur harmonischen Einheit zusammen,
nein, er wird fast immer zur Basis für ein
Emporrecken, ein Sichbreitmachen aller
Einzelheiten. — Es ist ein Gähren in fast
allen seinen Zimmern; überall Bewegung,
überall Töne laut und klingend, überall Extase.

Bei eingehender Prüfung erkennen wir
jedoch bald, wie gesagt, dass in der Innen-
Kunst dieses lebhaften Geistes ein recht
achtbares, impulsives Können steckt, dass
nur durch die hastige, unökonomische Art

seiner Verwendung, durch Schnell- und Viel-
Macherei daran verhindert ist, nur Gutes zu
geben. Vor allem muss er auf den unleid-
lichen Kothurn verzichten, auf dem er uns
zum Greuel einherspringt; denn dort, wo er
sich bezwungen, wo er in Ruhe und Gesetzt-
heit auf dem durch gesunden Sinn und die
Anforderungen des täglichen Lebens be-
stimmten Niveau verharrte, wird er uns
recht sympatisch, indem er plötzlich ein er-
freuliches Verständnis für jene Solidität zeigt,
ohne die ein Zimmer in einem deutschen
Wohn-Hause für die Dauer unerträglich ist.
Die Räume, die ihm in diesem Sinne am
besten gelungen, sind, wie wir mit Interesse
vermerken, seine Speise-Zimmer. Der nahe-
liegende Gedanke an das dampfende Essen,
die Vorstellung von in munterer Arbeit be-
griffenen menschlichen Kau-Werkzeugen, hat
ihn wahrscheinlich davon abgehalten, auch
hier den Sprung in eine Region gezierter
Unnatürlichkeit zu thun.

Eine vorzügliche Leistung dieser Art ist
das Ess-Zimmer in Olbrich's eigenem Hause.
Seine Formen-Welt zeigt sich hier in einer
Abgeklärtheit, die sie sonst kaum erreicht.
Weiss, und ein leichtes Gelb, an einer Stelle
durch ein wenig Gold unterstüzt, verbinden
sich zu einem kernigen Ganzen, einem
soliden Grunde für die schweren, aber
dennoch sehr gut dimensionierten Schrank-
Möbel, die an den Kopfseiten des länglichen
Raumes stehen. — Das Ess-Zimmer im
Hause Christiansen reicht zwar nicht ganz
an das eben erwähnte heran, ist aber dennoch
aus den gleichen, oben erwähnten Gründen
anzuerkennen. Ein Studier-Zimmer und das
grüne Gast-Zimmer im Hause Olbrich, ein
Wohn-Raum im Hause Deiters, und einige
Prunk-Räume im grossen Hause Gluckert
sind ebenfalls schöne Leistungen einer wirk-
lichen Innen-Kunst, wenn auch in allen die
störenden Momente nicht völlig ausgemerzt
sind, wenn auch in allen ein Zug vorhanden
ist, der nach einem anderen Ziele hindrängt,
als zu dem, dem die neue Kunst im all-
gemeinen nachringt. Dieser Zug entspringt
meiner Überzeugung nach der ihm durch
sein heimatliches Kultur-Milieu suggerierten
Auffassung dessen, was man »Lebens-Ver-
 
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