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Koch, Alexander [Hrsg.]; Fuchs, Georg [Hrsg.]
Grossherzog Ernst Ludwig und die Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt von Mai bis Oktober 1901: [ein Dokument deutscher Kunst] — Darmstadt, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3770#0360

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übcr Kunsr unD ceBen.

345

TOard^Tifd] im 6äfte=3iinmer.

altfränkifdjer öebunbenbeit. Cs fei ferne, einen Regel-
zwang aufzuteilen, Der felbftberrlicben, fld] felbft be-
berrfcbenben JITännern zu unnütjer Feffel ober felbft
fcbäblicber Bürbe werben könnte; aber baß nur bie wol)l-
gefcbaffene Einehe ben öenüffen eines Doppellebens ihre
oollkommene Tiefe unb 3artljeit oerleiljen kann, barf beute
bod] wieber unb, in ber Bekräftigung ganz neuer Er-
fabrungen, mit biefetn ITacbbruck oielleicbt zum erften
male gefagt werben.

öanz beberrfdjt oon ber Dorfteilung eines febens,
Don neuer öefcbmücktbeit unb neuer öetragenbeit ift bas
rjaus, bas Bebrens jetjt errichtet bat. Der Bauzweck ift
ganz unb gar auf reiche Entfaltung bes häuslichen Seins,
aber zugleich auf ein ausfcbließlicb nach innen gekebrtes,
feft umgrenztes Ceben geriditet. Das Innere überwiegt
burcfjaus in Tlbficbt auf Reichtum unb künftlerifdjen n"uf-
wanb ber Formen, es bat nur, wie fein Urbeber nadi-
brücklid) betont bat, nfctpt bie läffige Bequemlichkeit ber
3immer=nerteilung auf bie flnorbnung bes Äußeren ein-
wirken I äffen.

Cs ift bie öefinnung oornebmer Bürgerlicbkeit, bie
überall bie Ausführung beeinflußt bat. Keine weite rjalle
empfängt ben Eintretenben, ein weiträumiger Treppenbau
leitet zu ben höheren öefcrjoffen, aber bas Ueftibül weiß
mit Kunft eine nicht geringe flusbeljnung oorzufpiegeln,

unb bie Treppe winbet fich fo breit unb ftattlich nach oben, baß auch eine ferjr bod]-
gemute Frau hier ihre Schleppe raufchen laffen bürfte, baß man oon unten bem Fluß
ihres öewanbes, wenn fie bie Stufen emporfteigt, mit Genuß nachfchauen könnte. Die
3immer bes Hausherrn im oberen Stockwerk, eine IDerkftatt unb ein Bücher=3immer
atmen ruhige Ausbreitung, üor bem Sctjreibtifcb grüßt an bem Cerjnfturjl bas fluge
zuerft eine ber ebelften 3ier = £inien bes rjaufes. Ein bewußt altfränkifcbes Damen-
Stüblein, bie Schlafkammern ber Frau, ber Kinber unb ber öäfte bes rjaufes prunken
zuweilen mit fehr köftlichen Stoffen: gelbes 3itronen=rjolz unb gelbe ntlas=üecken fpielen
in bem einen mit bem eblen Silbergrau bes marmornen TDafchtifches ein feines Farbenfpiel.
Aber fie finb in Farbe unb Form zurückgehalten, rjöberen Ehrgeiz weift bas Schlafzimmer
bes rjerrn auf: hier burchzieht eine ferjr entfdjieben ftilifierte, affyrifch abgefchrägte finien-
führung alle Teile ber fichtbaren Oberfläche: oon ben lüöbelformen bis zur TDanbbekleibung,
oon ben Silber=Befchlägen aller Geräte bis zu bem blaßgrauen Eila ber Polfter=Bezüge.

Das Huszeichnenbe biefer Husfcbmückung ift, baß fie überall ben einzelnen öeräten
eine ftarke Einie, eine ausgefprochene Form aufgeprägt hat. Das neuefte Kunftgewerbe
hat fonft, auch in Darmftabt, fo oft Stücke gefchaffen, bie fich ausnehmen, als hätte ihr
Urheber fie auf jeben Preis zu einem Kunft = TDerk umftempeln wollen, inbem er ihnen
irgenb ein Ornament äußerlich anhängte, ober inbem er bie Konftruktion bes ÜTöbels ftark
betonte. Beibe Arten oerfeblten ben böcbften 3weck ber 3ier=Kunft, bie eine oerfäljrt zu
äußerlich, bie anbere zu nüchtern. Behrens hat beibe Fehler oermieben, inbem er feine
finien ben Dingen tief einprägte. Unb er ift babei mit einem tiefen, unermüblich
fleißigen Ernft oerfahren: jebes 3immer weift ein Ornament auf, bas überall burcbgeljt,
fich immer wieberholt unb fich oocb immer wanbelt. Der Spielraum feiner Erfinbungen
ift kein fehr weiter, unb fie finb zuweilen oielleicht allzu geometrifch; aber ben Bezirk,
ben er umfaßt, bebenfcbt er burchaus. Die Perfönlichkeit bes Künftlers tritt In biefer
 
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