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VII. Kapitel

Schluß

Die Augsburger Kunst des ausgehenden i 5. und frü-
hen 16. Jahrhunderts hat ausgiebige Würdigungen
erfahren. Das Augenmerk der Kunsthistoriker galt
dabei vor allem den unmittelbar evidenten Erschei-
nungen einer Renaissance der Antike in der süddeut-
schen Reichsstadt, die auf ihren römischen Ursprung
stolz war. Vom Goldaltärchen des Jörg Seid (1492)
über Hans Burgkmairs Petersbasilika (1501) bis zur
Fuggerkapelle bei St. Anna (1509-1518) und der
Dominikanerkirche (1513-1515) sind die Stationen
bekannt, wonach Renaissanceformen in der Darstel-
lung von Architektur, in den Rahmen der Retabel und
schließlich in allen Bereichen einer Kapellen- und Kir-
chenausstattung die herkömmlichen gotischen Motive
verdrängten. Die Konzentration der Forschung auf
diese augenfälligen Neuerungen ging einher mit der
Überzeugung, in der Augsburger Kunst habe unter
dem Einfluß der oberitalienischen (venezianischen)
Malerei und Plastik eine von der Elite der Künstler
getragene, lineare Entwicklung stattgefunden. Sie
habe zum vollständigen Erwerb aller Errungenschaf-
ten der italienischen Renaissance geführt und sei mit
der Reformation 1537 abgebrochen. Im Stil der
Maler oder der Bildhauer habe sich dem zufolge die
Beherrschung des linearperspektivischen Tiefen-
raums, die tonale Farbigkeit und das antikisierende
Ornament durchgesetzt. Dem habe sozialgeschicht-
lich die schrittweise Lösung aus der zünftischen Bin-
dung durch Aufträge des Hofs sowie durch die hohe
gesellschaftliche Anerkennung im Kreis der Humani-
sten entsprochen.' In dieser Kunstgeschichte als Be-
schreibung von Fortschritten ließ sich Hans Holbein
der Ältere nie gut unterbringen: Waren einerseits die
traditionellen Elemente in seiner Kunst nicht zu über-
sehen, mußten ihm andererseits die Qualität seiner
Arbeiten und das Renomme, das er offenbar genossen
hatte, einen gebührenden Platz in der Augsburger

Kunstgeschichte der Jahre von ca. 1485 bis zur Refor-
mation von 1537 verschaffen. Es ist weiter oben
gezeigt worden, daß einer solchen Einschätzung
Augsburgs sowie einer Isolierung Holbeins in seiner
unmittelbaren künstlerischen und sozialen Umgebung
die Vielfalt der stilistischen Wahlmöglichkeiten in der
Stadt und im Werk des Malers widerspricht. Es ist
auch gezeigt worden, woher Holbeins Kenntnisse
stammten und welche entwerferischen Methoden er
im Lauf seiner Tätigkeit entwickelte. Nicht zu bestrei-
ten ist, daß Holbein die von seinen Kollegen betriebe-
ne Rezeption welscher Motive und neuer Bildformen
zur Kenntnis nahm, daß er sich ihr aber weitgehend
verschloß.

Das oben knapp umrissene, von der Forschung er-
arbeitete Bild einer Augsburger Renaissance verdankt
sich vor allem einem Argumentationsmuster: Binnen
weniger Jahre sei es gelungen, in Augsburg die Errun-
genschaften der italienischen Renaissance nachzuho-
len. Von diesen sollen hier nicht die einzelnen Motive
und die von Peutinger und seinem Kreis betriebene
Angleichung an die Antike interessieren. Gefragt wird
nach dem neuzeitlichen Verständnis vom Bild, so wie
es die Forschung hauptsächlich in mehr oder weniger
fundierter Anlehnung an Leone Battista Albertis
Traktat »de pictura« (1435) entwickelt hat: Dieses
Bild meint die Darstellung von Handlung, wobei der
Rahmen wie ein Fensterrahmen den Blick in einen
Ausschnitt von Welt eröffne und der Betrachter der
Illusion erliege, das Dargestellte sei in diesem Mo-
ment gegenwärtig. Dies bedeutet, daß auf einer
gerahmten Bildfläche nur eine Szene, eine Handlung
an einem Ort, gezeigt werden könne.2 Selbstverständ-
lich tut diese Reduktion Albertis Darstellung Gewalt
an, sie hat dennoch die Überlegungen zur Entwick-
lung der Bildformen in der deutschen Malerei nach-
haltig geprägt: Zielpunkt der Entwicklung ist dem-
 
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