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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Ernst Riegels neue Arbeiten und Entwürfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0259

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H\2. Armband (Gold mit Steinbesatz), Entwurf von Ernst Riegel, München. (4/5 der wirk!. Gr.)

Srnsi Megeks neue Arbeiten
und Sntwürfe.

iederholt schon ist darauf hinge-
wiesen worden, daß im allgemeinen
die modernen Edelmetallarbeiten
dein Material zu wenig Rechnung
tragen, — daß sie häufig tu ihrer
formalen Durchbildung den Aus-
druck der Dehnbarkeit, der Feinheit vermissen lassen,
- daß sie vielmehr allzuost sich in ihrem Auftreten
wie Arbeiten aus Bronze, Zimt oder gar Messing
gebärden. Die Ursachen dieser Erscheinung liegen
teils in dem an und für sich löblichen Streben nach
Einfachheit, teils darin, daß die zeichnendeit Aünstler
sich der Modulationsfähigkeit des Materials, für das
sie Tafelaufsätze, Pokale, Schmucksachen entwerfen,
nicht bewußt sind; auch die Besorgnis, nicht mehr
modern zu bleiben, wenn man all die handwerks-
künstlerischen Möglichkeiten, die den alten Arbeiten
einen Pauptreiz verleihen, anwendet, mag mit an
der Enthaltsamkeit oder — wenn man lieber will —
Nüchternheit schuld sein. Anderseits sollte man
meinen, daß das allerwärts so eindringlich betriebene
Pflanzenstudium, das dem Auge eine so unendliche
Fülle von Feinheiten der Form enthüllt, geradezu
dahin drängen ntüßte, namentlich bei Edelmetall-
arbeiten — und hier wieder besonders bei den eigent-
lichen Schmucksachen — größtmögliche Zierlichkeit
der Form zu erstreben.

N)er allerdings das Edelmetall nicht nur ober-
flächlich kennt, sondern mit ihnt auf vertraulichem
Fuß verkehrt, dem war die Askese, zu der dasselbe
durch fachunkundige moderne Zeichner und nicht
zuletzt durch die perolde der vont Pandelsgeiste ge-
lenkten Mode verurteilt worden war, von jeher zu-
wider; und gar mancher — es sei nur Aarl Groß
in Dresden genannt — bekümmerte sich nicht um die
Ränke jener Mode, die einen zusammengebogenen
Golddraht oder ausgesägte Blechstücke für Schmuck-
sachen ansah und ausgab. Vielmehr suchten diese
wirklichen Fachleute ihren Stolz darin, bei allem
Anlehnen an Naturformen in erster Linie dent
Material gerecht zu werden, einerlei ob sie dadurch

das Mißfallen jener Tages- oder Fachschriftsteller
erregten, aus welche jede vermeintliche Beziehung zu
„alten" Arbeiten wirkt wie ein rotes Tuch auf den
Stier. Es kann gar nicht zweifelhaft fein, daß
ntaitche Schriftsteller, deren verhimmelnde Tätigkeit
das Publikum oft mehr verwirrt als aufgeklärt hat,
auch einen großen Teil der Schuld an den Aus-
wüchsen des modernen Aunsthandwerkes tragen. Mir
glauben zu dieser Anschauung wohlberechtigt zu sein;
denn vielleicht mehr als andere Fachleute haben die
Leiter von Fachzeitschriften Gelegenheit, zu sehen,
„wie's gemacht wird"?)

Zu denen, die unbekümmert um die Laune der
Tagesschriftsteller und um die Posaunenstöße des
Reklameherolds in stillem Schaffen weiterstreben, ge-
hört auch Ernst Riegel. Mir haben — außer meh-
reren schon früher gebrachten Einzelarbeiten — vor
einiger Zeit (Jahrgang \ty02, Pest 2, 5. HZ) eine
Reihe seiner Arbeiten und Entwürfe int Bilde vor-
geführt und lassen jenen nun eine weitere Reihe
folgen, deren einzelne Stücke beweisen, daß ihr Ar-
Heber seither nicht geruht hat. Neben inehreren
Entwürfen zu Schntucksachen und Bechern, die nur
des Auftraggebers harren, um in die Mirklichkeit
übersetzt zu werden, erregen die ausgeführten Pokale
und Becher ganz besonderes Interesse, nicht nur
wegen ihrer originellen Gestaltung, sondern auch
wegen mancher technischer Eigentümlichkeiten.

Riegels Entwürfe zu Schmucksachen (Abb. H(2
bis H2f) zeigen unbestreitbar zum Teil eine nahe
formale Verwandtschaft mit vorgeschichtlichen oder
wenigstens frühgeschichtlichen Schmucksachen. Das
häufige Vorkontinen der Spirale, die Bevorzugung
von rundlich geschliffenen palbedelsteinen zur Aus-
schmückung des Metalls, die Einfachheit der Grund-
formen — besonders bezeichnend in den rechteckigen
Gliedern des Armbandes (Abb. Hf2) — das alles
sind Aennzeichen ebensowohl für Ursprünglichkeit und
primitive Technik, wie für modernes Streben nach
Einfachheit. Riegel hat gerade auf diesent Gebiet
schon eine ungewöhnlich große Zahl von Entwürfen
und Skizzen gefertigt; für einige derselben wurde er

1) vgl. hierüber die unter diesem Stichwort gebrachte
Notiz unter „Kleine Nachrichten".

Aunst uttb Handwerk 53. gahrg. Heft 9-

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