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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62.1911-1912

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Kleine Nachrichten
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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0077

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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

Vorbilder für die geschmackvolle Darstellung ge-
werblicher Erzeugnisse dienen sollen, lediglich reine
Geschmacksmuster und als solche auf den Muster-
schutz beschränkt sind. Stellen sich solche Form-
schöpfungen gleichzeitig als individuelle künstlerische
Leistungen dar und gewinnen sie damit den Charakter
von kunstgewerblichen Erzeugnissen, so können sie
gleichzeitig Geschmacksmuster- und Aunstschutz ge-
nießen. ^m vorliegenden Falle stellt das Urteil
mit hinreichender Deutlichkeit fest, daß die im
Sch.'scheu Geschäfte nach den M.'scheu Entwürfen
hergestellten Möbel eine individuelle künstlerische
Leistung erkennen lassen. War dies der Fall, so
waren sie Erzeugnisse des Aunstgewerbes und

gleichzeitig Werke der bildenden Aunst; die von
den Angeklagten vervielfältigten Entwürfe zu
diesen kunstgewerblichen Erzeugnissen waren da-
her nach § 2 Abs. 2 des Aunstfchutzgesetzes ge-
schützt. Völlig gleichgültig für die Frage der Straf-
barkeit der Angeklagten ist es, ob der Sch.'sche
Aatalog den Namen eines Urhebers oder Heraus-
gebers trug und ob die Angeklagten sich über die
Persönlichkeit des Schutzberechtigten klar waren; es
genügte, daß sie, wie festgestellt, wußten, es handle
sich um schutzgenießende Entwürfe für kunstgewerb-
liche Erzeugnisse, zu deren Vervielfältigung ihnen
die Genehmigung des Berechtigten fehle."

Die Revision wurde deshalb verworfen.

Lßronik h$ SgMWn AunflgkMrßkMkin§.

Mochenverfammkungen.

Erster Abend — den 7. November ^—. Der Vorsitzende,
Prof. Pfeiffer, begrüßt die zahlreich erschienenen Kreismit-
glieder, berichtet kurz über die Vereinstätigkeit im Sommer und
sagte von der nächstjährigen Ausstellung der „Bayerischen
Gewcrbeschau", daß sie jetzt den vollen vorbereitungsbetrieb
aufgenommen habe, worüber in der letzten Novemberver-
sammlung ausführlicher berichtet werde; die Ausstellung soll
auch Veranlassung zur Abhaltung eines Kunstgewerbetages und
eines Delegierteutages geben. Unter Bezugnahme auf das
kürzlich erschienene Vktoberheft der Vereinszeitschrift wies der
Vorsitzende auf ein Jubiläum hin, das zu diesem Zeitpunkt der
Redakteur der Zeitschrift, Prof. Gmelin, mit der Abschließung
des 2s. Jahrgangs feiner Redaktionsführung in aller Stille be-
gangen hat; unter warmer Anerkennung für die geleistete Arbeit
überreichte der Vorsitzende dem Genannten im Namen des
Vereins einen prachtvollen Blumenstrauß, wofür der Gefeierte
nach Schluß des angesetzten Vortrags in schlichten Worten seinem
herzlichen Dank Ausdruck gab.

Der Vortrag, den Prof. vr. Siegmund Günther hielt,
behandelte „Leonardo da Vinci in feiner Betätigung als
wissenschaftlicher Forscher". Redner erinnert dabei an einen
Vortrag, den er vor einigen Jahren über die Beziehungen zwischen
Kunst und exakter lvissenschaft im alten Nürnberg" im Vereine
gehalten hat (s. Jg. iqos, S. 90), und in welchem auf die
Zusammenarbeit von lvissenschaft und Kunst bei Albrecht Dürer
hingewiesen worden war; aber es besteht der Unterschied, daß
Dürer in allem von der Kunst beherrscht war, während in
Leonardo Kunst und lvissenschaft getrennt blieben. Leonardo hat
viele Ausschreibungen über seine Ideen aus allen lviffens- und
Schaffensgcbieten hinterlassen — aber mehr nur in kurzen apho-
ristischen Andeutungen, — dazu in Spiegelschrift, linkshändig —
die vielleicht einmal hätten gesammelt und geordnet werden
können, jedenfalls aber in ihrem uns überlieferten Zustand nicht
zur Publikation bestimmt waren. Die vielseitige und eingehende
Beschäftigung mit technischen und wissenschaftlichen Fragen war
seinem künstlerischen Schassen hinderlich; die Zahl seiner künst-
lerischen lverke war nicht sehr groß und ist im Lauf von vier

Jahrhunderten recht zusammengeschmolzen, lvoher Leonardo
sein lvissen geschöpft hat, das ihn befähigte, z. B. die noch heute
benutzten Schleusenkanäle gegen die Überschwemmung in Gber-
italicn anzulegen und überhaupt beim lvasserbau, bei Befestigungen
beim Kriegshandwerk usw. maßgebend einzugreifen, ist nicht be-
kannt. Sein lvissen und sein klarer Blick ließen ihn eine Menge
physikalischer Gesetze ahnen und andeuten, die zum Teil erst
nach Jahrhunderten bestätigt und klar formuliert worden sind:
Fallgesetz, Reibungswiderstand, Kapillarität, Kompaß, Magnet,
tönende Flammen, die Vorgänge bei der lvellenbewegung; der
Schall wurde schon von Leonardo als eine lvellenbewegung er-
kannt. Auf dem Gebiet der Vptik ist sein Name mit der
Erfindung bez. Verbesserung der Camera obscura, des Fernrohrs,
den Vergrößerungsgläsern ic. verknüpft; als Chemiker hatte
er durch die Erfindung ganz neuer Malerfarbe,1 und von Firnissen
namhafte Erfolge. Daß Leonardo sich eingehend mit Perspektive
beschäftigt hat, könnte sich mancher Maler zu Perzen nehmen;
die Anatomie vollends hat er betrieben wie ein medizinischer Fach-
mann. Er hat unter anderem die Mechanik des Gehens studiert
und seine Arbeiten über Anatomie haben dem berühmtesten
anatomischen lverk des Z7. Jahrhunderts zur Grundlage ge-
dient. lvie er das xtolemäische lveltsystem (mit der Erde als
Mittelpunkt) verwarf, so hat er zuerst ausgesprochen, daß es
kein Perpetuum mobile gebe, so wenig wie die Kreisquadratur.
Dagegen dachte er schon daran, ein Schiff mit Dampskrast zu
treiben; von seiner Erfindung des Fallsckirmes ist zwar bis zum
Fliegen ein weiter lveg — aber Lionardo lebte der festen
Überzeugung, es müsse möglich sein, den vogelfiug nachzu-
machen- Er machte schon Naturabdrücke nach Pflanzenblättern
und war der erste, der die Versteinerungen richtig deutete und
es deutlich ausgesprochen, daß die versteinerungssührenden Berge
einst vom Meere bedeckt waren, vorahnend hat er auf einer
Globuskarte aus dem Anfänge des Jhdts. an der Südspitze
von Südamerika die Meeresdurchsahrt eingezeichnet, die später
nach ihrem Entdecker Magelhaens den Namen erhielt. Er hat
eine Seilermaschine erfunden und wahrscheinlich die Anregung
zur Säugpumpe gegeben. — Die temperamentvollen und an-
regenden Ausführungen des Redners ernteten wohlverdienten
Beifall.
 
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