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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 68.1917-1918

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Scharvogel, Jakob Julius: Hausrat oder Neuheiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.10300#0051
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Hausrat oder Neuheiten

von Professor J. J. Scharvogel, München.

sAbdruck aus der Deutschen Handels-Warte, Nürnberg, Nr. 6.)

Line der auffallendsten Erscheinungen inr Handel
und Wandel ist die gewaltige Preissteigerung,
die Gebrauchsgegenstände alter Herkunft erfahren
haben. Auffallend und bemerkenswert in mannig-
facher hinficht! Geradezu unfaßlich erscheint es
dem Fachmann, wenn er sieht, daß, um nur ein
Beispiel herauszugreifen, für Fayencen des XVIII.
Jahrhunderts von oft recht zweifelhaftem Kunst-
wert, geradezu horrende Preise bezahlt werden,
währenddem dergleichen Dinge vor noch nicht
allzulanger Zeit noch zu mäßigen Preisen zu
haben waren, werden sie heutzutage geradezu
mit Gold ausgewogen. Das gleiche gilt für Stein-
zeug, Steingut, Glas und Zinn usw., zum Teil
von jüngerer Herkunft.

Mit der Bezeichnung „Sammelwut" dürfte diese
Erscheinung wohl nicht ausreichend zu erklären
sein. Es müssen noch andere Beweggründe dabei
im Spiele sein und einer der ersten wird wohl
der sein, daß es zu jeder Zeit Menschen gegeben
hat, die das Bedürfnis empfunden haben, sich
mit Dingen zu umgeben, an denen sie dauernd
Wohlgefallen finden konnten. Dinge, die einem
etwas zu sagen haben und zu denen man ein
Verhältnis zu gewinnen vermag. Und so ergibt
sich denn die Frage, ist unser neuzeitliches Kunst-
gewerbe denn nicht im Stande, uns mit der-
gleichen zu versehen und müssen wir statt dessen
immer wieder zu den alten Sachen greifen? Za
und Nein!

Es darf wohl gesagt werden', daß die Mehrzahl
der Erzeugnisse, die uns heute als Kunstgewerbe
angepriesen werden, uns nicht in dem Maß be-
friedigen, daß wir es fertig brächten, sie dauernd
lieb zu gewinnen, wie dies bei den alten Sachen
zumeist der Fall ist. Es gelingt uns häufig selbst
dann nicht, wenn namhafte Künstler bei der Her-
stellung mitgewirkt haben. Es fehlt diesen Sachen
eben ein gewisser Gemütswert, der aus den alten
so deutlich zu uns spricht.

Man sehe sich bloß einmal an, was in einem wohl-
habenden Haus an sogenanntem Kunstgewerbe
alles herumsteht, von dem der Besitzer weiter
nichts zu sagen weiß, als etwa: „Gefällt Ihnen
das, das hat mir meine Frau von da und dort
mitgebracht" oder „das ist ein Stück aus der Manu-
faktur in N. N., entworfen von Professor 36. h."
höher aber steigt das Interesse in den seltensten

Fällen und das ist bei Licht besehen, denn doch
ein trauriger Zustand. Aber er besteht nun ein-
mal und wir haben alle Ursache, nach den Gründen
dieser Erscheinung zu forschen. Es kann uns nicht
gleichgültig sein, wenn der Käufer vor dem mo-
dernen Gegenstand zurückschreckt in der Besorgnis,
daß er heute oder morgen veralten und aus der
Mode kommen werde. Immer wieder hört man
die Äußerung, daß es keinem Menschen zugemutet
werden könne, Geld für Dinge auszugeben, die
keinen inneren Wert und somit keinen Bestand
hätten. Man könne nichts Besseres tun, als Alter-
tümer zu kaufen, da wisse man, was man in der
Hand habe und brauche nicht zu befürchten, daß
einem das Kunstwerk über Nacht zu Schaum
zerrinne.

Ganz so unberechtigt sind diese Einwendungen,
ehrlich gesagt, nicht. Aber es liegt nicht im Rah-
men dieser Arbeit, uns mit der Mitwelt hierüber
auseinanderzusetzen, was uns zunächst interessiert,
das ist die Frage, ob unstzr heutiges Gewerbe
denn nicht imstande wäre, bei gutem willen und
richtiger Einsicht Dinge hervorzubringen, die sich
getrost den alten Sachen an die Seite stellen lassen,
um auf diese weise das Wasser auf seine Mühle
zu kehren. Ganz abgesehen von der beschämenden
Tatsache, daß die Jetztzeit trotz ihrer reichen Hilfs-
mittel gegen frühere Perioden immer noch zu-
rückstehen muß. An technischem Können und tüch-
tigen Künstlern und an willigen Käufern gebricht
es doch wahrlich nicht, was fehlt, ist die richtige
Einsicht der beteiligten Kreise in die Lage der
Dinge und die aus einer solchen sich ergebende
Zusammenarbeit.

Man wird uns einwenden, daß für die heutigen
Erzeugnisse niemals so hohe Preise gefordert
werden dürfen, wie für Altertümer. Zugegeben!
Aber notwendig ist dies ja auch durchaus nicht,
denn mit unsinnigen Preisen braucht überhaupt
nicht gerechnet zu werden. Dagegen mag sich der
Hersteller versichert halten, daß für wirklich ge-
diegene Erzeugnisse auch entsprechende Preise
bezahlt werden, so weit sind wir denn nachgerade
doch gekommen. Ls darf also wohl der versuch
gemacht werden, den Anforderungen des guten
Geschmackes entgegenzukommen und in diesem
Punkt von der bisher fast allein gültigen Gepflogen-
heit abzuweichen, die darin bestand, Dinge her-

Aonst und Handwerk. 66. Iahrg. 3. vierteljahrsheft.

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