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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 68.1917-1918

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Frankenburger, Max: Jagdpokale aus der Kgl. Silberkammer der Münchener Residenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.10300#0060
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Jag-pokale aus -er Rgl. Silberkammer -er
Münchener Refiöenz

von Hoftat Max Frankenburger, München

Nach der Linfahrtshalle des Rapellenhofes der
Rgl. Residenz in München führt das auf der Süd-
seite gelegene erste Portal über einen Vorplatz
zu den Räumen der Rgl. Silberkammer, die, unter
Wilhelm V. und Maximilian I. entstanden, mit
zu den älteren Teilen der Rgl. Residenz gehört.
Zn einem dieser im Erdgeschoß gelegenen, mit
reicher Architektur ausgestatteten Säle werden in
einer größeren Anzahl hoher Glasschränke die
sorgsam behüteten Schatzstücke ausbewahrO). Für
Gebrauchs- und nicht für Schauzwecke bestimmt,
liegt der kulturgeschichtliche Wert und die Bedeu-
tung der umfangreichen Sammlung darin, daß
Gebrauchsgeräte in Edelmetall aus verschiedenen
Zeiten zum Teil in sehr seltenen Exemplaren
vertreten sind. Linen weiteren beträchtlichen Be-
standteil des Inventars bilden dann die Tafelzier-
stücke, darunter Trinkgesäße, wie Pokale, Rrüge,
Rannen, Becher usw., in verschiedensten Formen
und kostbarer Ausmachung, auch solche, bei denen
allerlei „Raritäten" veranschaulicht werden. So
versteinertes Holz, Elfenbeinxlatten, Rorallen, sel-
tene Münzen, Muscheln, Straußeneier, tierische
Abnormitäten, wie verkümmertes Gehörn, große
Eberzähne, in Silberarbeit montiert. Besonders
charakteristisch sind die beiden abgebildeten, mit
großen Eberhauern gefaßten silbervergoldeten
Pokale.

Bei dem älteren, aus der Zeit des Rurfürsten Max
Emanuef stammenden Stück ist zu bewundern,
mit welcher Rühnheit der Verfertiger den mäch-
tigen, rundgebogenen, t8 cm im Durchmesser hal-
tenden Hauer in den Raum zwischen Fuß und
Euppa hineinkomponierte. Mit dem gesamten
Aufbau in organischem Zusammenhang stehend
ruht er sicher, durch zwei mit ziselierten Eichen-
laubblättern bedeckte Hülsen gehalten, auf dem
eingezogenen Teil des leicht gewölbten Sockels.
Die verkehrt kegelförmige Euppa, in ihrem unteren
Teil ausgebaucht, zeigt eine klare Silhouette. Zwi-
schen den horizontalen Teilungen punziertes Band-
werk mit Blumen und Rosetten im späten Rurven-
stil Ludwig X I V. Ähnliche Verzierungen neben von
Rartuschen umrahmten und gravierten Medaillons

1) Die Kgl. Silberkammer ist nicht zugänglich. Über den
gesamten Schatz bereitet zurzeit der Verfasser ein größeres
Werk vor.

am Deckel, der unteren Ausbauchung und dem
Sockel. Zn den 4 Medaillons der unteren Aus-
bauchung Darstellungen von Zagdszenen: Be-

rittener Jäger einen Hirsch verfolgend. 2. u. 3.
Jäger einen Eber und Bären spießend. 4. Zäger
auf einen Fuchs mit der Flinte zielend. Zn den
4 Medaillons am Deckel: Das Rurf. Bayer.

Wappen. 2. M. E. C. 3. J. B. und 4. Darstellung
einer Zagdszene, berittener Zager einen Eber
stellend. Aus der Sockelplatte die gravierte Zu-
schrift: „Oer Zahn an gegenwärtigem Geschier
ist von einem Wildschwein, die 399 T gewogen
hat und S. Churfürstl. Durchl. nach Namur ad.
den 26. 9bre \7U von Baron de Töschn aus
Luxemburg zu einer Verehrung überschickt wor-
den.“ Leicht gewölbter, in der Mitte ansteigender
Deckel, bekrönt von einer männlichen Figur in
römisch antiker Tracht mit einer Rolle in der rech-
ten Hand. Vortragender godronierter Deckelrand.
Höhe des Pokals 52 cm. Augsburger Beschau-
zeichen vom Anfang des \8. Zahrh., Meistermarke
10M, möglicherweise der Stempel des Meisters
Zohann Otto Mehrer. Machte sein Meisterstück
t?08, 's 17^8. (vgl. Anton Werner, Augsburg k9f3,
Augsburger Goldschmiede Nr. (^83.)

Line phantasievolle, malerische Form im ausge-
sprochenen Rokokostil zeigt der zweite, ebenfalls
von einem Augsburger Meister verfertigte, Zagd-
pokal. - Rapriziöfe bewegte Darstellung bei natura-
listischer Auffassung. Die seitwärts von zwei
Eberzähnen umfaßte silbervergoldete Euppa, deren
Rörper mit Rokaillen und Blumen getrieben,
ruht aus einem kräftigen, mit reliesierten Blättern
belaubten Eichenstamm (Silber). Dessen Wurzeln
erstrecken sich aus den gewölbten Sockel, welcher
einen mit Gräsern, Eichenlaub, Eicheln, Steinen
und Lidechsen-bedeckten Waldboden vorstellt. Glei-
chermaßen beschaffen ist auch der gewölbte Deckel
mit der darauf gelöteten plastischen Gruppe eines
fliehenden, von Hunden gehetzten Ebers. Zm Znnern
des Deckels befindet sich eine vergoldete runde Platte
mit gravierter Znschrist: „Bede Hauzähne kom-
men von einem Wildschwein, so Seiner churfürst-
liche Durchlaucht Maximilian Joseph Anno ^753
im Xbris in dem heilig Geist Holtz (= Heilig Geist
Holz in Forst Rasten bei München) mit denen
Munden gehetzet und selbsten den Fang geben.“

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