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Zur Ausbildung der Kunsthandwerker.

von Max Heilmaier.

Sildhauer und Professor der Kunstgewerbeschule Nürnberg.

Oft gering schon ist darauf hingewiesen worden,
daß derjenige, der unser Land von Ort zu Ort
durchschreitet und die Entwicklung der Baukunst,
deren Auf- und Abstieg und die Übergänge zu
neuen formen beobachtet, bald bemerkt, daß
gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts
in der Kunsttätigkeit ein Niedergang ein-
tritt. Line nüchterne, schablonenhafte Art beginnt,
und charaktervolle, aus dem Bedürfnis, aus dem
Boden gewachsene formen verschwinden. Dieser
Wechsel vollzog sich auch an der Ausstattung der
Innenräume, an den Möbeln und an allen Ge-
brauchsgegenständen, vom größten bis zum klein-
sten. Die ererbte, sicher fortschreitende und neu-
belebende Kraft im Handwerk ist erloschen; das
übertragen des Stilgefühles auf die Nachfolger
fehlt und nicht nur ein Absterben des Geschmackes,
sondern auch ein völliger Rückgang in der Hand-
fertigkeit und im Beherrschen des Materiales
machen sich geltend. All diese Mängel und dieser
ganze rasche Niedergang sind wohl in Zusammen-
hang zu bringen mit dem Nachlassen der schöpferi-
schen Kräfte in der Kunst gegen das Ende des
*8. Jahrhunderts. Bis zum ersten Drittel des
neunzehnten Jahrhunderts hielt sich die Handwerks-
kunst, gestützt auf die Innungen, die auch die
Nachfolge praktisch regelten, aufrecht und leistete
noch Hervorragendes in allen Fächern. Sicher ist,
daß das politische Mißgeschick des deutschen Volkes
den verfall mit verursachte. Bemerkenswert ist
nun, daß zu dieser Zeit die Gründung und Ver-
mehrung von Schulen für das Kunst- und Bau-
handwerk beginnt, die zur Hebung des Geschmackes
ins Leben gerufen wurden und in ihrem Einfluß
auf die Erzeugnisse der gleichzeitig sich entwickelnden
Fabriken einen Ersatz für die lebendige Tradition
schaffen sollten — aber nicht schufen.

Die zunächst auf alle Gegenstände ohne Ver-
ständnis angewendete Arbeit der Maschine
entwertete den dekorativen Schmuck durch die
Anwendung reichster Zierformen, die wahllos
allen Stilperioden entnommen wurden und die
in überreicher Fülle besonders in der Metalltech-
nik aber auch in der keramischen, graphischen und
textilen Technik auf alle Gegenstände des Hausbe-
darfs übertragen wurden; sie verwirrte den Ge-
schmack der großen Masse der Abnehmer und zehrte

am Lebensnerv der Handwerkskunst. Die Maschine
verdrängte die alte Kultur in der Beschaffung des
Hausrates. Die verminderte Seßhaftigkeit, der
Umstand, daß besonders in den großen Städten
die Eigenbesitzer eines Hauses sich verringerten,
veränderten den Bedarf und die große Sorgfalt,
die früher auf die Herstellung von Linrichtungs-
gegenständen, die für Generationen herhalten
mußten, verwendet wurde, ging verloren. Lin
Rundgang durch ein Museum, das bis n.820 oder
1.830 geführt ist, zeigt uns den gediegenen Haus-
rat unserer Vorfahren und läßt erkennen, daß die
hochentwickelte Handwerkskunst jeder Sache bis
zum einfachsten Werkzeug eine schöne Form geben
konnte. Line Fortsetzung der Sammlung bis zur
Jetztzeit würde uns deutlich die Irrwege des neun-
zehnten Jahrhunderts in künstlerischer und tech-
nischer Hinsicht zeigen. „Blendend und billig"
war das Merkmal der Fabrikware, die der soliden
werkstattarbeit entgegengesetzt wurde. Die Fabrik,
die kunstgewerbliche Gegenstände erzeugt, hat ge-
wiß heute ihre volle Lebensberechtigung. Auch
schon im Altertum hatten die Massenwaren (Bron-
zen, Vasen, Terra Sigillata) eine große Bedeutung,
auch die Fabrikate späterer Jahrhunderte (Por-
zellane, Steingut usw.) sind heute kostbar; aber
bis vor nicht langer Zeit konnte man von künst-
lerischen Erzeugnissen der Fabriken nicht reden.
Zu den Bestrebungen, dem Mangel an künst-
lerischer Oualität abzuhelfen, ist die Arbeit des
deutschen Werkbundes zu rechnen, vorher wurde
der gleiche Zweck durch Gründungen und Ver-
mehrungen der Kunst, Baugewerbe- und
Kunstgewerbeschulen verfolgt.

Blicken wir auf die hochstehende kunsthandwerkliche
Kultur der früheren Jahrhunderte, so fällt uns
auf, daß diese lange Zeit, die all das, was wir heute
bewundern, schuf, keine Schulen im Sinne der
Jetztzeit hatte. Wohl gab es Maler- und Bild-
hauerschulen, aber bei genauem Zusehen waren
es vollständig auf werkstattätigkeit aufgebaute
Anstalten; ich erinnere nur an die Dombauhütten.
Dieser vergleich führt uns ohne weiteres zu der
Frage: warum konnte die Schule keinen
Ersatz bieten für die natürliche Nachzucht im
Kunsthandwerk, die doch augenscheinlich in der
Werkstatt vollständig vorhanden war? Die Ant-


Runst und Handwerk. 69. Jahrg. 3. u. vierteljabrsheft.

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