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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 73.1923

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Danzer, Paul: Zur Frage: "Not der Zeit und Kunstgewerbe"
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Aus dem Leben des Vereins / Kleine Mitteilungen / Neue Bücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.8624#0025
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lidie Antwort: Durch Verbilligung seiner Erzeugnisse. Der Preis
enthält Teilbeträge für Material, Arbeit und Spesen, von diesen
drei Faktoren verträgt aber in erster Linie das Material eine
kräftige Einsparung. Audi frühere Zeiten der Not führten zu
neuem Gepräge im Kunstgewerbe, das von der Materialerspar-
nis ausging, man denke an die Plastiken von Sdiwarzeisen, an die
Schmuckstücke aus bayr. Flußperlen und sonstigen Inlandssteinen,
u. dgl. Und heute können wir uns nicht entschließen, vom Edel-
metall und hochwertigen Stoffen anderer Art loszukommen, heute/
wo uns mehr Rohstoffe als jemals zur Verfügung stehen, wo wir
Techniken entwickelt haben von denen noch unsere Väter sich
nicht träumen ließen. Um nur einige Stoffe zu nennen, so ist
meines Wissens Aluminium überhaupt noch nie künstlerisch ver-
wertet worden, ebensowenig Celluloid, Steinzeug, von Email, Bein,
Zink namentlich von der Kombination verschiedenartiger Mate-
ralien mit einfachem Holz wurde noch kein den Bedürfnissen
unserer Zeit entsprechender Gebrauch gemacht. Auch ist sehr zu
überlegen, ob nicht einige ausgesprochene „Ersatz"stoffe wie
Kunstseide, Papiergewebe, sich für bestimmte Erzeugnisse kunst-
gewerblich einwandfrei verarbeiten ließen.

Hier soll nicht dem „Ersatz" das Wort geredet werden, dem
billigen Tand, der nichts taugt. Im Gegenteil brauchbar für seinen
Zweck muß ein Gegenstand, wenn er zum Kunstgewerbe zählen
soll, in aller erster Linie sein und haltbar dazu. Aber warum muß
ein Leuchter aus Messing sein? Kann man keine gefällige Form für
Ausführung in Holz finden? Kann die Tasche aus gepunztem
Leder, die wirtschaftlich längst der Vergangenheit angehört (denn
wer kann sie noch zahlen?) nicht aus wohlfeilen, festen aber ge-
fälligen Geweben, die Schreibmappe aus Kunstpapier hergestellt
werden? Ohne irgendwie zur Nachahmung aufzufordern, nur als

Beispiel sei erinnert an die Bastarbeiten der Südsee-Insulaner,
die Papierlaternen (Lampions) der Japaner, um zu zeigen, wie
billiges Material durch künstlerische Idee und vollendete Arbeit
zu kunstgewerblich Brauchbarem werden kann.

Es ist überflüssig zu sagen, daß natürlich jede Vortäuschung
besseren Materials ausgeschlossen bleiben muß. Im Gegenteil
gilt es, für jeden Rohstoff die Verarbeitungsweise und die For-
men zu finden, in denen er sich charakteristisch darstellt. Origi-
nelles hier zu schaffen ist der Weg, auf dem das Kunstgewerbe
unsere Zeit überwinden muß. Universaler Kunstsinn, Eindringen
in das Wesen neuer Stoffe, volle Beherrschung verschiedener
Techniken und nicht zuletzt Reichtum an künstlerischen Ideen sind
dafür unentbehrlich.

Es sind Anläufe gemacht worden, aber man ist stecken ge-
blieben. Die Entwicklung des Lackmöbels (an Stelle des Edelholz-
möbels) hängt noch am japanischen Vorbild, man versuchte Lam-
penschirme aus Papier zu schaffen und kam über die dürftige
Kegelform aus plissiertem Karton noch nicht hinaus. Das sind
nur Beispiele.

Das Ziel, das sich unsere Exportindustrie gesteckt hat: Wenig
Material und viel Arbeit zu verkaufen, entspringt dem tiefsten
Sinne unserer Wirtschaftslage. Auch das Kunstgewerbe kann
wirtschaftlich nicht wieder hoch kommen, wenn nicht die Idee und
die Arbeit die überwiegenden Bestandteile am Wert ihrer Er-
zeugnisse werden. Die Frühjahrsmessen haben gezeigt, daß die
Nachfrage sich fast nur auf Gegenstände richtet, die bei gefälliger
Form originell — und erschwinglich sind. Das Material ist zu
teuer. An Ideen und Arbeit soll nicht gespart werden, sie sind
das, worin das deutsche Kunstgewerbe letzterdings überlegen
bleibt — nicht der Stoff. Paul Danzer.

AUS DEM LEBEN DES VEREINS

Persönliches. Der Tod hat in den letzten Wochen zwei hoch-
angesehene Mitglieder des Vereins weggerafft:

Josef Ritter von Schmädel, unser Ehrenmitglied des Aus-
schusses, wurde am 10. April in Garmisch, wo er seit einigen
Jahren als Siebziger sich zur Ruhe setzte, zu Grabe getragen,
und ihm unter Niederlegung eines Kranzes, mit dem der Verein
den ältesten mobilen Zeugen der großen Verdienste dieses sel-
tenen Mannes, Herrn Heiden, betraute, folgender Nachruf ge-
widmet :

Josef von Schmädel, von Haus aus Architekt, verstand es auch
geistig, einen Bau fest zu fügen und ihm als Organisator stolz
tragende Säulen und festlichen Schmuck zu geben. Die große Zeit
deutschen Aufblühens und der Renaissance des Kunstgewerbes
fand ihn an der Seite von Gedon Seitz und Seidl zusammen, die
im Geiste des alten Miller die Münchener Ausstellungen schufen,
die er mit feurigen Worten aus der Taufe hob. Die Annalen des
Kunstgewerbevereins sind reich an Liedern, die er für die Gilde-
feste schrieb und seine Festspiele aller Art schufen typische Zeit-
bilder. Der Wirkung des Bildes war auch sein zweiter Lebens-
abschnitt zugewandt, in dem er der Erfindung Meißenbachs durch
seine Umsicht größte Weltbedeutung schuf und die Autotypie
ihren Siegeszug auf dem Kontinent antrat. Hier hat er als Leiter
der Arbeit ein reiches Feld sozialen Wirkens gefunden und sich
das Vertrauen und die Dankbarkeit einer großen Arbeiterschaft
erworben. Versöhnend griff er überall ein, wo Frühlingsstürme
drohten und sein jugendlich schlagendes Herz umschlang stets
alle Gruppen zur Einigkeit und Selbstzucht. Möge sein Geist

heilsam nachwirken in einer Zeit, die solcher Einigung mehr wie
je bedarf, und dieser Mann, der als treuer Mitkämpfer auch im
dunkelsten Deutschland standhaft bis zum letzten Atemzuge aus-
harrte, uns allen das Vorbild bleiben eines treudeutschen Bayern,
der nun in seiner heroischen Gebirgsweltdie letzte Ruhestätte ge-
funden, auf der unsere Mitglieder, wenn sie Erholung in der
Alpenwelt suchen, eine Blume stecken werden, wie hier der Kunst«
gewerbeverein in Dankbarkeit und Verehrung diesen Kranz
niederlegt.

Alois Borsch. Am lO.April starb hier der ehemalige Münz-
medailleur Alois Borsch, eine der liebenswürdigsten Erscheinungen
in der Münchner Kunstwelt. Ein geborener Württemberger (zu
Gmünd im Jahre 1855), kam er bereits im Jahre 1872 nach Mün-
chen und zwar sofort an das Kgl. Hauptmünzamt, nachdem er in
seiner Vaterstadt als Stahlgraveur die Lehre durchgemacht hatte.
Dem Münzamt hat sein ganzes berufliches Leben gehört, bis er
vor einigen Jahren in den Ruhestand trat, ein seltenes Beispiel
von aufrichtiger und freudiger Hingabe an seinen Beruf und an
das Wohl der Allgemeinheit. Weit mehr wie ein Menschenalter
entwarf und schnitt er die Stempel, die zur Prägung nötig waren,
als unser liebes Vaterland noch in der glücklichen Lage war,
Metallgeld zu schlagen! Auch in dieser Beziehung ist mit Alois
Borsch in symbolischer Weise ein Stück deutscher und bayerischer
Geschichte dahingegangen. Die Tätigkeit im beamtlichen Beruf
als Münzgraveur erschöpfte bei weitem nicht, was an künstle-
rischen Fähigkeiten in dem bescheidenen Manne lebte. Eine große
Zahl reizvoller Medaillen vielmehr ist von seiner Hand erhalten.

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