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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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75 Jahre Bayer. Kunstgewerbe-Verein : 1850-1925
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1850 - 1925

75 JAHRE BAYER. KUNSTGEWERBE=VEREIN.

Im Jahre 1925 vollendet der Bayer. K. G. V. das
75. Jahr seines Bestehens. In einer Zeit reichster Ent»
faltung der künstlerischen Kräfte hat die Notwendige
keit,Künstler undHandwerker zu gemeinsamemSchaf»
fen zusammenzuführen, zu seiner Gründung geführt,
und dieser Grundgedanke aller angewandten Kunst
ist in der langen zurückliegenden Zeit im Verein stets
lebendig geblieben. Trotz allen Wandels und grund»
stürzender Veränderungen hat sich an dieser und
anderen Grundlagen des kunstgewerblichen Schaffens
nichts geändert. Noch heute führt eine Absonderung
der Künstler, wie sehr auch eine ideale Anregung
damit verbunden sein mag ebenso sicher von einer
gedeihlichen Fortentwicklung des Kunstgewerbes ab,
wie eine Konzentrierung des Handwerks auf das
Technische. Nur engstes Zusammenwirken, gegen»
seitiges Verstehen führen zur künstlerischen Be»
lebung der Materie, zur materiellen Verkörperung
der Idee.

Ernst Foerster der erste Schriftleiter unserer Zeit»
schrift behandelt im Leitaufsatz der Nr. 1 <1851> diese
Frage. Von der urgeschichtlichen Zeit beginnend, in
der Künstler und Handwerker in einem Begriff ver»
einigt waren und „ein reiner künstlerischer Formen»
sinn instinktartig die ganze schaffende Tätigkeit des
Volkes, vom Bildner in Gold oder Elfenbein bis in
die Werkstatt des Töpfers durchdrungen" zu haben
schien, berührt er die Zunftverhältnisse des Mittel»
alters, die Bauhütten mit ihrem weitreichenden form»
bildenden Einfluß, und stellt dann fest, wie das 19.
Jahrhundert alle Bindungen dieser Art gelöst hatte und
nur ein staatliches Schulwesen übrig geblieben war.
Man kann es heute noch empfinden, welche Leere die
Auflösung der altenGesellschaftsformen die allmähliche
Durchdringung unseres Wirtsdiaftslebens mit dem
rücksichtslosen Gewinnstreben, zurückließen, welche
Nüchternheit das aufkommende Fabrikzeitalter mit sich
brachte. Inzwischen hat jahrzentelange Arbeit als not»
wendigen Ersatz für gelöste Bindungen wieder neue
andere geschaffen. Daß diese Notwendigkeit gerade
für das Kunstgewerbe so frühzeitig erkannt worden
ist, ist unbestrittenes Verdienst der Männer, die da»
mals den „Verein zur Ausbildung der Gewerke" ge»
gründet haben. Foerster spricht von einem der da»

Kunst und Handwerk. Jahrs. '925. 1. Heft

maligen Zeit eigenen „Drang nach freier Ver»
einigung trotz aller Kräftezersplitterung".
Die großen Schöpfungen König Ludwigs I. hatten
bereits tatsächlich ein Zusammengehen von Künstlern
und Handwerkern herbeigeführt und dieser aus dem
praktischen Leben entstandene Vorgang, keine theo»
retische Absicht führte zur Gründung des Vereins.
Freilich nun ging der Ausbau erst an und man schürfte
tiefer, als sich dies aus den augenblicklichen Bedürf»
nissen ergab, um Ziele und Betätigung der neuen
Vereinigung auf tüchtige Grundlagen zu stellen.

Wenn man die Leitsätze liest, die damals aufgestellt
wurden, kann man erkennen, wie unverändert diese
heute noch fortbestehen. „Zweckmäßigkeit, Güte und
Wohlfeilheit sind die unerläßlichen Bedingungen für
die Erzeugnisse des Gewerbefleißes." Dieser Satz
steht an der Spitze, von ihm ausgehend wird die
künstlerische Gestaltung behandelt. Das Streben nach
Schönheit, der Formensinn „zeigt sich bei den ver»
schiedenen Völkern und zwar nicht nur nach Maßgabe
der Bildung, sondern als Ausdruck ihrer Eigentüm»
lichkeit, ihres besonderen nationalen Gefühls verschie»
den, gleichwie die Sprache, ja es ist ja selbst eine Art
Sprache, nur für das Auge." Diese Klarlegung war
damals so nötig wie heute. Man stand unter dem
Eindrucke derLondoner Ausstellung und hatte erkannt,
auf welchem Irrweg sich das deutsche Kunstgewerbe
mit der Nachahmung fremder Vorbilder befand. Da»
mals wurde vor allem Frankreich imitiert, wie später
England und jüngst Japan und andere. Man warnte
aber nicht nur vor der Nachahmung fremder Völker,
sondern auch fremder Zeiten. „Der Formensinn ist
nicht allein Ausdruck der verschiedenen Gefühlsweisen
eines Volkes, sondern, weil er die Art und den
Grad der Bildung desselben abspiegelt, auch zugleich
das Merkmal einer bestimmten Zeit, die ebenso gut,
wie die Nation im allgemeinen, das Recht einer be»
sonderen Formengebung in Anspruch nimmt."

Nun wird die Baukunst — als „allein tonangebend
für die Bildung des allgemeinen Formensinnes" er»
klärt. „Überall, wo die Architektur den Ton angibt
für die Formengebung, werden willig und selbst un»
willig sämtliche Baugewerke und ihnen nahestehende
Gewerbe in dieselbe Richtung gezogen." Hier ist
 
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