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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Pechmann, Günther von: Das Zeitgemässe Kunstgewerbemuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0030
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DAS ZEITGEMÄSSE KUNSTGEWERBEMUSEUM.

VON DR. GÜNTHER FRHR. VON PECHMANN.

„Man hat heute erkannt, daß die Ausbildung einer
künstlerischen Lebensform ein sozial» und national»
politischer Faktor geworden ist. Keiner der modernen
Großstaaten hat sich der Aufgabe zu entziehen ver»
mocht, immer reichere Mittel für diesen Zwedc zur
Verfügung zu stellen, getragen von der Überzeugung,
daß die künstlerische Veredelung der gewerblichen
Produktion auch vom Standpunkt der ganzen Volks»
Wirtschaft als ein nationaler Gewinn zu betrachten
ist." Die Richtigkeit dieser Sätze — sie stehen in der
neuesten Auflage des „Handwörterbuchs der Staats»
Wissenschaften" — wird erfreulicherweise auch in den
einzelnen Ländern des Deutschen Reiches beherzigt:
fast überall finden wir beachtenswerte Anstrengungen,
um dem heimischen Kunstgewerbe eine weitere Ent*
faltung seiner Kräfte trotz der wirtschaftlichen
Nöte der Gegenwart möglich zu machen. In
Städten, die bisher durchaus keine Mittelpunkte eines
hochstehenden Kunstgewerbes waren, zeigen sich An-
sätze zu weitausgreifender Organisation auf diesem
Gebiet: so hat die Stadt
Halle mit Hilfe des preu»
ßischen Staates produzie»
rende Musterwerkstätten
von großzügiger Anlage
für Weberei, Töpferei,
Emaillekunst, Metall* und
Holzbearbeitung einge»
richtet,- so plant die Stadt
Frankfurt a. M., die den
durch seine propagandisti«
sehe Tätigkeit in Mann»
heim bekannt gewordenen
MuseumsdirektorWichert
gewonnen hat, eine zu»
sammenfassende Neuor»
ganisation von Schule,
Werkstätten und Samm»
hingen,- so hat man in
Hildesheim in dem be»
rühmten Knochenhauer»
Amtshaus unter dem dort
befindlichen Kunstgewer»
bemuseum eineVerkaufs»

stelle eingerichtet, die unter anderen kunstgewerblichen
Erzeugnissen auch die der dortigen Schulwerkstätten
zum Verkauf bringt. In Sachsen findet die Tätigkeit
der sächsischen Landesstelle für Kunstgewerbe einen

FIRMENSCHILD DER HOF» UND KABINETT-
SCHLOSSEREI F. HÖCK, MÜNCHEN

Hude 18. Jahrhundert. Teils in Eisen geschmiedet, teils getrieben.
Aus den Sammlungen des Mündiener Stadtmuseums.

aufnahmefähigen Boden,- in Baden kann man von dem
neuen Staatspräsidenten Dr. Hellpach, dessen geist»
voller, höchst lebendiger Vortrag über gewerbliche Er»
Ziehungsfragen auf der Werkbundtagung des letzten
Herbstes die begeisterte Zustimmung aller Zuhörer
gefunden hatte, eine sehr persönliche Förderung aller
kunstgewerblichen Interessen erwarten.

Was kann in Bayern geschehen, um dem Land
seine Stellung als ein Land hochentwickelter Gewerbe«
kunst solchen Anstrengungen gegenüber zu wahren?
Die Erörterung dieser Frage, die seit Jahren spielt,
muß endlich zum Abschluß gebracht werden. Die Be»
antwortung ergibt sich aus dem Einblich in die ge-
werbliche Struktur des Landes. Man wird die Schaffung
produzierender und verkaufender Muster=Werkstätten
— auch wenn man die Richtigkeit der Idee grundsätz»
lieh anerkennt — nicht in einem Land in den Vorder»
grund stellen dürfen, in dem nicht ein Mangel, sondern
eher eine Häufung kunstgewerblicher Unternehmen
aller Art besteht. Was hier nötig ist, läßt sich mit zwei

Forderungen umschreiben:
1. Für die kunstgewerb»
liehen Erzeugnisse der ein*
heimischen Betriebe, der
Handwerker,Künstlerund
Unternehmer, muß durch
eine planmäßige Werbe»
tätigkeit Verständnis und
InteressebeiHändlern und

Verbrauchern gewecht
und gefestigt werden. Die
Werbetätigkeit darf na»
türlich nicht in Form einer
seichten Propaganda be»
trieben werden, sie muß
auf wirklich vorhandenen
Werten autbauen und ein
ernstes Bildungsziel ver»
folgen.

2. Den vorhandenen Be«
trieben,denHandwerkern,
Künstlern und Unterneh»
mern, müssen verwertbare
Anregungen geboten wer«
den, durch Darbietung vorbildlicher gewerblicher Er»
Zeugnisse aus alter und neuer Zeit, bei deren Samm»
lung und Aufstellung nicht kulturhistorische und nicht
technologische Gesichtspunkte leitend sein dürfen,

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