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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Danzer, Paul: Fünfundsiebzig Jahre Bayerischer Kunstgewerbe-Verein
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0069
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FÜNFUNDSIEBZIG JAHRE BAYERISCHER KUNSTGEWERBE*VEREIN.

Am 15. November 1850 ist in München der „Verein zur Ausbildung der Gewerke", der
heutige Bayerische Kunstgewerbe*Verein gegründet worden. Die Gründung hatte sich, obwohl längst
beabsichtigt, immer wieder verzögert, nicht zuletzt wegen der geringen Neigung der Künstler zu diesem
Bündnis, aber schließlich hatte das große Fest anläßlich der Enthüllung der Bavaria, das Kunst und
Handwerk vereinte, die letzten Hemmungen beseitigt. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß dieses Fest,
]n dem die große Zeit Münchener Kunstschaffens, die Zeit Ludwigs I. wohl ihren kräftigsten äußer*

liehen Ausdruck fand, den
Anstoß zur G ründung des
Vereins gegeben hat, zu*
gleich aber schon am Ende
dieses Zeitabschnitts lag.
Die Entstehungsgeschichte
des Vereins führt jedoch
weiter zurück. Mit der Lö*
sung alter Bindungen hatte
längst im Aufbau desVol*
kes und derWirtschaft eine

tiefgreifende Umgestal*
tung eingesetzt, man stand
am Beginne des industriel*
Jen Zeitalters, das über
England bereits düstere
Schatten vorausgesandt
hatte, der Bau der Eisen*
bahnen als Schrittmacher
des Leihkapitals brachte
schon die Anfänge der Kre*
ditwirtschaft mit sich. Alle
diese Vorgänge ließen das
Schicksal des Handwerks
umso unsicherer erschei*
nen, als dessen Leistungen
unverkennbaren Rückgang
zeigten. Die Zeit, in der
der Handwerker zugleich
formschaffender Künstler
war, und umgekehrt, war
dahin. Kann doch das Jahr
1840 geradezu als End*
Punkt alter Meisterkunst
gelten. Die siegreiche Me*
thode der,, Arbeitsteilung"
hatte längst auch auf das
handwerkliche Gestalten
übergegriffen und die be*
deutendeBautätigkeitLud*
Wlgs I. hatte stets unter

DÜLL 6, PEZOLD.
Ehrengeschenk „Das Kunstgewerbe".

dem großen Abstand ge*
litten, der sich zwischen
der kühn ausschreitenden
Kunst und dem stehenge*
bliebenen, ja vom Nieder*
gang bedrohten Hand werk
gebildet hatte und sich
dauernd erweiterte. Diese
Entwicklung ließ befürch*
ten, daß der Künstler von
der Bindung an den Stoff
und seine Bearbeitung be*
freit, den Boden unter den
Füßen verlor, das Hand*
werk aber in ungleichem
Kampf gegen die Maschine
oder in sinnloser Verket*
tung mit ihr zum minde*
sten seinen kulturellen In*
halt einbüßte und aus Jahr*
hunderten überkommene
Kunstfertigkeit denUnter-
gang fand. Man hat dies
erkannt und gerade von
KönigLudwigbesteht eine
Randbemerkung schon von
1830: „Es soll angelegent*
liehst getrachtet werden,
Kunst in die Gewerbe zu
bringen." Der Künstler
brauchte ja den Handwer*
ker, ohne den er seine
Werke nicht verwirklichen
konnte und den Handwer*
ker zog ererbter Kunstsinn
und Schaffensfreude, und
auch die wirtschaftliche
Entwicklung zur Kunst.
In der Allgemeinheit aber
setzte eben mit dem Nie*
dergang der Handwerks*

Kunst und dem Aufkommen der Fabrik jene Verödung des Geschmackes ein, die unser Zeitalter
kennzeichnet und zu einem nie dagewesenen Konsum von Schund geführt hat. Das waren die
Ueferen Wurzeln, aus denen der „Verein zur Ausbildung der Gewerke" entsproß, sie reichen weit

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