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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft IV (April 1909)
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Löffler, Gottlieb: Zeichenblock und Malkasten
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Muthesius, Hermann: Wohnungskultur, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0068
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und richtig anordnet. Noch weniger passt der Vordruck: Datum, Klasse, Name u. dergl.
Die Schrift des Schülers passt nie zu diesem Vordruck. Der Zeichenbogen darf kein Formular
mit Vordruck sein, wie solche auf einem Bureau sich vorfinden. Der Schüler muss lernen,
den notwendigen Text an einen geeigneten Platz und oft auch mit geeigneter Schrift selbst
anzuordnen. Das ist für die Geschmacksbildung keine Nebensache, wie manche Leute glauben.
Dieses Anordnen der Zeichnung, der verschiedenen Studien auf einem Blatt und des Textes
muss zur guten Gewohnheit werden.
Nun der Umschlag des Zeichenblocks. Soll ein Vordruck auf denselben, so soll er
nach einem guten einfachen Entwürfe sein. Man sehe sich daraufhin so verschiedene Um-
schläge an ! Dass die Firma unten sich und etwa eine nähere Bezeichnung, Nummer, Fabrik-
zeichen, Schutzmarke, Preis u. dergl. geschmackvoll bescheiden aufdruckt, ist wohl am Platze.
Dieser Aufdruck kann auch auf der Innenseite des Umschlags aufgedruckt werden.
In meiner Praxis halte ich’s so. Die hier die Zeichenblöcke liefernden und in unserem
Organ inserierenden Firmen Baier & Schneider und Berberich-Heilbronn a. N. liefern mir
die Blöcke ohne Aufdruck. Meine Schüler machen sich eine geeignete einfache Zeichnung
in schwarzer Tusche selbst auf den Umschlag. Das regt ungemein an und wird von den
Schülern gern getan. Ist der Block verbraucht, so kommt der Umschlag zu den anderen
Zeichnungen. Bringt ein Schüler keine Umschlagzeichnung fertig, bleibt der Umschlag eben
leer und sieht dann immer besser aus, als mit einem zweifelhaften Aufdruck. Auf die Vor-
teile der Betätigung der Schüler in dieser Art brauche ich nicht weiter einzugehen.
Nun der Malkasten. Zum Malen hat der Maler eine Palette, d. h. eine ebene Fläche,
welche ihm genügend viel Raum zum Farbenmischen bietet. (Ich möchte gleich zum Voraus
dem — merkwürdigen, immer wieder zu hörenden Einwand begegnen, dass doch vom eigent-
lichen Malen in unseren Schulen keine Rede sein könne, dass die Schule keine Künstler zu
bilden habe. Das will die Schule nicht und kann es nicht bei der dem Zeichenunterricht
so karg bemessenen Zeit. Auch hier wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Kommen
aus den sogenannten Gelehrtenschulen lauter Gelehrte heraus, oder aus den Kunstschulen
lauter Künstler! Der Gelehrte und der Künstler entwickelt sich erst nach der Schulzeit.
Die Schule aber hat das anzustreben, was ihr zu leisten möglich ist.) —
Auf oder in der Palette müssen die Farben offen bereit sein zur jederzeitigen Be-
nützung. Das ist ja so selbstverständlich, dass man’s gar nicht zu sagen haben sollte. Das
Malen fängt an mit dem Anlegen einer umgrenzten Fläche mit einem Ton. Von diesem
Ton eine genügende Menge parat zu halten ist nötig. Dazu sind die Vertiefungen in den
Deckeln. Später will ich doch aber auch Farben mischen und zwar so, dass die verschiedenen
gemischten Töne nebeneinander auf der Palette stehen. Dazu sind diese Vertiefungen
hinderlich. Ich brauche sie gar nicht. Auch in einem flachen Deckel kann ich für die erste
Zeit des Malens eine genügende Menge Farbe parat halten. Wenns aber absolut eine Ver-
tiefung sein soll, so nehme man ein Porzellanschälchen, welches dann für alle diese Fälle
und für alle Zeit genügt. Ein Malkasten muss also genügend ebenen Platz zum Mischen und
genügende kleine Vertiefungen oder Näpfchen zum Eindrücken der Farben haben. Ein
Daumenloch ist einem Daumenring vorzuzieheD, denn ich will ab und zu meinen Malkasten auch
auf den Tisch stellen und da soll er eben liegen und nicht fortwährend bei der Benützung
wackeln. Sehen wir daraufhin die Malkasten an, so finden wir verhältnismässig wenig Brauch-
bares. Wozu so vielerlei Modelle? Könnte man sich nicht entschliessen, etwa für Volksschulen
ein praktisches Modell zu schaffen, das dann überall Verwendung fände, und einige, höchstens
2 oder 3 Modelle für höhere Lehranstalten, Seminare? Für Volksschulen genügten 7, für
höhere Lehranstalten und Seminarien 12 Farben. A. Martz-Stuttgart, Günther Wagner-
Hannover und Redeker & Hennis-Nürnberg haben solche brauchbare Kasten für meine
Klassen nach meinen Angaben angefertigt. Ich empfehle sie bestens. Auch Schmincke und
Schönfeld haben brauchbare Malkasten.

Wohnungskultur (Fortsetzung).
Aber, so fragt man, ist denn nicht gerade die deutsche Industrie eifrig der
neuen Richtung gefolgt? Hat sie sie nicht geradezu zur Volkstümlichkeit erhoben?
Haben wir nicht in Deutschland jetzt unseren .Tugendstil? Also ist doch die
Popularisierung der neuen Kunst durch die Industrie in weitem Masse erreicht?
Ja, wir haben heute in Deutschland den Jugendstil, und er ist allerdings
eine Folge der neuen Kunstbewegung. Aber leider eine solche, wie sie uns unsere
Feinde nicht schlimmer hätten wünschen können. Hier hat sich unsere nach
Neuerungen auslugende Industrie wieder einmal gründlich geirrt. Sie fasste nach
dem Körper und griff nach dem Schatten. Der Jugendstil ist eine Kunst, die
nicht von Künstlern, sondern von kleinen Musterzeichnern aus der Taufe gehoben
wurde, von Leuten, die aus der Froschperspektive auf das Gebaren der Grossen
hinaufschauten und eben sich merken konnten, wie diese sich räusperten und spuckten.
Das ahmten sie flugs nach, und wir hatten den Jugendstil, Der Ladeninhaber
 
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