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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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Meyer, Bruno: Die Restauration des Andrea del Sarto im Berliner Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.5183#0071

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könnten, scheint nicht cinmal in Erwägung gezogen zu
scin, und es wurde gcputzt bis auf cine Farbenlage, die
vcrmuthlich „auch dem schärfsten Putzwasser widerstaudeu
hätte", — uämlich dic Unternialnng. Haudgroße Stücke
der Farbc lösten sich und wnrden beseitigt als Flickarbeit
früherer Restauratoren, die Lücken mit Kreidegrund (sehr
lüderlich und ungleich) ausgefüllt und übernialt, und da
es natürlich viel leichter ist, die alten Stücke mit den
neuen in Uebereinstimmung zu setzen, als umgekehrt, die
Uebermalung auch in weiterem Umkreise fortgesetzt, wozu
wohl auch der rohe unfertige Anblick der ans Tageslicht
gerissenen Untermalung verlockt haben mag. Die Beamten
des Ateliers und die bcaufsichtigenden höchsten Verwal-
lungsbeamten des Museums erkannten, daß nach diesen
Proceduren die nreigene Schönheit der wirklich echten Ar-
bcit dcs Meisters nun erst recht „herausgckommen" sei,
und das Bild wurde wieder aufgestellt.

Einige Zeit darauf — es war in der Weihnachtszeit
— erhob sich der Kunstrefercnt der Vossischen Zeitung,
Ludwig Pietsch, in einem meisterhaft geschricbencn Ar-
tikel „Eine unsühnbare That" gegcn diese Verunglimpfung
eines Meisterwerkcs, und da die wenigen, welche ihn
anfangs beachteten, nicht umhin konnteu, einzustimmcn,
so begann bald eine förmliche Wallfahrt nach dem ge-
schundenen Bilde, vor dem man Worte vernahm, die kaum
in Amerika öffentlich wiederzugeben erlaubt sein möchte.

Erst als die Aufregung im Wachscn war, crfuhr man,
daß bereits vor der crsten Lffentlichen Kundgebung die
Akademie der Künste unmittclbar beim Ministerium
Beschwerdc über die„That" crhoben und ihre Entrüstung
darüber ausgesprochen hatte. Wer die Schwerfälligkeit
dcr Akadcmien kennt nnd sich vergcgcnwärtigt, wird zu-
gebcn, daß das Gewicht dieser Thatsache gar nicht über-
schätzt werden kann.

Es ist darauf, wie man erfährt, ein amtlicher Be-
richt von der Generaldirektion der Museen einge-
fordert worden, welcher von denHerren Professoren Hotho
und ikeller (lctzterer ist Vorstand des NestaurationS-
ateliers) mitunterzeicknet, ausführen soll, daß nur alte
Netouchen abgehoben seicn, die alten Theile, so weit die-
sclbcn noch erhalten, nicht gelitten,haben, und das Bild
jetzt crst zwar nicht in seinem ursprünglichen Glanze, aber
doch, so weit dics nach früher erlitteucn Unbildcn übcrhaupt
möglich sci, iu seiuer origiualeu Erschcinung wicder dastehe.

Das Ministcrium, hierdurch scheinbar doch noch nicht
ganz beruhigt, forderte durch dic Gencraldirektion ein
Gutachtcn dcs Galeriedircktors Waagen cin.
Derselbe erklärte unumwundeu seine mit der unsrigen in
allem Wesentlichen vollkommen übereinstimmende Ansicht,
und sein Bericht ging anf wiederholte Anfrage uach ciniger
Zeit mit cinem begleitenden lüxposv des Herrn General-
dircktors an das Miuisterium ab.

Während dieS geschah, gab auch Or. Alfred Wolt-

mann in dcr Natioualzeitung — Anfangs Januar —
unter der harten Ueberschrift: „Der im Museum begangcne
Frevel" scin Urtheil ab und wälzte dic Schnld dieses und
ähnlicher früherer Ereignisse auf die zu weit ausgedchntc
Machtbefugniß des Generaldircktors. Er schlug die Bil-
dung einer unabhängigcn Kommission vor, welche über
Ankäufe, Restaurationen, Aufstcllnug und alle wichtigen
Angelegenheiten gehört werden mllsse und endgültig zu
entscheiden habe.

Wenige Tage später vcrsammelte sich dcr Berliner
Künstlerverein in vorporo vor dem Bilde, und die
Wirkung der gemeinsamen Betrachtung war der Beschlnß,
eine Petitiou gleichzeitig au das Ministcrium nnd an das
Abgeordnetenhaus zu richteu. Dieselbe ist, mit den acht-
barsten Berliner Künstlernamen unterzeichnet, bald darauf
abgegangen.

Eben war dcr Unterzeichuete im Begriff, sich in ähn-
lichem Sinne in der Spener'schen Zcitung vernchmen zu
lasscn, als ihm cin durch zwei Nummern der „Post"
gehendes Feuillcton zu Gcsichtekam, welches ohne Untcr-
schrift nuter demTitel „Einigc sachlicheBemerkungcn ;n
der angeblichen Zerstörung des Andrea dcl Sarto" eine
Rechtfcrtigung der Restauration versuchte. Nach
cincr Neihe gehässigcr Persönlichkeiten uud wegwerfendcr
Urtheilc (die bis da aufgetretenen, schr geachtctcn Herrcn
Kritiker werden u. a. als „Halb- und Viertelkcnner" be-
zeichnet) wnrde der frühere Zustand des Bildes möglichst
herabgesctzt: es sollte schon bcim Ankanf als nenerdings
sehr restaurirt erkannt sein, rundhernm Verkleinerungen
erfahren haben und jencn vielbewunderten „goldigen Ton"
einer „branncn Sauce" schuldig gewesen sein, mit der die
früheren Restauratorcn ihre ungeschickte Arbeit verborgen
hätten. Von dem Gange der gcgcuwärtigcn Nestauration
wurde sodann eine lange romanhafte Lebensgeschichtc be-
richtet, die von Wunderlichkeiten strotzte und darauf hin-
auslief, daß Alles mit größter Vorsicht und Gewissenhafiig-
keit gemacht worden sei; was man jetzt sehe, sei wirklich
Andrea's Werk, und zwar alles, was davon unter der
„brannen Sauce" noch übrig gewesen, ohnc daß ctwas
davon oder dazu gethan sei; und so ergebe sich „das
(wahrlich!) übcrraschendc Ncsultat", daß die Restauration,
weit entfernt zu weit getrieben zu sein, vielmehr nicht weit
genug geführt sei; jedoch könne sie von dem gewo>incnen
Puukte aus jederzeit ohne Schaden zn dem gewüuschtcn
Ende gebracht wcrden. Zugleich wurde das Urtheil des
Herrn M. Unger (Verf. von: „Das WescndcrMalcrci"
n. s. w.) als cincs der wenigcn Bcrliner Knnstgclchrtcn,
die ctwas von dcr Technik der alten Maler und dcm
Restauriren alter Bilder verständen, provocirt.

Jch hattc kcinc Veranlassnng, mich in Vermuthnngen
über den Anonhmus zu ergehen, und behandelte ihn in
einem Aufsatze in der Spener'schen Zeitung: „Die
Verputznng des schönsten Andrca del Sarlo im Berliner
 
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