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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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G. F. Waagen
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5183#0168

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167

Wahrhaft rührend und innig wohlthuend ift die kurze
Schilderung, die er unmittelbar unter dem ersten Eindruck
des Verlustes von den letzten Stunden des Verblichenen
macht. Von der Bedenklickkeit seines Znstandes nichts
ahnend lag der Kranke ohne Schmerzen und ohne Be-
wnßtsein, meist im Halbschlummer. Die ewigen Gebilde
der Kunst, deren Erforschung Aufgabe seines Lebens ge-
wesen, umschwebten, seinein inneren Auge sichtbar, das
Bette des Sterbenden, undwunderbar klar zusammenhän-
gend sprach er über das, was er in seiner Phantasie vor
sich sah. Kein Gefühl des Hastes oder des Schmerzes
trübte, so scheint es nach den Berichten und entspricht es
seiuer edleu Natur, den Frieden seiner letzten Augenblicke,
nnd ruhig hauckte er, zwar fern von den Sci'nen, abcr im
Schutze treuer Freundschaft, seine Seele aus.

Die Beisetzung sollte interiniistisch geschehen, uni
der Familie die freie Disposition vorzubehalten; doch
wird die Leiche in Kopenhagen verbleiben, da Waagen
slets den Wunsch ausgesprochen hat, da begraben zu wer-
den, wo das Geschick ihn seine Tage beschließen ließe.
Möge er sanft ruhen! Sein Andenken bleibt im Segeu.

Mindestens eben so viel wie seine Familie und scine
näheren Freunde verlieren die bcrliner Kunstzustände an
ihm, zumal im gegenwärtigen Augenblick, der als Wende-
punkt wohl genugsam charakterisirt, seiner besonders be-
durft hätte; deun cr war fast die cinzigc feste Säule und
der einzige brauchbare Grund- und Eckstein für eine ge-
deihliche Neugestaltung. Möge nur in dieser Beziehung
scin Abscheidcn nicht allzu tief zu beklagen sein!

Berlin, den 2l. Juli. ill.

Korrespondenzen.

Neapel, im Iuni.

p", L, Ein in letzter Zeit vielgenannter neapolitani-
scher Maler ist Marinclli, welcher mit eiucm Floren-
tincr um den Preis für das beste größere historische Ge-
mälde konkurrirte, uud, wie Kritik und Publikum wollen,
denselben eher verdient hätte, als dcr lctztcre. Jch hatte
Gelegenheit, das Bild kurz vor der AnSstellung zu be-
trachtcn, als ich des Künstlers Atelier im Palazzo Ramaglia
33, Sauta Maria Fonseca, besuchte. Gegenstand deffelben
ist die Befreiung des früheren Masaniello durch den Adel,
welcher nach einem mißlungenen Aufstandsversuch gegen
das spanische Joch den Mann des Volkes nicht im Ge-
fängniß schmachtcn laffen und aücin straftos ausgehen
wollte.

Auf dem Platzc vor S. Lorcnzo, dessen Glockenthurm
sich links vom blaucn Himmel Ncapels abhebt, während
rcchts die beiden Säulen des chemaligen Diosknrentcmpels
die Scene begränzcn, unidrängt das frcudig erregte Volk
den edlen Earafsa, der Masanicüo zn sich auf deu Rücken
seines Schimmels erhoben und ihm die linke Hand gereicht

hat. Masaniello redet feurig vom uugewohnten Redner-
sitz herab, eine schöne jugcndliche Gestalt mit geistvollem
Gesicht. Ein Bewaffueter in blauem Wamms fteht dem
Pferde zunächst, unter dessen Hufen hervor ein kecker Bube
den Caraffa aus der Scheide gefallenen Dolch aufhebt.
Es fehlt dem Bilde nicht an guter Gruppirung und wir-
kungsvoller Farbengebung, die Mache ist geschickt und nur
etwas zu flüchtig. — Marinelli ist aus der Basilicata ge-
bürtig und hat lange Zeit im Orient gelebt, wo er unter
Said Pascha's Aegide große Reisen ausführte. Mehrere
seiner morgenländiscken Bilder harren im Atelier der
Vollendung, darunter der höchst lebendige und geniale
Wüstenzug einer Karavane mit Heiligthümern aus Mekka.
Andere bcfinden sich in der Sammlung von Capo di Moute,
in den Kapellen des Schlosses, in Privathänden.

Außer der Ausstellung der Societü Promotrice in
San Domenico Maggiore wurde im vergangenen Win-
ter auch ein neues Werk Maldarelli's im Albergo
dei Poveri, wo er seine Wcrkstätte hat, viel besucht und
besprochen. Es stellte den Ranb der Braut des Seuators
Calpurnius Piso durch Kaiser Caligula dar, war aber so
akademisch steif und geistlos gemalt, daß es die ihm hier
erwiesene Ehre keinenfalls verdiente. Man bleibt ihm
gegenüber so gleichgültig, wie die Frauen iu seinem Border-
grunde bei der Gewaltthat des lorbeerbekränzten Kaisers,
dcr, mit der excessiv häßlichen Braut abschleppend, den
dummstarr zuschauenden Senator noch einmal niit seinen
Augen anblitzt. Ein sich bückender Höfling hat die knech-
tische Gesinnung des Hofes zu repräscutiren, andere unter
den dorischen Säulenhallen mit Fortsetzung des Gelags
beschäftigte Gästc füllen den Hintergrund. — Für dic
Schloßkapellen lieferte Maldarclli mehrere Bilder, uuter
ihuen cinen Christus am Oelberge, in dem er, trotz seiner
Abneigung gegen Morelli, dcn begabtesten der hiesigcn
Maler, deffen Weise dnrchaus zu kopiren suchte.

Commendatore Domcnico Morelli ist ein cchtcs nea-
politaner Kind, und wcnn er auch nicht, wie dic Sage
gcht, als Straßenjunge zuerst zum Farbenreiben in die
Malerstuben kam, sondern seiner dem Beamtenstande an-
gehörigen Familie eiue gute Erziehung und Gelegenheit
zum Unterricht im Malen verdankt, so ist ihm doch statt
seines eigentlichen Namens Soldiero sein jetziger aus
seinen ersten Lehrjahren geblieben, wo ihn die Gefährten
seiner braunen Gesichtsfarbe wegen umtauften. Sein
Atelier liegt in der hübschen und stillen Strada della Pace
unmittelbar neben dem des als Thiermaler und namentlich
als Rafsael der Esel bekannten Filippo Palizzi. Vor
allen andern Gemälden ziehen hier zwei Madonnen ganz
verschiedener Art unsere Bcwunderung anf sich. Dic erste,
wclche dcr Künstler seit einigen Jahren für die cigcne Fa-
milie malt, ist die schmerzensreiche Muttcr, die im Abend-
granen von dcr Hinrichtung ihrcs Sohnes heimwandelt.
Dcr Hügel iui Hintergrnnde überragt ihr Haupt, das ein
 
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