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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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Die X. Versammlung der deutschen Kunstgenossenschaft und die Eröffnung der III. allgemeinen deutschen Kunstausstellung in Wien, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5183#0205

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204

stalt. Der Kaiser überließ der Genossenschaft einen Ban-
platz auf den neu geschafsenen „Stadterweiternngsgrün-
den." Eine Konknrrenz für den Bau wnrde ansgeschrie-
ben und die Ansführung desselben nach verschiedenen miß-
glückten und ernenerten Versnchen dem talentvollen Archi-
tekten Web er übertragen. Es ist das dritte, aus lüchtigem
Studinm dcr italienischen Renaissance hervorgegangenc
Projckt dieses Architekten, welches wir jetzt vollcndet sehen.
Zwei frühere mußten vcrworfen werden, weil sie theils
künstlerisch mangelhaft, theils übermäßig theucr waren.
Anch der jetzige Bau erforderte sammt Einrichtung die
Summe von ungefahr l 80,000 fl. Das Verdienst, dieselbe
durch sein unermüdliches Wirken herbeigeschafft zu haben,
gebührt dem Architekten Fr. Stache. Er ist, kann man
sagen, der materielle Urheber dcs Wiener Künstlerhanses
und mchr als das: er hat sich auch um die würdige Ausfüh-
rung des Planes in künstlerischer Hinsicht durch wackere Be-
kämpfung der allezeit rührigen philiströsen und kuansernden
Gegner des Uuternehmens in den letzten schweren Jahren
der Kricgs- und Finanznoth stets die größten Verdienstc er-
worben. DieKünstlerschastWienshatdaher nureinePflicht
der Dankbarkcit gegen den „Vater des Künstlerhauses"
geübt, wenn sie ihm durch Aufstellung seiner Porträtbüste
im Stiftersaale des Gebäudes ein Denkmal setzte. Dieser
Stiftersaal enthält außerdem die Porträts und Namens-
inschriften der sonstigen Förderer des Werkes- Das kaiser-
licheHaus, dieAristokratie und Geistlichkeit, sowie zahlrciche
kunstsinnige Bürger Wiens finden dort für ihre Opfer-
willigkeit die bleibenden Zeichen der Anerkennung und
des Dankes. Möge die Nachwelt ihr gemeinsames Werk
als eine der schönsten Früchte des modernen Genoffen-
schaftswesens stets in Ehren halten!

Die Feier der Schlußsteinlegung, mit welcher das
Wiener Künstlerhaus nach dreijähriger Banzeit am l.
September seiner Bestimmung übergeben wurde, ward
in Anwesenheit des Kaisers und der höchsten Würdenträger
mit prunkloser Einfachheit begangen, wie sie dem Geist eines
Augenblickes entspricht, der seine Weihc in sich selber
trägt. Eine Nische des Repräsentationssaales nahm unter
dem Stein die Bauurkunde auf, die Fr. Stache als Chef
des Baukomitö's der Bersammlung vortrug. Schiller's
Festgesang an die Künstler, von Mitgliedern des Wiener
Männergesangvereins vorgetragen, ertönte zudem üblichen
Cercmoniell, bei welchem zwei kostümirte Arbeiter mit
Schurz und Kelle fungirten. Nach Beendigung der
Feier begab sich die Versammlung, den Kaiser an der
Spitze, geleitet von dem Ausstellungskomits, in die an-
stoßenden Säle znr Besichtigung der Ausstellung. Wir
folgen dem Zuge, um den Leser in den Räumen und
ihrer gegenwärtigen Verwendung im Allgemeinen zu
vrientiren.

Den Mittelpunkt des Gebäudes nimmt das reich ge-
schmückte Treppcnhaus eiu, zu dem cin an der Südseite

gelegenes Vestibül den Vorraum bildet. Ringsum schließen
sich Komitö-Zimmer und kleinere Ausstellungsräume für
Handzeichnnngen, Kupfersticke u. dgl. an. Nechts an der
vorderen Ecke befindet sich cin Ranm für plastische Werkc.
Dem Vestibül gegenüber, an der Nordseite des Hauses,
liegt der Repräsentatioussaal. Jm Kellergeschoß siud die
Lokalitäten für die täglichen Zusammenkünfte der Genosscn-
schaft, Portierswohnung u. s. w. untergebracht. An die
Ostscitc des Erdgeschosses ist der Anncx angebaut. Er
bildet cinen geräumigen Flügel mit schvncm Oberlicht, in
dessen hoheu Räumen die Wiener und Münchcner Schule
sich bequem ausbreiten konnten. Auch die Kartons von
Schnorr, Dietrich u. A. fanden hier ihren Platz.
Steigen wir jetzt die breite einarmige Haupttreppe empor,
so trefsen wir auf dem oberenUmgang derselben die großeu
plastischen Werke aufgestellt. Unmittelbar vor der Treppe
liegt der Hauptsaal des ersten Stockes. Jn diesem wurden
Kunstwerke von bedeutenderen Dimensionen aus verschie-
denen Kunststädten vereinigt. Die übrigen Säle und
Zimmer des oberen Geschoffes enthalten die Werke der
Düsseldorfer, Bcrliner, Dresdener nnd der anderen klei-
neren Schulen, in besondereu Abtheilungeu vou einander
getrennt. Alle diese obereu Näume haben ebenfalls vor-
treffliches Oberlicht, die kleineren Säle vielleicht von etwas
zu penetrautcr Wirkung, so daß eine Abdämpfung nöthig
schien. Die Vordcrfronte des Hauptgesckosses nimmt zum
größten Theil der Stiftersaal cin. Ein kleines Nebenge-
mach birgt eine Auswahl von Werkcu verstorbcncr Meister.
Das Ganze macht in seiner hellen Großräumigkeit und
maaßvollen Eleganz der Ausführung einen ebenso erhe-
benden wie behaglichen Eindruck.

Die Weihe dicses Eindrucks, die Frcude der Künstler,
cine Doppelfeier solcher Art in würdigen eigenen Ränmen
begehen zn könncn, schien auch auf die frohen Stunden
des eigentüchen Festes übergegangcn zu sein. Das Bankett
der Stadt Wicn, die sinnig geführte, dnrch die Lieder-
spenden des Männergesangvereins vcrschönte Prater-
fahrt nnd ein zanberhaftes Gartenfest, von dem Künstler-
verein „Hesperus" gegeben, bildeten die Glanzpnnktc der
geselligen Freuden, zu denen der Himmel sein schön-
stcs Herbstwetter nnd die Kaiserstadt den ausgcwähltc-
stcn Kranz ihres Mädchenflores beigestenert hattcn.
Nürnberg und Berlin werden es gewiß an nichts fehlen
laffen, um mit ihrer Vorgängerin wetteifern zu können.
Der nunmehrige Vorort der deutschen Kunstgenoffenschaft,
Wien, moge ihnen dazu den Gcist echter Brüdcrlichkeit
und Herzlichkeit vererben, in welchem der letzte Künstler-
tag begangen ward. Dann werden die heiteren und ernsten
Stunden, die wir an den Ufern der Donau mitcinauder
verlebt, der Kunst und nnsrem Bolke nnvcrloren sein.
 
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