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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Vermischte Nachrichten

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ber emem Rundblick auf diese fruchtbarsn Gesilde, wird die
Verwüstungen bald wieder gut machen und die Schrecken des
Krieges lindern.

Nkrmischte Nlichl'lchtkii,

H, Hettncr über die Renaissancc, Bei der vom Pro-
fessorenkollegium desDresdenerPolytechnikums veranstalteten
Feier des Geburtstages König Albert's hatte Herr Prof, vr,
Hettner die Festrede übernommen, Anknüpfend an die
sinnige Sitte der Griechen, welche bei ihren nationalen Festen
stets in ihre mythische Vergangenheit zurückgriffen, deren
Heroen feierten, wie Pelops und Oenomaos bei den olym-
pischen Spielen, zog der Redner die große Renaissancezeit,
die große Zeit der Medicäer, des Cosirno uud des Lorenzo
magnifico in dsn Bereich der Festrede, deren Thema er als
einen Blick auf den ,,Ursprung und dasWesen der ilalienischen
Renaissance" präcisirts, Jn großen weiten Gedanken schil-
derte er das 18, Jahrhundert, seine Stimmungen der Ekstase
und Askese, den es charakterisirenden Spiritualismus, er
zeigte das allmklige Verlassen dieser Anschauungen, die leisen
Vorläufer einer neuen Zeit, in den Tragödieu des Musardo,
der Plastik des Nicolo Pisano, den Gemälden des Giotto,
er betonte den vorwiegend politischen Charakter von Dante's
göttlicher Komödie, wie in ihr sich der Ilmschivung von der
Scholastik zu den modernen Jdealen von Freiheit, Vater-
land und Liebe vollziehe, Die Werke des Boccaccio bezeich-
neten recht eigentlich die Sturm- und Drangperiode der be-
ginnenden neuen Anschauungen und klar läge in Petrarca's
Werken das Suchen und Streben nach eiuem neuen Halt,
während die sittliche Kraft der bisherigen Anschauungen zer-
fällt, Die allgemeine Regeneration beginne; in der ersten
Reihe gewaltiger Vorkämpfer stehe Leonbattista Alberti, der
allseitig gebildete große Architekt; man gehe zurück an die
Qucllen griechischer und römischer Kultur; Athen, wurde schon
damals ausgesprochen, siedelte nach Florenz über. Die.Früchte
dieses Ringens seien der Humnnismus auf wissenschaftlichem,
die Renaissance auf künstlerischem Gebiete, Der Schwerpunkt
aber ruhe wesentlich in der Regeneration der bildenden
Künste, Der Redner schilderte den Uebergang der Baukunst
zu neuen Formen, den Uebergang vom Langhaus der Kirche
zum Centralbau, zur Kuppel, Lie auch bezüglich der Akustik
mit größter Sorgfalt ausgestatteten Kirchen der Renaissance-
zeit seien die Grundlage, das Vorbild für die modernen
protestantischen Kirchenanlagen, nicht aber die gothischen An-
ordnungen der verflossenen Periode, Während die Gothik
schmächtig hinauf strebe nach dem uns unbekannten Jenseits
in ,erknirschter Askese, verbinde die Renaissnnce das ewig
Göttliche mit dem ewig Menschlichen; das Göttliche wurde
menschlich, das Menschliche göttlich, Während Brunellesco
die Kuppel von Florenz bildete, schuf Bramante den modernen
Palast des lebensfreudigen, harmonisch gebildeten Menschen,
— Die aufgenomnienen Formen der Alten vereint mit dem
neucnGeist bringen, wie imGoethe'schenFaust, die Euphorion-
versöhnung der Antike mit dem Modernen, — Wie wir aber
von dem berühmten Meister des Gedankens und der Rede,
welcher sein Thema unvergleichlich sicher beherrscht, stets
gewöhnt sind, immer wieder neue Äesichtspunkte iu der Fülle
des Gegebenen zu erhalten, so lenkte auch dieses Mal Herr
Professor Hettner unsere Aufmerksamkeit auf ein bis jetzt
noch weniger beachtetes Motiv künstlerischer Durchbildung,
Hätte in der Auffassung der Madonnn ini Verhältniß zu
dem Jesuskind während der Vorrenaissnncezeit eine scheu-
volle Getrenntheit vorgeherrscht, eine strenge Scheidung
ernsten Sinnes, so beginne diese nun einer lyrischen
Stimmung zu weichen, Mutter und Kind gestalteten sich zu
einem harmonischen Drama. Schon 1423 habe Gentile 6a
Fabriano auf dem Altarbilde, welches jetzt in der Akademie
der schönen Äünste zu Veuedig aufgestellt sei, auf dem
unteren Predellentheile fast zaghaft die Aubetung des
Jesuskindes durch die Mutter dargestellt, während das große
Hauptbild die Anbetung der heiligen drei Köuige zeige,
Fra Filippo sei es, welcher dieses neue künstlerische Motiv
weiter durchbilde und Raffael von Urbino vollende die That
in seinen unerreichten Madonnenbildern; an die Stelle der
Mystik trete eine edle Natürlichkeit, weihevoll und fremd,
scheu vor dem Unbegreifiichen bete die Mutter, die Hsils-
bringerin, das von ihr selbst geborene Jesuskind an, Dem

Jesuskind wurde Johannes der Täufer, als Kind dem Kinde-
beigesellt, Jm Christkind, geheimnißvoll den Finger an den
Munde, zeige sich der fleischgewordene „Logos". ÄleE
moderne Anschauungen lägen dem Abendmahle des Leonardn
da Vinci, der cyklischen Komposition Michelangelo's in der
Sixtinischen Kapelle zu Grunde, und wieder sei es Raffaeb
welcher in den Gemälden der stanW äslla soZnatura
Rom den Umschwung, den Bruch mit dem Mittelalter eud)
giltig zeige, indem er auf diescn Gemälden Religion, Ph"^
sophie, Staatskunst nnd die Künste an und sür sich aG
gleichberechtigt nebeneinander stellte, Die Entwickelung
nicht politisch, sie geschähe durch die Wisscnschaft und dn
Künste, diese seien nicht Spiegelbilder, sondern die Trägest
des Lebens, Jn seinem eigensten Jnteresse pflege des'
halb der Staat Wissenschaft und Kunst, und vor Allem "
Sachsen wäre ihnen stets eine sichere Stätte durch kuüch
sinnige Fürsten bereitet worden, Auch König Albert vcl'
einige mit dem unsterblichen Lorbeer des Feldherrn dcü
Ruhm, eiu wahrhafter Förderer und Schützer von Wissetz'
schaft und Kunst zu sein, leuchteude Beweise dafür seien d"
Universität zu Leipzig, welche wir mit Stolz die ers"
Deutschlands zu uenneu herechtigt scien und das Polyteoh
nikum zu Dresden, welches gleichfalls zu der Hoffnuvb
berechtige, in nicht zu langer Zeit dieselbe höchste Stellunb
unter ihren deutschen Schwestern einzunehmen. Herr Prvb
I)r, Hettner schloß seinen eine Fülle von Anregungeu bieteü'
den Vortrag mit einem dreimaligen Hoch auf Se, Maj, de>
Köniq, in welches die Versammlung begeistert einstimnite, ,
), ?, k. Kunstgeschichtliches aus Neapel, Jn Neasst
ist im Monat April in eigens dafür ausgebauten Räuim"
der Akademie eine große Kunstausstellung eröffnet wordeiu
Jn Verbindung damit wurde ein von Künstlern uj'i
Kunsthistorikern besuchter Kongreß abgehalten, welcher sm
mit rühmlichem Eifer der vielberegten Frage nach de
Bedeutung der unteritalienischen mittelalterlichen Kunst, >»^
besondere zur Zeit Friedrich's II, von Deutschland, ang>'
nommen hat, Der Jnspektor des Nationalmuseums in Neapeß
Demetrio Salazaro, hatte mit der in seinen „8tuäs e>I
inoniimonti äslla Italia msriäiouals äal 4. al 13, sssoM
(Neapel 1871) ausgeführten Behauptung, vor Cimabue hch'
in den Provinzen Unteritaliens eine von Byzanz unabhäug>g
Kunst den späteren Aufschwung in Toscana vorbereite"
wenig Anerkennung gefunden und seine graphischen P»d
kationen waren auch in Deutschland (Preußische Jahrbüch^l
Band XXXVIi als aufgsfrischt und verschönert, mindeste>m
bedenklich, beurtheilt worden, allerdings mit dem Eingestäm,
niß der Unkenntniß der Originale! Wir fühlen uns bereäl
tigt, auf Grund von Untersuchungen und Vsrgleichung
Ort und Stelle solche aus der Luft gegriffene Urtheile zur>>"(
zuweisen und freuen uns, daß Salazaro, welcher in dieff
Sache das Licht der Oeffentlichkeit nicht zu scheuen brauäH
die Gelegenheit benutzt hat, mit der modernen Kunsta»H
stellung eine mittelalterlich-historische zu verbinden, bestehe»
vorwiegend aus Gypsabgüssen, den zahlreichen Lhromolith^
graphien seiner Publikation und den zur Kontrole derselbC
hergeslellten Photographien. Salazaro hat vor dem Kongstb
seine Theorie mit glänzendem Erfolg vertheidigt, und st>>»,,
Beweismitteln konnte keiner seiner Landsleute mit e»>
wohlfeilen Verdächtigung seiner Publikationen entgegentrete
Der Sachverhalt ist vielmehr der, daß die italienische Literm ,
allen Grund hat, auf Salazaro's 8tuäj als auf eine P»",,
kation von einer Genauigkeit und Vollendung ohne GleichU^
was die Reproduktion betrifft, stolz zu sein. Von dei»
großem Umfange angelegten Unternehmen soll nächstens »
zweiter Band erschsinen, nachdem die italienische RegieV» 1
auf Beschluß der Kammern dem Werke ihre Unterstütz»'
hat zu Theil werden lassen, Der Kongreß in Neapel b ^
seinen Beifall Salazaro dadurch zu verstehen gegeben, » F
er für die Veröffentlichung seiner Rede gestinimt hat.
liegt bereits gedruckt vor (8uUs. ooltura artlstioa äsU'
ineriäionals äal 4. al 13. ssoolo), ebenso eine Abhandst
von demselben Verfasser über die Fresken des Nonast>
äi Oonna UgAiiia in Neapel aus dem dreizehnten
hundert, welche denen der Jncoronata an kunstgeschichtll» .
Bedeutung ohne Frage nahe stehen, schon wegen ihres >> n
fanges und der guten Erhaltung, aber leider in der st ,,
so umfassend verbesserten neusn italienilchen Ausgabe > I
Crowe L Cavalcasells, 8toiia äolla xittura in Italiu, »
 
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