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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Rosenberg, Adolf: Die Konkurrenz um das Lutherdenkmal für Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0061

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2s. Iahrgang.

Nr. 7.

Aunstchronik

(885/86. ' ^ 26. November.

IVochenschrift für Runst und Runstgewerbe.

Ankündigungsblatt des verbandes der deutschen Runstgewerbevereine.

Herausgeber:

Larl v. Lntzow u„d Arthur j)abst

wien Berlin, XV.

Exxedition:

Leixzig: L. A. Seemann, Gartenstr. z5. Berlin: W. !s. Kühl, Iägerstr. 72.



Die Aonkurrenz uin das ttutherdenkmal
für Nerlin.

Es ist eine alte Erfahrung, daß hinter einer jeden
Wettbewerbung uin ein Werk der bildenden Künste
das Heer der Enttäuschten und Mißvergnügten sein
zeterndes „Wehe!" rust, und man thut gewvhnlich am
besten, diesem Weherufe kein besonderes Gewicht bci-
zulegen, weil ohnehin mit einer nachträglichen Kritik
der Sache nicht mehr gedient werden kann. Mittler-
weile sind aber dic Schäden des Konkurrenzwesens
so klar zu Tage getreten, daß Schweigen jetzt beinahe
so viel als Billigung der geschehenen Dinge bedeutet,
und man kann heute um so offener reden, nachdem
die aus einer Konkurrenz hervorgegangeneu Gemälde
im Goslarer Kaiserhause auch den Blindesten — mit
ganz wenigen Ausnahmen — die Augen geöffnet haben.
Auch wenn man sich nicht von der tiefgehenden Ent-
rüstnng beeinflussen läßt, von welcher alle künstlerischen
Krcise Berlins bei dem Bekanntwerden des Urteils der
Jury in Sachen der Konkurrenz um das Lutherdenk-
mal siir Berlin ergriffen worden sind, hat dic Kritik
doch nachträglich dic Pflicht, sich zur Sache zu äußern,
weil die Jury — ein seltener Fall — ihr Urteil in
einem gcdruckten Zirkular motivirt hat. Überdies hat
die öffentliche Meinung hier ein unbestreitbares Recht,
sich zu Gehvr zu bringen, tveil cs sich nicht um cine
vom Staate ausgeschriebene Konkurrenz, um ein aus
Staatsmitteln zu errichtendes Denkmal handelt, sondern
weil die Kosten dazu dnrch eine bffentliche Subskription
aufgebracht worden sind, resp. noch aufgebracht werden

sollen. Dcr Verfasser des mit dem ersten Preise ge-
krvnten Entwurfes, Professor Paul Otto, gehört dem
äußersten Flügel des Nnturalismus au. Er geht in der
Art seiner Formenbehandluug weit über Begas hinaus
und durchbricht mit schrankenloser Souveränität die
Gesetze des plastischen Stils zu Gunsten einer durchaus
malerischen Konzeptivn. Aber wenn man der letzteren
selbst die äußersten Zugeständnisse macht, würde man
die gänzlich verfehlte Luthergestalt nicht verteidigen
können, welche mit beiden Armen die Bibel weit von sich
streckt, um ein Paar gewaltige Schleppärmel im vollen
Schwung der Falten zu zeigen. Selbst die Jury hat
es nicht gewagt, diesen „Ärmelluther" zu verteidigen;
denn sie sagt in ihrer Motivirung des Urteilsspruches:
„Der Entwurf Nr. 41 erregte ungeachtet der Bedenken
gegen den Maßstab des Gesamtaufbaus und gegen
die Drastik (!8lo!) der Hauptfigur vermöge seines
genialen Wurses sowie vermöge der Originalität, Krast
und Grazie in Anordnung und Formgebung bei der
Mehrheit der Jury den Eindruck der weitaus hervor-
ragendsten künstlerischen Leistuug." Man erkennt also
an, daß die „Drastik der Hauptfigur" sowie „der Maß-
stab des Gesamtaufbaus" Bedenken erregen, und trotz-
dem haben sich sieben Stimmen von zehn sür diesen
Entwurf entscheiden können. Jn der That hat sich
auch herausgestellt, daß der „Gesamtausbau" d. h. die
architektonische Anlage den Kostenanschlag überschreitet,
und streng genommen wäre dieser Entwurf daher nicht
konkurrenz- oder wenigstens nicht prämiirungsfähig
gewesen. Man hat angesichts dieses Urteils das Ge-
sühl, als wären die rein künstlerischen Juteressen in
 
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