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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Die Kunst auf dem Heidelberger Jubiläumsfest
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0356

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699

Dis Kunst auf dem Heidelberger Jubiläumsfest.

700

Die Aunst auf dem ^eidelberger Iubiläumsfest.

10. August 1886.

R. 6l. So bedeutsam die akademischen Veran-
staltungen waren, welche in Heidelberg zur würdigen
Feier des fünfhundertjährigen Bestehens der Ruperto-
Carola im Laufe der verflossenen Woche getroffen
worden waren: erst die Kunst hat dem Fest die rechte
Weihe verliehen. Sie stieg wieder einmal herab von
jener idealen Höhe, die fie Jrdischem sonst entrückt,
stieg in Erdennähe, um die Größe des seltenen Ereig-
nisses in festlichem Aufzuge zu verherrlichen. Kein
Zweifel, der historische Festzug (6. Aug.), welcher in
charakteristischen Gruppen ein glänzendes Bild fünf-
hundertjähriger Entwickelung seit der Gründung der
Universität entrollte, war der Glanzpunkt der Feier,
und für den Kllnstler, der ihu entwarf, Professor Karl
Hoff in Karlsruhe, ein wohlverdienter Triumph.
Eine echt malerische Phantasie hatte hier die Gruppen
ersonnen nnd sie zu harmonisch betvegtem Zuge zu-
sammengestellt und feinsinnige Künstleraugen wachten mit
antiguarischem Bedacht auf die geschichtlich-treue und
stilgemäße Kostümirung der mannigfachen Gestalten, vom
eisenstarrenden Ritter des 14. Jahrhunderts bis zum
Burschenschafter der Freiheitskriege. Nächst der Ober-
leitung Hoffs gebührt den Künstlern, denen die mühe-
volle Ausarbeitung der einzelnen Teile oblag, unein-
geschränktes Lob; es waren: der Karlsruher Professor
Schurth, die dortigen Maler Kallmorgen und
Borgmann sowie der Münchener Wilhelm Trllbner.

Da die Tagespresse allerorten eingehend Be-
richt erstattet hat über Lie Zusammensetzung des
Zuges, genüge an dieser Stelle die Hervorhebung der
hauptsächlichsten Gruppen. Jm allgemeinen aber sei
voraus bemerkt, daß der mitunter etwas leere Zug —
wo er auf breitem Raume sich entwickelte — mit all-
zu feierlicher Miene daherwallte. Wir erkennen willig
die weise Borsicht der städtischen Behörden an, wenn
sie dem gesitteten Bürger ein möglichst geräuschloses
Verhalten dem Zuge gegenüber anempfahl, aber wir
hätten der Volksfreude gern etwas freieren Lauf ge-
gvnnt. So hatten sich die Teilnehmer am Festzug —
allerdings meist hohe Herren darstellend — ebenso wie
das Publikum bei der Begrüßung Friedrichs des Sieg-
reichen wie bei der Veranschaulichung der „fröhlichen"
Pfalz strenge Abstinenz auferlegt im unverhehlten
Ausdruck überguellender Freude. Ja hätte nicht doch
das Hokengepösel im Gefolge des Bacchus- und Ceres-
wagens durch mimische Darstellung tollen Gebahrens,
hätte nicht so manche kuriose Gestalt, wie der bucklig
einherhumpelnde Perkeo, gemäßigtes Lachen erregt —
der Eindruck einer würdevoll und ernst umziehenden
Prozession wäre vollkommen gewesen. Wir meinen,

etwas Vvn dem echt volkstümlichen Jubel, wie ihn
1879 die Wiener ihrem Makartzug entgegenbrachten,
hätte den Eindrnck des Festes nur erhöht.

Den Zug eröfsnete ein vorwicgend kirchlicher Auf-
zug, an die Gründung der Hochschule im Jahre 1386
gemahnend, ihm schloß sich an mit reichem Gefolge
von Edeldamen und Rittern der Kurfürst Ruprecht I.
mit Beatrix und der Prachtwagen der Universität:
auf hohem gotischem Gestühl, „halb Kanzel, halb
Thron" die ^.Ima nmtsr, zu ihren Füßen die trefflich
charakterisirten allegorischen Gestalten der Pietas und
Justitia, der Sapientia und Veritas. Der zweite Teil
entlehnte dem kriegerischen Treiben Friedrichs des Sieg-
reichen malerisch bewegte Gruppen, welche nur die
farbensrohe Festlichkeit der Renaifsance (Otto Heinrich
1556 —1559, Universitätswagen mit Jakob Micyll,
Schloßbauwagen) an schimmerndem Glanz Uberbot.
Hier sei der Palatiawagen besonders namhaft gemacht;
ihm folgten Bacchus und Ceres, Silen und deren
Begleiter mit Venus auf herrlichem Palankin und
dem gewaltigen Heidelberger Faß als gewichtiger Ab-
schluß. Neue Pracht entfaltete der Einzug Friedrichs V.
und seiner Gemahlin Elisabeth von England (1613),
welche unter lichtem Baldachin, ein Meisterbild fein
empfundener Farbenharmonie, einherritt. Die Zeit
des 30jährigen und des Orleans'schen Erbfolgekrieges
konnte die vorhergehenden Gruppen nicht überbieten;
erst der Jagdzug aus der Zeit Karl Philipps (1716—
1742) und der Festwagen zum Gedächtnis der Wieder-
herstellung der Hochschule durch Karl Friedrich von
Baden (1803), reihten sich den vorzüglichsten Gruppen
im Festzuge würdig an. Den Beschluß des Ganzen,
an dem gegen 1000 Personen mit etwa 400 Pferden
teilnahmen, bildete die Studentenschaft des 19. Jahr-
hunderts und endlich eine Gruppe Herolde mit der
Standarte des neuen Deutschen Reiches, — dem übri-
gens nach der Herrlichkeit vergangener Tage eine
mächtigere Rvlle als krönender Abschluß hätte zuge-
wiesen werden sollen.

Noch ein Wort über den Festschmuck der Stadt;
er erhob sich im allgemeinen nicht über das Niveau des
alltäglich üblichen, und selbst die mächtige Festhalle am
Lauerplatz — ein Holzbau nach Josef Durms' Ent-
würfen — machte mit dem großen Mittelschiff zwischen
zwei schmächtigen Treppentllrmchen, mit den im Detail
unschönen und unter dem modischen Prätext der Poly-
chromie zu schwer ausgefallenen Außendekorationen
nicht ganz den beabsichtigten Eindruck heiterer Fest-
lichkeit.
 
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