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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Springer, Anton: Neue Kupferstiche
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Osius, Rudolf: Die Pfarrkirche St. Johannis in Werben
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0032

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Die Pfarrkirche St. Johann in Werben.

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möchte mim einen weniger stumpfen Ton wünschen.
Der „junge Feldherr", wahrscheinlich ein Glied der
Familie vandenBurgh, welchen Sonnenleiter gestochen
hat, hesitzt zwar nichts vom Feldherrncharakter.
Wir haben einen hübschen jungen Lebemann vor
uns, der seine Glieder in eine Prachtrüstung gesteckt
hat. Das Bildnis, aus van Dycks früherer Zeit
stammend, besitzt aber einen grossen künstlerischen
Wert und zählt mit Recht zu den besten Leistungen
des Meisters. Vor Sonnenleiter hat bereits Unger,
in kleinerem Formate, das Bildnis radirt. Die
beiden Stiche zu vergleichen, bietet ein nicht ge-
ringes Interesse. Die gründlichere, genauere Zeich-
nung, z. B. des Ohres, findet sich bei Sonnen-
leiter, auch in der malerischen Wiedergabe der glän-
zenden Rüstung besitzt er eine glücklichere Hand.
Dagegen erscheint der Kopf in Ungers Radirung
feiner und ausdrucksvoller wiedergegeben. — Man
sieht, dass die Gesellschaft für vervielfältigende
Kunst auf dem alten ruhmreichen Wege rüstig vor-
wärts schreitet und nach wie vor im Dienste der
guten und wahren Kunst steht.

AKT. SPRINGER.

DIE PFARRKIRCHE ST. JOHANNIS IN
WERBEN.

Wenn man an der hoch aufgetürmten Stadt
Tangermünde in der Altmarkt, der uralten Grenz-
feste des deutschen Reiches gegen die Wenden und
späteren Lieblingsresidenz Kaiser Karls IV. vorüber
die Elbe hinunter fährt, so erblickt man nach nicht
langer Zeit am fernen Horizont die mächtig lagernde
Masse einer Kirche, deren gewaltiges Dach trotz der
nicht beträchtlichen Höhe des Turmes das ganze
wiesenreiche Flachland beherrscht. Wir nähern uns
der nicht minder alten Stadt Werben, welche eben-
falls ihre Rolle in den blutigen Kämpfen mit dem
heidnischen Grenzvolk gespielt hat, im Mittelalter
aber gegen das glänzendere Tangermünde be-
scheiden zurückgetreten ist. Trotzdem hat sie sieh
bedeutender Monumentalbauten zu erfreuen, welche
maQ in so kleinem städtischen Wesen nicht zu finden
«wartet, und die sieh über den grossen Stadtbrand
un Jahre 1439 und dieTerheerendenStttrmedesdreii
Jahrigen Kriegs, welcher Werben ganz, besonders
zugesetzt hat, hinaus glücklich erhalten habe:
lst dies in erster Linie das schöne, wohlerhaltene
»■klbthor"; ein Thoriums mit massivem Kundtun»,
1 reich gegliederten Zinnen und Wappenblenden
gesclniiiirkj. dir Mau-r belebt durch Streifen dunkel-

gebrannter und glasirter Ziegeln, welche im Zickzack
die Fläche bedecken, wehrhaft und trotzig, ein
charakteristisches Zeugnis des selbstbewussten mann-
haften Bürgersinns der alten Bewohner der ewigen
Angriffen und Beutezügen ausgesetzten Stadt.

Wir treten durch das Thor und wandern durch
die unansehnlichen Strassen der Stadt mit gleich-
gültigen modernen Gebäuden zu dem zweiten und
hervorragenderen Baudenkmal, der alles überragen-
den Johanneskirche, welche vor kurzem mit Sorgfalt
und grossem Verständnis restaurirt worden ist, dem
kostbaren Juwel der Stadt.

Schon im Jahre 1160 hat die Kirche bestanden,
zu welcher Zeit Albrecht der Bär, dem die Altmark
so viel zu verdanken hat, die Pfarrkirche dem
Johanniterorden überwies. Aus dieser Zeit stammt
jedenfalls der im Erdgeschoss mit einem Tonnenge-
wölbe überdeckte und mit romanischen Fenstern und
Sägefriesen versehene Westturm, dessen unterer Teil
rein romanischen Charakter hat, während das obere
Stockwerk spätere Bauformen zeigt.

Der Hauptbau der schönen Kirche gehört dem
14. Jahrhundert an, und nachdem dieselbe durch den
grossen Brand von 1439 stark beschädigt worden,
erfolgte bald darauf eine umfassende Restauration.
Jede dieser Bauphasen lässt sich genau verfolgen
und es gewährt einen besonderen Reiz, denselben
im einzelnen nachzuspüren. Das Äussere der Wände
ist mit reichen Profilen und mit Krabben versehenen
Wimpergen geschmückt; Thüren und Fenster sind
in wechselvoller Weise mit glasirten Ziegeln um-
rahmt; die Strebepfeiler und sonstigen Wandflächen
durch Gitterfriese von ähnlicher Schönheit wie bei
der Burgkapelle in Ziesar belebt.

Noch wirkungsvoller stellt sich das Innere der
Kirche dar. Wir treten in ein dreischiffiges Lang-
haus ein; die Schiffe sind von gleicher Höhe — eine
Hallenkirche —, jedes derselben hat seinen polygonen
Abschluss. Der ganze Bau ist aus Ziegeln in tief-
roter Farbe ausgeführt. Ein Strom von Licht flutet
durch den hellen Raum und lässt die vielfach ge-
stabten Dienste in scharfer Licht- und Schatten-
wirkung zur Geltung kommen.

Die Kirche ist von jeher reich gewesen durch
Zuwendungen und Stiftungen aller Art; ebenso
reich aber ist sie noch jetzt an hervorragenden
Kunstschätzen trotz all der vorangegangenen Stürme.
Als im Jahre 1516 die Reformation eingeführt wurde,
fand mau ausser dem Hochaltar noch 50 Neben-
altäre, welche sämtlich künstlerisch ausgeschmückt
waren. Noch jetzt zählt ,!,.,• gewaltige Flügel.
 
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