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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Giovanni Morelli gest.
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Seidlitz, W. von: Die Spitznersche Sammlung Altmeißener Porzellane, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0183

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355

Die Spitznersche Sammlung Altmeißener Porzellane.

356-

fähigkeit für alle Schulen und Meister des kunstge-
segneten Landes, von welcher seine litterarischen Ar-
beiten Zeugnis ablegen.

Es war zu Anfang der siebziger Jahre — Mo-
relli war damals bereits zum Senator des König-
reichs Italien ernannt — als er sich endlich, auf
Zureden M. Thausings und des Herausgebers dieser
Zeitschrift, dazu entschloss, eine Probe seiner Wissen-
schaft der Öffentlichkeit zu übergeben. Und zwar
geschah dies in deutscher Sprache und bekanntlich
unter dem russifizirten Namen Ivan Lermolieff, mit
der Publikation der 1874 bis 1876 von uns edirten
Aufsätze über die Galerie Borghese in Eom, auf
welche dann 1880 sein bei E. A. Seemann er-
schienenes Buch über die deutschen Galerien und
das neueste, zweibändige Werk (Brockhaus 1889
und 1891) gefolgt sind. Morelli wählte für seine
Veröffentlichungen die deutsche Sprache — die er,
von unwesentlichen Einzelheiten abgesehen, voll-
ständig beherrschte — aus tiefem Respekt vor
unserer Wissenschaft und ihrer ernsten Richtung auf
die Erkenntnis der großen italienischen Kunst; er
bediente sich zugleich des Pseudonyms, vielleicht um
gewissen Vorurteilen zu begegnen, die man dem ita-
lienischen Autor hätte entgegenbringen können. Ge-
nug , der Erfolg der Aufsätze, namentlich des
1880 erschienenen Buches war ein ganz außer-
gewöhnlicher, und wenn auch über die Methode
Morelli's heute noch lebhafter Streit herrscht, so
kann doch an der Thatsache niemand rütteln, dass
seit seinem Auftreten ein frischer belebender Zug
in die Erforschung der italienischen Kunst gekom-
men ist, und dass wir die richtige Erkenntnis und
scharfe kritische Sonderung ganzer Künstlergruppen
und bestimmter Künstlercharaktere nach den Eigen-
tümlichkeiten ihrer Stammesart und Individualität
erst seiner eindringlichen methodischen Unter-
suchung und Sichtung verdanken. Wer heute bei
seinen Studien über die Gemälde und Handzeich-
nungen der großen italienischen Meister Morelli's Er-
gebnisse und Beobachtungen ignoriren wollte, der
hätte sich selbst damit von vorneherein das Urteil
gesprochen!

Es hat sich ein im Jahre 1889 abgefasstes Te-
stament Morelli's vorgefunden, in welchem er seine
wertvolle Sammlung von Gemälden und plastischen
Kunstgegenständen der städtischen Galerie von Ber-
gamo hinterlässt, während die Handzeichnungen
und Kupferstiche in das Eigentum seines jüngeren
langjährigen Freundes und Studiengenossen Gustav
Frizzoni übergehen sollen. Diesem fällt auch in erster

Linie die Pflicht der Pietät zu, den vorbereiteten dritten
Band von Morelli's kunstkritischem Werk im Sinne
des verewigten Meisters abzuschließen und heraus-
zugeben. Die städtische Galerie von Bergamo wird
somit fortan aus drei kostbaren Teilen bestehen:
der Sammlung Carrara, der Sammlung Lochis und
der Sammlung Morelli. Man beabsichtigt, drei be-
sondere Zimmer einzurichten, um die zahlreichen,
von Morelli hinterlassenen Bilder (über hundert
Nummern) darin zu würdiger Aufstellung zu brin-
gen. Zum Kustos der Sammlung wurde Gustav
Frizzoni gewählt, der die zunächst erforderlichen
Anordnungen treffen und gewiss dann auch den
Katalog der Sammlung herstellen wird. Wir hoffen,
dass es uns gelingen werde, bald einige Proben aus
der Sammlung Morelli, welche nicht nur Perlen ita-
lienischer Malerei, sondern auch mehrere sehr be-
deutende Werke niederländischer Kunst umfasst,
unsern Lesern vorführen zu können. — Alle Freunde
des Dahingeschiedenen aber und die große Gemeinde
seiner dankbaren Leser und Schüler mögen sich mit
uns vereinigen in der treuen Wahrung seines An-
denkens und seines geistigen Vermächtnisses!

DIE SPITZNERSCHE SAMMLUNG ALT-
MEISSENER PORZELLANE.')

Von W. von Setdlitz.

Im Sommer 1890 hat der sächsische Staat eine
Sammlung Altmeißener Porzellane erworben, die so-
wohl durch den Wert und die Bedeutung der ein-
zelnen Stücke als auch durch ihre Geschlossenheit
sich auszeichnet. Da diese vom Dr. med. Spitzner in
Dresden zusammengebrachte Sammlung einen Über-
blick über die ganze Entwickelungsgeschichte des
Meißener Porzellans gewährt, so verdient sie wohl,
eingehender besprochen zu werden.

Handelt es sich hierbei auch um einen Kunst-
betrieb, der vor allem für Sachsen selbst von hervor-
ragender Bedeutung war, so kann man sich anderer-
seits doch der Erkenntnis nicht verschließen, dass
hierKunsterzeugnis.se vorliegen, die in der Geschichte
des europäischen Geschmackes überhaupt eine wich-
tige Rolle gespielt haben. Unsere Zeit freilich, die
nach dem Spruch: was man am wenigsten besitzt,
begehrt man am meisten, überall den Maßstab der
hohen Kunst anzulegen geneigt ist, erweist sich als
wenig geeignet für eine gerechte Würdigung der

1) Abgedruckt aus der Wissenschaftlichen Beilage clev
Leipz. Zeitg. v. 5. Januar d. J.
 
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