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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Seemann, E.: Rembrandt, Lautner und Moes
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Für den Wiener Stephansturm
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0274

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Für den Wiener Stephansturm.

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selbstverschuldeten Missverständnissen, aus dem
Klatsch von Weyerman und Pels und aus engherzig
gedeuteten Aktenstücken zieht Lautner zum guten
Ende den erbaulichen Schluss, „dass Rembrandt ein
unverbesserlicher ordinärer Betrüger war".

Damit genug von diesem sensationellen Buche,
über das hoffentlich nicht viel mehr geschrieben
und das nach kurzer Zeit samt seinem Verfasser
verdientermaßen der Vergessenheit anheimfallen wird.

Das ist also das „gänzliche Zerrbild" seines
Artikels1), dessen Abdruck Herr Moes in dieser Ge-
stalt verweigern zu müssen glaubte, obwohl ihm frei-
stand, in dem Korrekturabzuge etwaige Änderungen
— natürlich nur auf den sachlichen Inhalt bezüg-
liche — ad libitum vorzunehmen. Der Gute hat
sich's selbst zuzuschreiben, wenn das „Zerrbild" nun
doch der Welt nicht vorenthalten bleibt, und ich
für meine Person genieße die freudige Genugthuung,
dass die Liebesmühe, die ich mir mit Herrn Moes
gegeben habe, doch nicht ganz und gar verloren
ist. Das Urteil über meine Handlungsweise über-
lasse ich aber getrost dem günstigen Leser, der etwa
Lust und Zeit hat, das Urbild mit dem Zerrbilde
im einzelnen zu vergleichen. —

Armer Rembrandt! Was musst Du nicht alles
über Dich ergehen lassen. Erst warst Du ein Er-
zieher, halb Künstler und halb Bauer, ein leuchten-
des Vorbild der strebsamen Jugend deutscher Na- ;
tion, und dann — ein Erzschelm, ein Lump, der
eigentlich den Galgen verdient hätte. Ohne das
Dazwischentreten des Herrn Moes würde Dich die
Nachwelt gar noch in effigie - wozu ja recht viel
Gelegenheit geboten ist - verbrannt haben. Oder

1) Was Herrn M. am meisten verdrossen zu haben
scheint, ist, wie ich vermute, die Abänderung der mysteriösen
Überschrift. Dieserhalb möchte ich mich noch bescbe.dent-
lioh rechtfertigen. Abgesehen von dem animus «J«nandi,
den ein nicht ganz unbefangen,, Amtsrichter dann finden
kennte - und die Herren Juristen sind ja, wie aus der kürz-
lich erfolgten vwnrteünng einei harmlosen Zcitungskorrek-
ters ruschließen [st, uulunle, etwas befangen in ihrer Recnte-
auflassung - schien es mir imbamhang, Herrn -Moes in
die Lage der Fran mit dem Krokodil gebracht «. sehen.
Denn das medium wmparationis kann im vorliegenden talle
oichl sowohl die Thataaehe der Brandstiftung sein als viel-
mehr die Absicht des Herosbat, seinen Namen durch
Kapitelverbrechen auf die Nachwelt zu bringen. Nun spricht
aber Bert tfoes am Sohlnn seiner Betrachtung der Untaer-
Hchen .Frevelthat« prophetäoh des Singers Fisch über den
Kann and sein Wer. au. W *« **«* wn-ksanyo * rd
der Herostrat hinfallig, wird aber der lter-süa-t »nfr"ht'\

halten, so üt Herr M "^ÄCI; £■

hattTdie gute Absicht, Herrn Moes dies verdrießliche in

lemma in ersparen. & W I,il'hl !",," M,1,W1-

sollte sie etwa die Moral aus einer bekannten Cam-
peschen Fabel vorziehen, die mutatis mutandis so
lauten würde:

Nicht wahr, der Rembrandt schalt doch wieder?
0 nein, er lächelt still hernieder
Und wird von uns, wie jedermann bekannt,
Noch immer Rembrandt, niemals Bol genannt.

Leipzig, 28. Juni 1891.

E. SEEMANN.

FÜR DEN WIENER STEPHANSTURM.

Schon vor einem Vierteljahrhundert, als der
Gedanke auftauchte, den zweiten nördlichen Turm
von St. Stephan auszubauen, haben wir uns mit der
großen Mehrheit der Bevölkerung entschieden gegen
dieses Projekt erklärt. Heute bringt man die Sache
von neuem aufs Tapet. Friedrich Schmidt soll
sich dahin geäußert haben, nicht wenn gerade das
nötige Geld beisammen sei, müsse der zweite Turm
ausgebaut werden, sondern bei dem Eintreten eines
„für Stadt und Staat epochemachenden großen Er-
eignisses". Und dieses, meint man, sei jetzt mit
der eben sich vollziehenden Vereinigung der Vor-
orte mit Wien gekommen!

Ein Feuilleton der Wiener „Neuen freien Presse"
beleuchtet das Schiefe dieser Argumentation in einer
trefflichen Auseinandersetzung, welcher wir das
Nachfolgende entnehmen:

„Betrachten wir, was neuestens zur Unterstützung
der schon so oft auf die Tagesordnung gebrachten
und immer wieder abgesetzten Forderung angeführt
wird, so darf wohl ohne Verletzung der Pietät für
einen verstorbenen, mit Recht hochgeschätzten
Künstler ausgesprochen werden, dass die oben er-
wähnte Argumentation in der vorliegenden Fassung
anfechtbar erscheint, und in noch höherem Grade
die darauf begründete Scblussforderung: das durch
Einbeziehung der Vororte vergrößerte Wien könnte
sich nicht mehr, wie das „beschränkte", mit einem
Turme begnügen. Zunächst ist das erforderliche
Geld allerdings nicht die Hauptsache, aber auch
nicht einzig, wie jener Freier um ein reiches Mäd-
chen sagte, eine angenehme Zugabe. Eine große
Hauptsache jedoch ist unstreitbar ein Künstler, der
in jedem Sinne als einer solchen Aufgabe gewachsen
gelten kann. Dombaumeister Schmidt durfte sich
deren Lösung zutrauen, aber mit dem von ihm ent-
worfenen Plane ist sie doch noch nicht gelöst. Viel-
mehr müsste, von anderem abgesehen, der Satz
wohl so stilisirt werden: Der rechte Moment ist
gekommen, wenn der rechte Mann da ist. Vielleicht
ist der schon da, allein wir glauben nicht, dass
 
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