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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Schmidt, Wilhelm: Zur Cranachausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0081

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

herausgeber:
Professor Dr. Max Gg. Zimmermann

Verlag von e. a. seemann in Leipzig, Gartenstrasse 15

Neue Folge. xi. Jahrgang.

1899/1900.

Nr. 10. 28. Dezember.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbehlatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

ZUR CRANACHAUSSTELLUNO

Die Cranachausstellung ist nunmehr geschlossen.
Sie hat eigentlich den Meister der kunstverständigen
Welt, ich will nicht sagen, erst kennen gelehrt, aber
doch sein Bild erweitert und ins Klare gesetzt. Man
muss daher dem Veranstalter derselben, Karl Woer-
mann, sehr zu Danke verpflichtet sein.

Ein Hauptergebnis ist jedenfalls, dass der »Pseudo-
grünewald' verschwinden wird. Nach der überzeugen-
den Sprache, welche die Gemälde in ihrer Gesamt-
heit redeten, wird er wohl jetzt endgültig in den
Orkus gesunken sein. Ich selbst habe nie an das
Dasein eines solchen geglaubt und bereits in den
Jahren 1874 ur>d 1876 auf das Cranach'sche Gepräge
dieser Bilder hingewiesen. Die Werke des »Pseudo-
grünewald« zeigten sich deutlich als Werke des Cranach
selbst oder als in dessen Atelier und Schule gemalt.
Der Meister war eben ein grosser Entrepreneur ge-
worden und hat sich dadurch leider mit der Zeit
verflacht.

M. Lehrs hatte im Dresdener Kupferstichkabinett
eine Ausstellung Cranach'scher Zeichnungen und Holz-
schnitte veranstaltet. Darunter befanden sich auch die
beiden Holzschnitte von 1502, Christus am Kreuz
darstellend, welche schon Brulliot No. 354 Ap. zu
Monogr. I, 3209, für Werke des Lucas Cranach er-
klärt hatte. Bei Passavant, Peintre-Graveur, IV p. 70,
No. 1 und 2, erscheinen sie als »ecole de Cranach«,
die es aber zu dieser Zeit wohl kaum noch gegeben
hat. Brulliot hat recht; der spätere Cranach steckt
schon unverkennbar darin, wenn gleich der Schnitt
ungeschickt und roh ausgeführt ist. Auch Flechsig
hat sich dafür ausgesprochen. Das Münchener Kupfer-
stichkabinett bewahrt zwei Zeichnungen, welche diesen
beiden Schnitten so verwandt sind, dass sie nicht weit
auseinander stehen können: Kampf zweier Ritter
(reproduziert unter No. 61, Lief. IV, meines Hand-
zeichnungswerkes, vgl. dazu die Bemerkung im Texte
zu Lief. VIII) und die Dornenkrönung Christi, die
eigentlich noch altertümlicher aussieht. Flechsig wies
auf die magyarischen Typen in dem undatierten Holz-

schnitte hin; übrigens zeigt der mit 1502 bezeichnete
rechts einen Janitscharen. Leicht möglich, dass Cranach
sich damals in Ungarn oder doch Österreich auf-
gehalten. Eine Verwandtschaft seiner Kunst zu dem
von Frimmel sogenannten »Donaustile«, dessen Haupt-
repräsentanten Wolf Huber und Altdorfer sind, Iässt
sich nicht leugnen; aber wie dies zu erklären ist,
bezw. die Zusammenhänge aufzuweisen, sind wir vor-
läufig noch nicht im stände.

Das nächste Datum 1503 findet sich auf dem
vielbesprochenen Christus am Kreuze in Schieissheim.
Zuerst auf dieses wichtige Gemälde aufmerksam ge-
macht zu haben, ist ein Verdienst A. Bayersdorfer's,
und Fr. Rieffei hat zuerst den richtigen Meisternamen
genannt. Friedländer und Flechsig treten hier für
Cranach ein, und auch ich bin vollkommen dergleichen
Ansicht. Man wird thatsächlich alles in dem Bilde,
wenn man es zergliedert, cranachisch finden: von der
Landschaft, den Gesichtstypen bis zu der Fussbildung
und dem Faltenwurfe. Es schliesst sich eng an die
Fiedler'sche Madonna von 1504 und den Flügelaltar
der hl. Katharina von 1506 an. Dasselbe gilt von
dem Bildnisse des Johann Stephan Reuss, ebenfalls
von 1503; um hier nur auf eine Kleinigkeit aufmerk-
sam zu machen, ist die Behandlung der weisslichen
Flecken auf den Baumstämmchen dieses Porträts und
der Fiedlermadonna identisch. Man komme uns hier
nicht etwa mit dem Vorwurf des »Kleinsehens«, denn
die Behandlung und die Formgebung sind, gleich der
Handschrift eines Menschen, an bestimmte Äusserungen
gebunden, und ohne die Kenntnis dieser letzteren ist
eine Kunstkennerschaft gar nicht möglich.

Die Torgauer »vierzehn Nothelfer« stammen vom
Jahre 1505, ein unzweifelhaftes Werk des Cranach,
interessant durch die Mannigfaltigkeit der zum Teil
italienischen Typen.

Der Katharinenaltar (Katalognummer 2 und 3)
ist mit dem Datum 1506 bezeichnet. Es ist bemerkens-
wert, wie schlagend hier die Köpfe der weiblichen
Heiligen mit der Fiedler'schen Madonna überein-
stimmen, auch zeigt der Altar noch eine starke Ver-
 
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