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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

DOI Artikel:
Amelung, Walther: Ausgrabungen auf dem Forum Romanum, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0121

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

HERAUSGEBER:

Professor Dr. Max Gg. Zimmermann

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Gartenstrasse 15

Neue Folge. XI. Jahrgang.

1899/1900.

Nr. 15. 15. Februar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasen-
stein 81 Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
von Walther Amelung.

Die Archäologie ist eine junge Wissenschaft;
jede Generation tritt den Problemen mit neuen
Gesichtspunkten entgegen, die häufig die An-
sichten der vergangenen Generation von Grund aus
umstürzen; die Arbeit des Spatens fördert Über-
raschungen um Überraschungen an das Licht; ja es
liegt wohl im Wesen vieler Aufgaben dieser Wissen-
schaft und ihren Bedingungen, dass manche Resul-
tate ewig schwankend bleiben müssen. Dieses Un-
fertige, Tastende, Gährende hat für die Jünger der
Archäologie, wenigstens für die, die sich durch die
augenblickliche Unsicherheit nicht zu sentimentalem
Weltschmerz entmutigen lassen, etwas ungemein
Reizvolles; es nimmt alle Geisteskräfte in geschärftem
Masse in Anspruch. Dem Laien, der gerne auf
sicheren Resultaten ausruht, um sich schmärmend den
Launen seiner Phantasien zu überlassen, erregt dieser
Zustand leicht ein unbehagliches Gefühl; und was
wird man sagen, wenn man vernimmt, wie der
Spaten seit November 1898 daran ist, eine Stätte —
zum Teil zerstörend — umzugestalten, auf der jeder
Romfahrer mit Schauern der Ehrfurcht seine Gedanken
hat wandern lassen, die er sich bevölkert hat mit den
grossen Gestalten der römischen Geschichte, — wenn
man erfährt, dass der Boden der sacra Via, auf dem
die Schatten seiner Einbildung herumwallten, fast
durchweg ein schlechtes Machwerk mittelalterlicher
Zeiten oder gar dieses Jahrhunderts ist oder vielmehr
war. Man muss hoffen, dass der tiefer denkende
Teil des Publikums sich versöhnen lassen wird durch
die grosse Menge neuer wichtiger Entdeckungen, und
dass diese den Anlass zu eingehendstem Interesse
und freudigster Anteilnahme geben werden, Anteil-
nahme auch an den Arbeiten der Wissenschaft, die
nun begonnen hat, die praktischen Resultate der Aus-
grabung, die übrigens noch nicht beendigt sind,
theoretisch zu bewältigen. Dass diese Arbeiten leider
nicht, wie es zum Segen der Wissenschaft und der Wahr-
heit wünschenswert wäre, durch friedlichen Wettstreit
aller verfügbaren Kräfte gefördert werden, sondern zu

hässlichen Auseinandersetzungen geführt haben, hat
die kleinliche Reizbarkeit und Eitelkeit verschiedener
Elemente in der offiziellen italienischen, spezieller der
römischen Gelehrtenwelt verschuldet, durch deren
Begünstigung der derzeitige Unterrichts-Minister
G. Baccelli seine entschiedenen Verdienste, die er sich
um die Förderung der Ausgrabungen erworben hat,
sicher nicht vergrössert. Uneingeschränktes Lob ver-
dient die begeisterte Hingabe des technischen Leiters
der Ausgrabungen, des Ingenieurs Boni, der die für einen
einzelnen Menschen schier überwältigenden Schwierig-
keiten mit unermüdlichem Eifer und grossem Geschick
zu bezwingen trachtet. Am leichtesten wird ein
Überblick zu gewinnen sein, wenn der Leser mir von
Gebäude zu Gebäude, einem Gang auf dem Forum
entsprechend, folgen will; natürlich ist, dass aus dem
fast überall angegrabenen Boden noch viele unge-
löste Rätsel in Form von wirr durch einander laufenden
Mauerzügen emporragen. Grössere Sicherheit kann
hier erst gewonnen werden, wenn alle Reste sorg-
fältig aufgenommen, gemessen und gezeichnet sind.

Der Besucher gelangt auf der neuangelegten Zu-
gangstreppe nicht mehr wie früher auf den Cella-
Boden des Castortempels, sondern direkt herunter
auf das Pflaster des Vicus tuscus, der Strasse zwischen
dem genannten Tempel und der Basilica Julia. Hier
empfängt uns das erste Rätsel; man hat in einiger
Tiefe unter dem Pflaster einen Ziegelfussboden ge-
funden , von dem es bisher ganz unklar ist, zu
welchem Gebäude er gehört haben könnte, der aber
sicher beweist, dass die Strasse in älterer Zeit, d. h.
vor dem Bau der Basilica Julia durch Cäsar eben
hier nicht liegen konnte.

Wendet man sich dann zunächst rechts um das
Fundament des Castortempels herum, so wird
mancher Besucher, der seit längeren Jahren die Stätte
nicht gesehen hat, auch hier an der Front des Tempels
Veränderungen bemerken. Früher führte eine schräg
abfallende Mauermasse zur Höhe des Tempels empor.
Es war der deutsche Topograph O. Richter, der hier
im Jahre 1897 nach Beseitigung der rohen Mauer-
masse Spuren eines älteren sorgfältig und schön an-
 
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