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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Freund, Frank E. Washburn: Die Frühjahrsausstellung der Münchner Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0169

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

herausgeber:
Professor Dr. Max Og. Zimmermann

Verlag von e. A. SEEMANN in Leipzig, Gartenstrasse 15

Neue Folge. xi. Jahrgang.

1899/1900.

Nr. 21. 5. April.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasen-
stein 8t Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE FRÜHJAHRSAUSSTELLUNG DER
MÜNCHNER SECESSION

Vor wenigen Tagen hat die Secession in ihrem
Heim am Königsplatz ihre diesjährige Frühjahrsaus-
stellung eröffnet. Schon mit dem Beginn des Jahres
hatte sie allen Kunstfreunden durch ihre Donate'llo-
Velazquez-Ausstellung, die einen über Erwarten guten
Erfolg und regen Besuch weiter Kreise des Publikums
aufzuweisen hatte, eine erfreuliche Unterbrechung der
für die Darbietung von Werken der bildenden Künste
sonst armen, wenn nicht gar toten Zeit gewährt. Die
Luitpoldgruppe hatte dann eine recht gelungene Sonder-
ausstellung bei Heinemann folgen lassen; nun beginnt
die Frühjahrsausstellung die Reihe der grösseren künst-
lerischen Veranstaltungen. Man hat es diesmal vor-
gezogen, von einer nicht allzu grossen Zahl von
Künstlern — es sind fast durchweg Münchner Meister,
z. T. jüngere, während gar mancher von den bekannten
fehlt, Ausländer fehlen überhaupt gänzlich — stets
eine grössere Reihe von Werken zu einer Gruppe zu
vereinigen, um so von den einzelnen ein möglichst
geschlossenes Bild ihres Schaffens zu gewähren; da
hierbei auch öfters Bilder aus früheren Jahren mit
Aufnahme gefunden haben, lässt sich auch bei manchen
durch direkten Vergleich und Gegenüberstellung eine
Fortentwicklung in ihrer Art und Richtung erkennen.
Die nicht übergrosse Zahl der Bilder hat es des wei-
teren ermöglicht, dieselben, da man sämtliche Räume
der Ausstellung heranzog, so günstig aufzuhängen,
dass das Prinzip der Secession, ihre Darbietungen
möglichst frei und gut beleuchtet vorzuführen, dies-
mal in ganz besonders gelungener Weise durchgeführt
werden konnte, wobei auch nicht vergessen werden
soll, dass die Zusammenstellung der einzelnen Bilder
wie der grösseren Gruppen ein feines Gefühl für leise
Übergänge, wie auch für vornehme Kontrastwirkung
in Farbe wie Stimmungsgehalt der Werke verrät, so
dass die Ausstellung als Ganzes einen sehr erfreu-
lichen, intimen Eindruck hinterlässt.

Beim Durchschreiten der Säle fällt einem zunächst
das ganz bedeutende Überwiegen des landschaftlichen

Elementes auf, und in diesem wieder das Anschlagen
einer elegischen, wie von weichen Schleiern umhüllten
Stimmung, die aber erfreulicherweise nirgends in süss-
liche oder platte Sentimentalität übergeht, weil sie
eben ehrlich durchempfunden ist. Das drückt der
ganzen Ausstellung ein merkwürdig einheitliches, in-
times Gepräge auf; es ist ihre Stärke, in gewissem
Sinne aber auch ihre Schwäche, denn nur eine kleine
Anzahl energischer Charaktere erhebt sich aus diesem
allgemeinen Bilde und zwingt zum Eingehen und
Verweilen. — Gleich der erste Saal enthält Skizzen
und Handzeichnungen solch eines Meisters, des leider
so früh verstorbenen Wilhelm Dürr; hier schaut man
in die Werkstätte eines nimmer rastenden Künstlers,
der den Vorwurf, der ihn beschäftigt, nicht eher lässt,
bis er ihn vor sich sieht, wie er ihn mit seinem
innerlichen Auge geschaut. Charakteristisch hierfür
sind die Zeichnungen für sein poesievolles Bild der
Madonna mit den drei musizierenden Engeln, die in
ihrer blütenhaften Lieblichkeit an den Engel Lionardo's
in Verrocchio's Taufe gemahnen.

Im nächsten Saale fesselt v. Habermann ganz un-
willkürlich den Blick. Noch immer ist dieser Künstler
bei dem gleichen Motiv geblieben, das ihn schon
seit Jahren beschäftigt; aber ein Vergleich mit seinen
Schöpfungen etwa vom Jahre 1897 zeigt, wie er in
seiner Art weitergeschritten ist, wie er sich tiefer in
sein Problem hineingebohrt hat, um immer wieder
neue Seiten daran zu beleuchten. Was bei Haber-
mann den Beschauer immer wieder reizt, ist die merk-
würdige, kaum ganz zu analysierende Verbindung des
formalen, des Farben- und des psychologischen Ele-
mentes: nirgends eine feste, auch nur annähernd an
die Grade erinnernde Linie, nirgends eine Kante, eine
Ecke, alles in- und durcheinander fliessend, eines vom
anderen aufgenommen und weiter geleitet. Die Farben
in ihrem Schillern seltsam unbestimmt, unfassbar — so
bleibt dieses nicht schöne Gesicht und dieser bieg-
und schmiegsame Körper doch voll rätselhafter, ja
fascinierender Anziehungskraft. — Und daneben nun
hängt einer der so ganz ehrlichen und doch so inner-
lichen Köpfe (Jhde'sl Auch hier sind der Erlebnisse
 
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