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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Die Eröffnung der großen Berliner Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0201

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

HERAUSGEBER;

Professor Dr. Max Gg. Zimmermann

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Gartenstrasse 15

Neue Folge. xi. Jahrgang. 1899/1900. Nr. 25. 17. Mai.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblalt« monatlich dreimal, in den Sommer,
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von H a a s e n -
stein 8t Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE ERÖFFNUNG DER GROSSEN BERLINER
KUNSTAUSSTELLUNGEN.
Die beiden Berliner Sommerausstellungen sind
wenige Tage hintereinander eröffnet worden. Die
Kunstausstellung am Lehrter Bahnhof am 5. und die
Ausstellung der Secession am 9. Mai. Die Konkur-
renz der letzteren, welche im vorigen Jahre zum ersten- j
mal auf den Plan trat und so ausserordentlich gün-
stige Verkaufsresultate aufzuweisen hatte, hat schon
jetzt eine glückliche Rückwirkung auf die alte Kunst-
ausstellung am Lehrter Bahnhof gehabt. Die Jury
hat dort mit grösserer Strenge gewaltet als in früheren
Jahren, und trotzdem die Pariser Weltausstellung die
Kräfte der Künstlerschaft in Anspruch genommen hat,
ist das Niveau gegen die Vorjahre gehoben. Die
Berliner und Düsseldorfer stehen der Zahl nach in
erster Reihe, weniger reich ist München vertreten,
dessen Ausstellung freilich noch nicht vollständig ist.
Auch das Ausland, namentlich Belgien, Holland,
Schweden, Norwegen und Dänemark, ist mit einer
stattlichen Zahl von Werken erschienen. Einige Künstler,
besonders Hugo Vogel, Eugen Bracht, Sari Melchers,
Oswald Achenbach haben Sammelausstellungen veran-
staltet. Der Galerie von Gemälden reiht sich wie im
vorigen Jahr ein Saal mit der Ausstellung des Verbandes
deutscher Illustratoren an. Auch das Kunstgewerbe fehlt
nicht, es zeigt sich ausser mit französischen Arbeiten
mit einer reichhaltigen dänischen Ausstellung. Unter
den Skulpturen herrscht weitaus Berlin vor. Schon
vor der Förderung, welche dieser Kunstzweig durch
den jetzigen deutschen Kaiser erfährt, hatte er sich in
der Reichshauptstadt kräftig entwickelt, weil das ab-
straktere Wesen der Plastik dem preussischen Naturell
mehr entspricht als die phantasievollere Malerei. Seit-
dem aber bildet sich Berlin immer mehr zu einem
Centraipunkt für die deutsche Skulptur heraus.

Die Zahl der im Glaspalast am Lehrter Bahnhof
zur Schau gestellten Werke ist so gross, dass wir in
diesem Vorbericht verzichten müssen, darauf näher
einzugehen. Dagegen erlaubt es der geringere Um-
fang der Secessionsausstellung, sie schon heute etwas
näher ins Auge zu fassen, soweit es der Vorbehalt

einer ausführlichen Besprechung zulässt. Die natio-
nalen Unterschiede, welche in den älteren Ausstellun-
gen immer auffallen würden, auch wenn das Ausland
nicht besondere Säle inne hätte, sind hier viel stärker
verwischt. Die geringe Zahl ausländischer Bilder,
welche verteilt zwischen den deutschen hängen, springt
viel weniger heraus, weil die individuelle Freiheit,
welche die Secession ihren Mitgliedern lässt, auch bei
der inländischen Kunst dem Gesamtbilde eine grosse
Mannigfaltigkeit verleiht.

Wenn wir den Mittelsaal betreten, so leuchtet
uns an der gegenüberliegenden Wand an derselben
Stelle, welche im vorigen Jahre Leibl's Dorfpolitiker
einnahmen, das Gemälde des Vorsitzenden der Se-
cession Max Liebermann entgegen, badende Knaben
am Meeresstrande. In Breitformat, mit dem ge-
wohnten prickelnden Leben und hellem zitternden
Sonnenlicht hängt es zwischen zwei ruhigen dunkel-
tonigen Hochbildern, Damenbildnissen der beiden
Briten Whistler und Lavery, bei welchen die Figuren
nur langsam aus der Tiefe des Hintergrundes auf-
tauchen. Dann folgen nach beiden Seiten rechts und
links je ein Bild des Grafen Kalkreuth in Stuttgart
und des Schweden Anders Zorn, ersteres mit einem
Blick aus der dunklen Scheune in das freie Sonnen-
licht, das hell auf hochbeladenen Erntewagen liegt,
letzteres mit einem Blick in ein Bauernzimmer auf
keck und sicher hingemalte, sich ankleidende Mädchen.
Geradezu von Leben strotzt ein anderes Gemälde
Zorn's in demselben Saal, die Halbfigur eines jungen
Mädchens mit Pelzboa, dem ein schräge gegenüber
hängender Mädchenkopf von Uhde nichts nachgiebt.
Ein Segantini mit dem vibrierenden Licht der Hoch-
alpen weckt wehmütige Erinnerungen an den zu früh
dahingeschiedenen Künstler. Ein Hauptbild von
Walter Leistikow, Herbstabend an einem Grunewald-
see, bildet mit seiner dunkelschattigen weichen Poesie
ein packendes Gegenstück zu dem gerade gegenüber-
hängenden Bilde von Louis Corinth in München,
welches die stumpfe Neugier der Salome und ihrer
würdigen Genossen bei der Enthauptung des Täufers
breit und knallig, aber auch ebenso schlagend schildert.
 
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