Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

DOI Artikel:
Schmid, Heinrich Alfred: Über den Gebrauch des Wortes Renaissance
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0244

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
471

Nekrologe. — Wettbewerbe.

472

des 14. Jahrhunderts stand unmittelbar vor jener Neue-
rung. Wenn man aber sieht, wie die deutsche Malerei
und Plastik am Schlüsse des 15. Jahrhunderts, die
auf die Darstellung aktiver Leidenschaften ausging, sich
abmüht, natürliches Leben und natürliche Bewegung
in die Gestalten zu bringen, ohne dies neue Prinzip zu
finden, so gewinnt man die Überzeugung, dass der
Naturalismus durchaus nicht ohneweiteresdiese uns heu-
tigen natürlich erscheinenden Bewegungsgegensätze mit
sich bringt und man erhält eine Vorstellung, welche er-
staunliche Errungenschaft jenes Belebungsprinzip war.
Nun tritt das Prinzip bei Donatello in dem Mo-
ment auf, wo er mit der Antike, bei Dürer und Burgk-
mair in dem Moment, wo sie mit der italienischen
Kunst in Berührung kommen. Wo schon vor dem
15. Jahrhundert eine Ahnung davon auftaucht, ist der
Einfluss der Antike meist schon erwiesen. Die Meister,
die in Italien um 1400 arbeiteten, sind zu ihrer rela-
tiven Freiheit eben auch nicht gekommen, ohne dass
schon vorher antike Statuen in Italien bewundert, so-
gar kopiert wurden. Mit dem Beginn des 16. Jahr-
hunderts verbreitet es sich aber mit der ver-
besserten Linienperspektive und den antiken Bauformen

über das Abendland. Die Vermutung wird nicht
allzu kühn erscheinen, dass selbständig auf dieses Be-
lebungsprinzip der Renaissance nur ein Volk der
Erde gekommen ist, die Griechen.

Stüter hat dieses Prinzip in nuce nun zwar auch,
aber während sich im Süden die Belebung des Kör-
pers durch kontrastierende Bewegungen steigert und
schliesslich bis zur Manier steigert, geht in der Malerei
des Nordens das Verständnis dafür vorläufig wieder ver-
loren. In demselben Grade etwa wie auch das Gefühl
für die Linienperspektive schwächer wird. Bei Schon-
gauer, der von der Kunst der Niederlande ausgeht und
nun nach grösserer Lebendigkeit strebt, finden sich
zum Beispiel nur wenige Figuren, die sich, für sich allein
genommen, gegen meine Behauptung ins Feld führen
Hessen. Es handelt sich hier, wie man verstehen
wird, nicht um vorgestellte Beine und erhobene Arme.

Die Aufnahme dieses Belebungsmittels durch die
italienische Renaissance scheint mir von ebenso funda-
mentaler Bedeutung wie die Herübernahme der antiken
Bauformen. Das Prinzip wirkt auf die gesamte
Komposition. Dürer hätte seine vier Apostel ohne
italienischen Einfluss weder so gestellt noch so an-
geordnet. Das Gleichgewicht der Massen bei aufge-
hobener Symmetrie ist auch nur eine Folge dieser Er-
rungenschaft. Dass nun die nordische Malerei dieses
Prinzip nicht ausgebildet, sondern wieder vergessen
hat, beweist, dass auch die Unterschiede des Wollens
zwischen Norden und Süden im 15. Jahrhundert doch
wohl etwas grösser gewesen sind, als man heute all-
gemein anzunehmen geneigt ist. Dass aber eine der
wichtigsten Errungenschaften der Antike in der ita-
lienischen Kunst des 15. Jahrhunderts ihre Wieder-
geburt erlebt hat, im Norden dagegen nicht, ist für
mich ein zweiter entscheidender Grund gegen die
Verwendung des Wortes Renaissance im Norden.

Auf die van Eyck angewandt, verschleiert das Wort
endlich die Thatsache, dass hier eine, natürlich lange

I vorbereitete, aber nichtsdestoweniger grösste Errungen-
schaft des germanischen Geistes ohne Einwirkung
der Antike gemacht wurde, während die Antike so-
wohl an der Wiege der romanischen, der gotischen
Kunst wie der italienischen Renaissance gestanden hat.
In den künstlerischen Äusserungen des gesamten,

; doch wohl vom 15. Jahrhundert ab zu datierenden
Reformationszeitalters kann ich freilich auch eine Wie-
dergeburt des natürlichen Menschen nicht in erster
Linie sehen, obwohl gewiss viel Manier, viel Unnatur
mit der gotischen Darstellung der Menschen über Bord
geworfen wurde. Das Entscheidende ist meines Er-
achtens eine Steigerung jenes Naturgefühls, das ge-
rade der Hochkultivierte vor dem Naturmenschen, der
Städter sogar schon vor dem Landbewohner voraus hat.

NEKROLOGE

Düsseldorf. Es regnete eintönig vom Himmel. Nur
hin und wieder aus einer Höhe, wo wohl die Sonne
leuchtend stehen mochte, tönte leise, leise Lerchenjubel
herab. Etwa anderthalb Dutzend Menschen standen da um
ein offenes Grab, in weicht s soeben ein blumengeschmückter
Sarg versenkt wurde. In ihm ruht in Frieden aus von
| allen Sorgen und Mühen Th. Schütz. Nicht lange nach
seinem siebzigsten Geburtstag ist er mitten aus der Künstler-
schaft, aus seinem trauten Familienkreise herausgerissen.
Seine fein und tief poetisch und echt deutsch empfundenen
Landschaften werden dafür sorgen, dass wir ihren Schöpfer
niemals vergessen.

Und merkwürdig, dicht an seinem Grabe sah ich eine
Buche stehen, den Baum, den er verstanden hat, wie nur Einer,
den er mit Vorliebe gemalt hat in allen Entwicklungsstufen.

Und wie malte er ihn im Frühling. Wie wusste er
das Gezweige einer Buche zu verfolgen bis in das kleinste
Geäder. Wie wusste er die jüngern zarten, eben aus der
Hülle gesprungenen Blätter zu malen. Bei Schütz müssten
unsere jüngeren Landschafter eigentlich wieder anfangen,
um hier vor allen Dingen erst wieder die »heilige Einfalt«
vor der Natur zu lernen. Erst dann werden sie imstande
sein, sich wieder den Weg zum Volk und zur Gegenliebe
zu bahnen.

Den kleinen freundlichen Mann aber werden Viele
sicherlich nicht vergessen, weil er ihnen die Hoffnung
immer wieder gegeben, dass auch unsere deutschen Land-
schaftsmaler noch einmal wieder zurückkehren werden zur
| Einfalt und Mode Mode« sein lassen.

Jetzt hellt sich der Himmel auf. Über dem Grabe
hoch oben in heller Luft singt eine Lerche dem Künstler
das Abschiedslied.

WETTBEWERBE

Dresden. Der Magistrat der Stadt Dresden fordert zu
einem Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für das
\ geplante neue Rathaus auf. Es werden drei Preise (zu
; 10000, 6000 und 3000 Mark) zur Verteilung gelangen. Als
Einlieferungstermin ist der 15. Februar 1901 festgesetzt.
Die näheren Bedingungen können nebst Skizze des
betr. Grundstückes durch die Stadthauptkanzlei (Rathaus)
bezogen werden. Zu den Preisrichten werden u. a. Paul
Wallot-Dresden, Gabriel Seidl-München und Stadibaurat
Hoffmann-Berlin gehören. -r-

Dresden. Die hiesige Herriiiann-Stiftung schreibt einen
Wettbewerb um die Ausführung einer Wandmalerei im
Rathause zu Radebeul aus. Der erste Preis besteht in der
 
Annotationen