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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Dehio, Georg: In Sachen der Denkmalpflege und in eigener
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0056

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In Sachen der Denkmalpflege und in eigener

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in Anführungszeichen; trotz der Anführungszeichen
sind sie falsch. Sie haben mit einigen Stellen in
meiner Rede im Wortklang eine leichte, im Sinn gar
keine Ähnlichkeit. Ich soll bewiesen haben, daß ich
nichts weiß von der Bedeutung der Museen als Lehr-
mittel — in Wahrheit habe ich mit Nachdruck und
Wärme von ihrem pädagogischen Wert gesprochen
und Vorschläge gemacht, wie diese Seite ihrer Tätigkeit
noch weiter ausgebaut werden könnte. Ich soll Berlin
einen »Wasserkopf« genannt haben (in Wahrheit habe
ich nur gesagt: »die deutsche Kunstgeschichte ist
partikularistisch verlaufen, wir hatten nicht und haben
auch heute nicht eine Kulturhauptstadt, wie Paris«).
Ich soll den Provinzialmuseen vorgeworfen haben,
daß sie von ihrem Beruf nur eine »blasse Ahnung«
hätten. (Bei mir: »Bis jetzt sind sie etwas blasse
Schattengewächse geblieben.«) Ich soll gesagt haben,
die Berliner Museen lebten von »Kirchenraub« und
soll ihren Generaldirektor den Räubern der Mona Lisa
gleichgestellt haben. (Bei mir: Erklärung dieses Ver-
brechens aus dem überhitzten Zustande des inter-
nationalen Konkurrenzkampfes.) Hätte ich solches
oder ähnliches gesagt, wie es mir vom Generaldirektor
Bode in den Mund gelegt wird, so hätte sich not-
wendig lauter Widerspruch aus der Versammlung er-
heben müssen, die doch nicht aus Strohköpfen bestand.
Auch .der Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums,
Dr. Koetschau, war anwesend. In der Debatte stimmte
er meiner Hauptthese zu, meinte dann allerdings, daß
ich den Wert, den auch die Zentralmuseen für die
Denkmalpflege hätten, unterschätze.

Meine Salzburger Ausführungen betrafen generell
alle, auch nicht bloß die deutschen Museen — immer
unter dem bestimmten Gesichtspunkte ihres Verhält-
nisses zur Denkmalpflege — und das ganze 19. Jahr-
hundert. Schon deshalb ist es ausgeschlossen, daß
ich immerfort nur auf Berlin angespielt hätte. Ich
habe ja überhaupt kein einzelnes Institut genannt,
außer einmal das Germanische Museum. Daß bei
meinen Zuhörern Erinnerungen an bekannte Einzel-
fälle aus der Museumspraxis aufgetaucht sind, ist
wahrscheinlich. Zu vermeiden war das nur, wenn
das Thema überhaupt nicht zur Sprache kam. Es
war vom Vorstand (dem ich nicht angehöre) auf die
Tagesordnung gesetzt. Nachdem ich einmal das Referat
übernommen hatte, wäre es eine Erbärmlichkeit ge-
wesen, meine Überzeugungen aus Furcht, daß dieser
oder jener sie ungern hören könnte, nicht vollständig
zum Ausdruck zu bringen.

Generaldirektor Bode fragt mich nun, ob ich
Fälle kenne, in denen seine Erwerbungen mit den
Interessen der Denkmalpflege nicht in Einklang ständen?
Nachdem ich so befragt bin, ist es meine Pflicht, zu
antworten.

Der Generaldirektor stellt sich das Zeugnis aus,
daß er mit seltenen Ausnahmen nur aus dem Kunst-
handel gekauft habe. Diese Erklärung trifft nicht den
Kern der Sache. Zufriedenstellend wäre sie nur, wenn
Sle lauten könnte: er habe immer nur erworben, was
'angst heimatlos war; nie etwas, das der Kunsthandel
erst ad hoc heimatlos gemacht habe.

Ich gebe ein typisches Beispiel, eines für viele.
Im Frühjahr 1910 erschien eines Morgens beim
elsässischen Landeskonservator der Bürgermeister von
Neuweiler und meldete: Heute nacht ist unser Graf
Lichtenberg gestohlen. Es hatte damit folgende Be-
wandtnis. In der letzten Zeit der französischen Herr-
schaft wurde die Klosterkirche zu Neuweiler, eine der
bedeutendsten und erinnerungsreichsten des Landes,
restauriert. Man hatte während der Arbeit den großen
Grabstein des Grafen von Lichtenberg in den Hof
des damaligen Bürgermeisters abgestellt. Durch den
Krieg kam die Sache in Vergessenheit. Der Hof
ging inzwischen in andere Hände über und die Gesetz-
gebung änderte sich. Unter dem bis 1900 geltenden
französischen Gesetz war er vor Veräußerung sicher,
da dieses Verjährung an öffentlichem Eigentum nicht
kennt. Durch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
ist auch hierfür ein Verjährungstermin eingeführt. Er
war kürzlich abgelaufen. Der gut instruierte Hof-
besitzer verweigerte auf Requisition der Kreisbehörde
jede Antwort. Der Konservator sagte sich: ein Stück
von diesem Umfang (2,60 m hoch, 12 Zentner schwer)
und das auf diese Weise erworben ist, stellt ein
Kunsthändler nicht in sein Schaufenster; er kann es
nur in der sicheren Erwartung an sich gebracht haben,
in einem großen Museum einen Käufer zu finden,
natürlich in einem Museum außerhalb des Landes.
Er begab sich also zu einem der Straßburger Händler,
von dem er wußte, daß sie Lieferanten für Berlin
seien, und schnell war der »geraubte Raubritter« ge-
funden, mit ihm zugleich ein Telegramm aus dem
Kaiser-Friedrich-Museum, das die Kaufverhandlungen
zum Abschluß bringen wollte. Bemerkenswert ist,
daß dieses auf Grund einer Photographie geschah,
die der Händler noch auf dem Hof in Neuweiler,
kurze Zeit vor der Entführung, aufgenommen hatte.
Der Konservator, schnell entschlossen, ließ sofort durch
sechs starke Männer, die schon darauf warteten, das
Objekt zu sich bringen. Die Rechtslage wurde unter-
sucht. Es stellte sich heraus, daß man durch das
Bürgerliche Gesetzbuch gegenüber dem Händler ohn-
mächtig geworden war und ihm eine exorbitante
Summe bewilligen mußte. Durch ihre Zahlung ist
die schlecht dotierte Altertümerverwaltung für längere
Zeit in ihrer Kaufkraft schwer geschwächt und die
Händler können nun erst recht ungestört weiter nach
Berlin oder sonst ins Ausland liefern.

Ich kenne noch andere Fälle, bei denen der ver-
mittelnde Kunsthandel keine Rolle spielt. In Villingen
im Schwarzwald besteht eine städtische Altertümer-
sammlung. In ihr sind drei wertvolle Teppiche aus
gotischer Zeit, welchen das Berliner Museum die Ehre
des Ankaufs erweisen wollte. Der Magistrat erklärte
sich auch bereit zu dem Handel. Die Sache kam
aber an die Öffentlichkeit und die Regierung legte
ihr Veto ein. Ähnliches war dem benachbarten Rottweil
zugedacht. Dort hat vor Zeiten ein einsichtsvoller
Dekan aus Pfarrhäusern und Kirchenböden eine reiche,
für die Geschichte der oberschwäbischen Kunst un-
schätzbare Skulpturensammlung zusammengebracht.
Die sechzehn schönsten Stücke wurden für Berlin
 
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