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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Opperlin, Manfred: Aus dem Leipziger Kunstleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0196

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Hospitalstraße 11 a
Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 24. 19. April 1912.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Hospitalstraße IIa. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

AUS DEM LEIPZIGER KUNSTLEBEN
Die klassische Musikstadt ist nicht entfernt in dem-
selben Maße auch eine Pflegeslätte der bildenden Kunst.
Trotz der Anwesenheit eines Max Klinger, und trotz
der hier bestehenden wohl florierenden »Akademie für
graphische Kunst« kann von einem wirklich an-
geregten, weitere Kreise bewegenden Kunstleben in
Leipzig nicht wohl gesprochen werden. Jedenfalls
ist hier nicht die Lebensluft, in der künstlerische Be-
strebungen von stark fortschrittlicher Tendenz und
ausgeprägter Eigenart leicht gedeihen und Förderung
finden können. Gefeiert und auch gekauft wird in
der Regel nur das allgemein Anerkannte, Namen von
bewährtem Klang, und weiterhin, was den Vorzug
hat, gefällig-dekorativ und salonfähig zu erscheinen.

Von den beiden Leipziger Kunstsalons, Del Vecchio
und Beyer & Sohn, wagt es keiner, ein wirklich und
ausschließlich modernes, künstlerisch tonangebendes
Ausstellungsprogramm zu verfolgen, wie etwa Thann-
hauser in München und Cassirer in Berlin, und im
Kunstverein, der immer jedem etwas bringen möchte,
sehen wir nicht selten reine Dilettanten oder aber
süßliche Salonmaler sich ungeniert breit machen und
Beifall einheimsen.

Immerhin sind doch wenigstens einzelne nam-
haftere Darbietungen aus den periodischen Ausstel-
lungen der letzten Wochen zu registrieren. Auffallend
gering ist darunter das Kontingent, das Leipzig selbst
gestellt hat, erwähnenswert bloß einige Skulpturen
und Kleinreliefs von M. Becker, Felix Pfeifer, Alfred
Thiele, Artur Zweiniger, sowie zwei sehr anregende
Kollektionen junger Graphiker: Kurt Kluge und Artur
Michaelis. Von Dresden ist manches herübergekommen,
das Beste wohl unter den Namen H. Nadler und
F. Dorsch. Die beiden Hauptzentren deutscher Kunst,
Berlin und München, waren, das erstere nur durch
den effektvollen modernen Modeporträtisten O. Linnen-
kamp und den feinen Plastiker F. Klimsch vertreten,
während aus München eine ganze Reihe von Künstlern
erschienen sind, von denen namentlich G. J. Buchner,
der stark münchnerisch beeinflußte Düsseldorfer Josse
Goossens, sodann die größeren Kollektionen des de-
korativ-farbenfreudigen R. M. Eichler und des flotten,
wirkungssicheren Dachauer Landschafters Otto Felber
ein stärkeres Interesse beanspruchten. Der Kunstverein
brachte weiterhin außer einer großen eindrucksvollen
Sonderausstellung von Fritz Mackensen und Bildern

von Carlos Grethe, wohl als Bestes einzelne auslän-
dische Maler zur Vorführung: Italico Braß mit ge-
schickten, oft merkwürdig stark an die Venezianer des
18. Jahrhunderts anknüpfenden venezianischen Veduten,
J. G. Dreydorff (Knocke, Belgien), den Meister fein
abgestimmter Landschaften und Interieurbilder, und
den eigentümlich herben Schweizer Bauerndarsteller
Ernest Bieler. Als eine etwas schwindelhafte Existenz
entpuppte sich der ebenfalls im Kunstverein ungebühr-
lich breit vorgeführte Engländer Tom Mostyn, wäh-
rend ein englischer Zeichner Alastair, den der Kunst-
salon Del Vecchio ausstellte, einen raffinierten, leicht
perversen Reiz in der Art Aubrey Beardsleys ausübte.
Mehr kulturgeschichtlich als eigentlich künstlerisch
interessant war eine vom Buchgewerbemuseum ver-
anstaltete Sonderausstellung von zum Teil kolorierten
Radierungen des englischen Karikaturisten Thomas
Rowlandson (1756—1827) meist aus dem Besitz von
Ed. Fuchs-Zehlendorf.

Weit über das Niveau des sonstigen Leipziger Aus-
stellungswesens erhebt sich aber eine am Ostersonntag
in den Räumen des städtischen Handelshofes eröffnete
große Kunstschau, die »Leipziger Jahresausstellung
1912«. Es ist dies die erste Darbietung eines seit
kurzem unter Leipziger Künstlern und Kunstfreunden
begründeten Vereins, der den lange schon ventilierten,
aber durch Uneinigkeiten innerhalb der Künstlerschaft
immer wieder zurückgehaltenen Plan einer in Leipzig
alljährlich mindestens einmal abzuhaltenden umfassen-
den Kunstausstellung als Programm übernommen hat.
An der Spitze des Vorstandes und der Jury steht
Max Klinger, wodurch die künstlerische Qualität der
Veranstaltung und ihr Ansehen nach außen von vorn-
herein gesichert scheint; die finanzielle Fundierung
wird durch eine erhebliche Subvention aus städtischen
Mitteln gewährleistet; und der Verein hat auch alles
darangesetzt, sich durch diese erste und wirklich aus-
gezeichnet organisierte Ausstellung gleich auf das
Vorteilhafteste einzuführen. Als ein besonders glück-
licher Gedanke darf schon das Ausstellungsprogramm
bezeichnet werden: »Aquarell, Pastell, Zeichnung und
Kleinplastik«.

Dinge derart hat man wohl gelegentlich als zer-
streute Beigaben auf Ausstellungen gezeigt, niemals
aber in einer solchen systematischen und weitgreifen-
den Vorführung vor Augen gestellt bekommen. Und
doch vermag sich das individuelle Künstlertemperament
 
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