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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Bayersdorfer, W.: Münchener Frühjahrsausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0220

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ACAO.lESEH.

11.MAI.1912

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Hospitalstraße 11 a
Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 27. 10. Mai 1912,

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Hospitalstraße IIa. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

MÜNCHENER FRÜHJAHRSAUSSTELLUNGEN
Der Münchener Kunstverein und der Verein
bayrischer Kunstfreunde (Museumsverein) hatten sich
kürzlich zu einer Veranstaltung zusammengetan, die
in angenehmer Weise die eintönigen Wochenaus-
stellungen des ersteren unterbrach. In überraschend
kurzer Zeit hatte ein von beiden Vereinen eingesetzter
Arbeitsausschuß eine Miniaturenausstellung vorbereitet,
die wirklich Anspruch auf Bedeutung erheben konnte,
was um so erfreulicher, als die zur Schau gebrachten
Objekte — mit Ausnahme zweier größerer Kollek-
tionen, des regierenden Fürsten Wilhelm von Hohen-
zollern - Sigmaringen und des Grafen Reinhart von
Neipperg — fast sämtlich in Münchener Privatbesitz
verborgen gewesen waren. Die aus 3000 Eingängen
ausgewählten ca. 730 Arbeiten, denen vergleichshalber
einige fünfzig moderne angegliedert wurden, waren,
nach Schulen geordnet, in zwei Sälen in möglichst
historischer Reihenfolge aufgestellt und orientierten
namentlich über die süddeutsche Miniaturmalerei, vor-
nehmlich München und Wien, in vollkommen ge-
nügender Weise. Doch waren auch mittel- und
norddeutsche, italienische, französische, englische und
nordische Künstler mit ausgezeichneten Stücken ver-
treten. Ein XXIV und 231 Seiten und 14 Tafeln
umfassender Katalog von Dr. Hans Buchheit und
Maler Carlo Jeannerat enthielt außer einem kurzen
Vorwort mit Hinweisen auf die Anordnung der Aus-
stellung und den üblichen Verzeichnissen die aus-
führliche Beschreibung jeder einzelnen Nummer, ein-
schließlich genauer Material-, Maß-, Inschrifts- und
Farbangaben, und erweist sich dadurch als ein für die
Wissenschaft wertvolles Buch, dessen sorgfältige Ar-
beit um so dankbarer anerkannt werden muß, als den
Verfassern nur die allerkürzeste Zeit zur Verfügung
stand.

Das älteste und wohl auch wertvollste Stück der
gesamten deutschen Arbeiten war das dem National-
museum gehörige Porträt eines 27jährigen Mannes
mit braunem Vollbart auf blauem Grund von Hans
Holbein d. J., das ursprünglich für ein Selbstbildnis
des Hans Mühlich gehalten, von Buchheit, auf den
berühmten Augsburger bestimmt worden war. Unter
den wenigen noch dem gleichen Jahrhundert entstam-
menden Miniaturen fiel das Bildnis der Erzherzogin
Magdalena von Österreich auf, der Stifterin des Klosters
Hall, das gegen 1600 von einem unbekannten Meister

gearbeitet, durch seine Farbenzusammenstimmung
(schwarze Stiftstracht, bleiches Gesicht, grauer Grund)
zu den fesselndsten Stücken der Ausstellung gehörte.
Eine große Anzahl ausgezeichneter Arbeiten des 16.
bis 19. Jahrhunderts, deren Meister nicht festzustellen
waren, hatte man in eigenen Kästen und Vitrinen
vereinigt und so möglichst von den mit Namen be-
kannten Malern (im ganzen 219) gesondert. Von
letzteren waren für uns speziell die in München an-
sässig gewesenen interessant, deren sich 36 vorfanden,
darunter Hauptmeister wie Joseph Heigel, Franz Na-
poleon Heigel, Joseph Kaltner, Mathias und Kaspar
Klotz, Georg de Marees, Carlo Restallino, Franziska
Schöpfer, Maximilian Schrott, Therese Voigt u. a.
Einer der ältesten dieser Künstler, Georg de Marees,
hat in Haltung und Ton ausgezeichnete Miniaturen
geschaffen, sein Bestes aber doch wohl in den großen
Bildnissen gegeben, wie sie uns aus den bayrischen
Galerien und Schlössern und Münchener Privatbesitz
bekannt sind. Eine fast vollkommen neue Erscheinung
war der vermutlich in Nymphenburg geborene Jo-
seph Kaltner, der in verschiedenen seiner Werkchen,
wie den Bildnissen eines unbekannten vornehmen
Herrn von 1793, der Kurfürstin Elisabeth Maria von
1795 oder den Grafen Basselet la Rosee berühmte
Meister seiner Zeit nicht unbedeutend überragt. Auch
in der in ihren Lebensdaten und ihrer Entwicklung
noch völlig unbekannten Jeannette Kapp mußte man
eine beachtenswerte Künstlerin anerkennen (Bildnis
Max Jos. I. v. Bayern), ebenso in der Italienerin
Therese Voigt geb. Fiorini, deren Vorzüge auffallende
Frische und gesunde Empfindung sind (Porträt einer
Gräfin Bayersdorff). Ziemlich reich waren die beiden
Heigel vertreten, der jüngere Franz Napoleon u. a.
mit dem feinen Kniestück einer Freifrau von Kramer
und einem liebenswürdigen Selbstporträt von 1830,
dann Franziska Schöpfer, deren 27 Arbeiten zwar
manches kraftlose und etwas flaue Stück enthielten,
in der Mehrzahl aber doch weit über dem Durch-
schnitt damaliger.Miniaturmalerei standen, wie in den
interessanten Porträts des Landschaftsmalers Wilh. v.
Kobell (1802), des Joh. Bapt. Ant. Mandl und seiner
Frau (1807) und dem reizenden Bildchen des viel-
leicht dreijährigen Prinzregenten Luitpold von Bayern.
Da es im Rahmen dieses Berichtes nicht möglich ist,
auf einzelnes genauer einzugehen, seien hier nur noch
jene Künstler der Münchener Gruppe erwähnt, die
 
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