Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

DOI Artikel:
Bredius, Abraham: Traurige Zustände in französischen Provinzialmuseen
DOI Artikel:
Pollak, Oskar: Was wissen wir von Lor. Berninis Tätigkeit als Maler?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0308

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
acao. Leseh.

14SER1912

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Hospitalstraße 11 a
Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 38. 13. September 1912.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Hospitalstraße IIa. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

TRAURIGE ZUSTÄNDE IN FRANZÖSISCHEN
PROVINZIALMUSEEN
Schon mehrfach wies ich in einigen Studien über
holländische Bilder in Frankreichs zahlreichen Pro-
vinzialmuseen auf den unverzeihlichen Zustand vieler,
oft kostbarer Bilder hin (Oud-Holland).

Es kann nicht genug gesagt werden: große Kunst-
schätze sind dem Untergange nahe, wenn nicht ernst
und mit Verständnis, vor allem bald eingegriffen
wird.

Jedes Jahr besuche ich Epinal, wo ein herrlicher
Rembrandt stets noch seiner Auferstehung wartet.
Das kleine Museum dort besitzt mehrere interessante
Bilder, auch einen halb zerstörten Jac. Ruisdael, ein
Werk des Meisters des Todes Maria, einen »Holbein«,
der wohl von einem Amsterdamer Maler gemalt wurde
(Dirck Jacobsz?) usw. Aber die Perle ist der Rem-
brandt, eine alte Frau, der man später einen Rosen-
kranz in die Hände gemalt hat. Die jetzige Signatur
ist falsch, mit gelber Farbe roh hingemalt; vor Jahren
glaube ich die echte noch gesehen zu haben und
das Datum 1661.

Kopf und Hände dieses prachtvollen Werkes sind
fast total in rohester Weise übermalt. Das wunder-
bar breit gemalte leuchtende Kostüm in weiß, schwarz
und goldgelb ist trefflich erhalten. Höchst wahr-
scheinlich hat ein sogenannter Maler versucht, nach
seiner Art das Bild zu verschönern. Ein Hauser,
ein de Wild würden dieses Werk sicher wieder zu
einem der herrlichsten Werke des Meisters erstehen
lassen können; aber darauf darf man absolut nicht
hoffen, und in Frankreich gibt es leider niemand, der
die Kunst des Restaurierens so versteht. Überdies
huldigt man ja hier sonderbaren Theorien über das
Wiederherstellen alter Bilder. Es ist zum Weinen!1)

Gestern besuchte ich das kleine Museum von Bar-
le-Duc. Der Hauptschatz ist das sogen. Selbstporträt
des Tintoretto. Es hing so hoch, daß ich es nicht
gut sehen konnte, aber ich bemerkte deutlich, daß es
voller großer Blasen war. Es scheint jedenfalls ein
prächtiges Bild zu sein. Ich fragte wegen der Blasen.
Ja, sagte der alte Wärter, der wie ein Sträfling ange-

1) Der Wärter im Museum zu Epinal ist stocktaub.
Man könnte die wundervollen Olasfenster des 16. Jahr-
hunderts in dem Saale zerschlagen, ohne daß der gute
Mann nur das geringste davon verspüren würde.

zogen war: das kommt von der Sonne, die fast den
ganzen Tag auf das Bild scheint! Früher hing es
unten; der Konservator (!!!) hat es aber so hoch ge-
hängt. Wir haben einen Konservator und eine Kom-
mission!

Und restauriren: vor zwanzig Jahren hat man hier
einmal ein Bild restauriert, da kam es ganz neu ge-
malt zurück, all das Alte war verschwunden; seitdem
wird hier nicht mehr restauriert! Ein sehr hübsches
Porträt Ludwig XV. als Knabe, ein Rigaud, blättert
schon stark ab, große Stücke sind heruntergefallen.

Frankreich besitzt 300 Provinzialmuseen. Zwischen
den Tausenden Non-valeurs befinden sich eine große
Anzahl vortrefflicher, oft seltener Gemälde. Direktoren
der Galerien sind meistens Maler, zuweilen Archivare,
auch Photographen, Bildhauer usw., aber fast niemals
Leute, die sich ernstlich der Bilder annehmen. Das
muß einmal deutlich gesagt werden. Ein französisches
Blatt nimmt solche Äußerungen eines Ausländers nicht
auf. Vielleicht übersetzt es sie. Wenn man in den
neuesten französischen Blättern die grausigsten Sachen
mit Titeln wie »Vandalismus« usw. liest, weil kürzlich
ein unbedeutendes Porträt von i86j! im Louvre etwas
abblätterte, und denkt an die Hunderte herrlicher Bilder,
die in den Provinzialmuseen langsam aber sicher zu-
grunde gehen, dann nimmt sich diese rührende Sorge
fast lächerlich aus. A. BREDIUS

WAS WISSEN WIR VON LOR. BERNINIS
TÄTIGKEIT ALS MALER?

Der Biograph des großen Bernini, der Florentiner
Filippo Baldinucci, erzählt uns, daß Urban VIII.,
der schon als Kardinal Barberini ein großer Gönner
und Förderer des Künstlers gewesen war, nach seiner
Thronbesteigung die höchsten Ziele in bezug auf
dessen künstlerische Entwicklung vor Augen hatte
und nichts Geringeres aus seinem Schützling machen
wollte als »einen zweiten Michelangelo«1). Und so
wie dieser ein Meister in allen drei Gebieten der
Künste, in der Architektur, Plastik und Malerei ge-
wesen war, so wünschte Urban, daß auch der junge
Bernini, der bis dahin nur der Bildhauerei sich ge-
widmet hatte, sich mit der Architektur und Malerei
eingehend beschäftige, um die großen Pläne, die der

1) Vgl. A Riegl, Fil. Baldinuccis Vita des Oio. Lor.
Bernini (Wien 1912), S. 80 ff.
 
Annotationen