Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

DOI Artikel:
Waldmann, Emil: Die Sammlung Nemes
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0124

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
227

Nekrologe — Personalien

228

Bilder angewiesen bleibt. — Von Greco zu Cezanne
ist der Weg nicht weit, man sieht die Zusammen-
hänge, besonders auf dem Gebiete der Phänomenalität
der Erscheinung, auch auf dem der Farbe. Der
»junge Mann in der roten Weste« ist ein Schul-
beispiel für die koloristischen Zusammenhänge, aber
die »Badenden« zeigen erst ganz, wie groß und selbst-
herrlich dieser Cezanne war, sie zeigen es so deutlich
wie jene »Landschaft mit den schiefen Häusern«, mit
der sich auf der ganzen Welt eben nur Grecos Toledo
vergleichen läßt. Unter den schönen Stilleben ist
eines in seiner Art diesen beiden Meisterwerken gleich-
wertig, die anderen stehen etwa auf der Höhe der
beiden Berliner Bilder, sie haben den letzten Rest
von Realismus noch nicht überwunden.

Cezanne tritt in der Sammlung Nemes als Vollen-
der der modernen französischen Malerei auf. Neben
ihm nimmt der letzte der alten Meister, Courbet, merk-
würdig viel Raum ein, merkwürdig vielleicht nur des-
halb, weil er nicht sehr gut vertreten ist; außer mit
einer guten Landschaft und den hochbedeutenden
»Zwei Mädchen am Balkonfenster« sind eigentlich nur
schwache oder sehr unsympathische Bilder von ihm
vorhanden. Streiten ließe sich über das große Familien-
bild. Einen Augenblick denkt man vor ihm, hier
öffne sich ein Weg nach vorwärts zu Cezanne und
nach rückwärts zu Goya, man ist in dieser Sammlung
eben wie von selber »entwicklungsgeschichtlich« ge-
stimmt. Aber wenn man nüchtern bleibt, sieht man
bald, daß das Gemälde am Ende vorwiegend unge-
schickt ist und im Grunde nur wenig höher an Qualität,
als etwa jene schlechten frühen Werke von Hans
Thoma, denen es so ähnlich sieht.

Zwischen Courbet und Cezanne stehen die soge-
nannten Impressionisten, voran Manet, mit dem genial
hingestellten Clemenceau, dem vlämisch wirkenden
Studienkopf zur Negerin auf der Olympia (1863), mit
der fabelhaft geistreichen Dame in Schwarz«, mit den
pompösen Pfirsichen und endlich mit dem absolut
unabhängigen Straßenbild. Die eine Landschaft von
Claude Monet, mit den Schiffen am Strande, ist ersten
Ranges, und hat, ebenso wie ein ähnliches Bild in
einer anderen Budapester Sammlung, auffallenderweise
Beziehungen zu Cezanne. Renoir ist eindrucksvoll aber
nicht sehr gut vertreten, Degas wie üblich. — Wie
sich das andere Endziel der französischen Malerei des
19. Jahrhunderts, van Gogh, aus dem Impressionismus
entwickelt, zeigen drei seiner Gemälde: Ein unbeträcht-
liches Stilleben, eine Landschaft, die noch Claude
Monets Schneebildern nahesteht, aber auch schon eigen-
mächtige Züge hat, und endlich ein ganz herrliches
Stilleben von einer unbegreiflichen Freiheit der Auf-
fassung.

Man sieht, auch für die Kenntnis der Kunst der
zweiten Hälfte des Jahrhunderts gibt die Sammlung
überraschende Aufschlüsse. Die Pioniere dieses Weges,
Delacroix und Daumier, sind jeder mit einem unbe-
deutenden Werk wohl nur pro forma vertreten. Auch
Corots Landschaft ist nicht zwingend, sein Figuren-
bild, das Mädchen in Blau, dagegen sehr schön. Es
gibt ja kaum Figurenbilder von ihm in Deutschland.

Hat man sich an diesen Hauptpunkten der Samm-
lung einmal klar gemacht, von wo aus dieser Amateur
die Kunst ansieht, so begreift man leicht, aus welchem
Grunde er seine übrigen alten Gemälde gekauft hat.
Die Venezianer, wie der schöne Giovanni Bellini, ein
hervorragender Cariani, ein feiner Moroni, und ein
sehr schöner Bassano, das versteht sich von selbst.
Ebenso das Männerporträt von Frans Hals aus der
Sammlung Weber — Manet hat Hals als seinen Lehrer
bezeichnet. Um Hals lassen sich dann verschiedene
Proben guten Malwerks gruppieren, Stillebenmaler wie
der Fischspezialist Beijerens zum Beispiel, den der
junge Delacroix studiert hat, und der von Dirk Hals
abhängige Genremaler Duck, der mit einer geistreich
gestellten Szene vertreten ist, die an Velasquez' »petits
cavaliers« erinnert. Ein Kopf von Cuyp hängt zwischen
Courbets und Courbet hält sich sehr gut, Chardin
illustriert das Kapitel »Holland-Frankreich«, und so
könnte man zu vielen anderen Bildern des 17. Jahr-
hunderts noch nachweisen, was sie eigentlich uns an-
gehen und sich wertvolle Einsichten verschaffen, über
die »Wiederkehr des Gleichen«, wie Nietzsche es
nannte.

Man soll den erkenntnistheoretischen programma-
tischen Wert dieser Sammlung gewiß nicht überschätzen
und sich zunächst jenseits aller Wissenschaft immer
an die einzelnen Bilder halten, an ihre Schönheit und
an die Freude, die sie verschaffen. Aber man soll
diesen Wert auch nicht verkleinern. Schon weil dieser
kunstbegeisterte unzünftige Amateur in ein paar Jahren
geleistet hat, was die Aufgabe manches Museumsleiters
sein könnte. EMIL WALD MANN.

NEKROLOGE

In Valladolid starb ani 16. Dezember Don Jose" Marti
y Monsö, Direktor des Valladolider Provinzialmuseums
und der dortigen Kunstschule. Der Verstorbene war ein
hervorragender Kenner der altkastilischen Plastik und hat
sich durch zahlreiche Forschungen zur Geschichte der
Valladolider Kunst, die vor allem in seinen Estudios his-
torico-artisticos niedergelegt sind, verdient gemacht.

-IM-

PERSONALIEN
München. Der Streit um die NachfolgerschaftTschudis
hat nunmehr seine Erledigung gefunden; und zwar in
folgender ungewöhnlicher Form, die wir im offiziösen
Wortlaute mitteilen: »Seit dem Tode Hugo v. Tschudis
führt Konservator Dr. Braune die Direktionsgeschäfte bei
den staatlichen Galerien. Die Schwierigkeiten, die einer
endgültigen Regelung der Nachfolge v. Tschudis zurzeit
entgegenstehen, ließen sich dank dem Entgegenkommen
des Malers Professor Anton Stadler in der Hauptsache da-
durch beheben, daß er in allen wichtigen Angelegenheiten
der staatlichen Galerien sich dem Ministerium als Beirat
zur Verfügung gestellt hat, in dieser Eigenschaft den Vor-
sitz in den bei den Galerien bestehenden Kommissionen
übernimmt und alle auf wichtige Angelegenheiten bezüg-
lichen Anträge und Verfügungen der Galeriedirektion mit
unterzeichnet. Auf diese Weise konnte für die Direktion
der staatlichen Galerien unter Fortdauer der Leitung der
Geschäfte durch Konservator Dr. Braune die Mitwirkung
Professor Stadlers gesichert und eine Regelung getroffen
werden, die unter den gegebenen Umständen wohl die
 
Annotationen