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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Urkundliches über Hans Holbein den Älteren
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVII. Jahrgang 1915/1916 Nr. 29. 14. April 1916

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
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URKUNDLICHES ÜBER HANS HOLBEIN
DEN ÄLTEREN

Das recht spärliche Urkundenmaterial zur Lebens-
geschichte des älteren Holbein ist neuerdings durch
zwei glückliche Funde vermehrt worden. Im vierten
Bande des »Archivs für die Geschichte des Hochstifts
Augsburg« veröffentlicht Gg. Rückert Eintragungen
der Rezessionalien des Domkapitels Augsburg, die
sich auf den von Bischof Johannes von Werdenberg
für den Dom zu Augsburg gestifteten Hochaltar be-
ziehen. Der Mittelschrein war in Silber getrieben. Die
Arbeit wurde von dem Goldschmied Peter Rimpfing
begonnen, blieb aber nach dem Tode des Bischofs
im Jahre i486 unvollendet liegen, um erst im Jahre
1504 wieder aufgenommen zu werden. Georg Seid
führte sie zu Ende. Im Jahre 1508 wurde die Tafel
in der Kathedrale aufgestellt. Am 14. Juni dieses
Jahres begannen die Verhandlungen, die der Domherr
Bernhard Adelmann mit Holbein wegen der Flügel-
türen zu dem Silberaltar führte. Zuerst ist von einer
»Decke« die Rede, vermutlich also einer einheitlichen
Verschlußtafel. Am 24. April 1509 beschloß das
Kapitel »zu versuchen, ob nit bequemlich uff dem
neuen chor für die silberin taffei ain gefligelte tafel,
die man auff und zu thue, gemacht werden mocht,
darmit man die an den myndern festen, so die silberin
tafel nit entdeckt wirdet, auff thue«. Es ward darauf
mit Holbein ein neuer Vertrag geschlossen. Der Inhalt
ist interessant genug, um hier ausführlich wiedergegeben
zu werden. »Hat Hr. Hanns vom Wolfstain, thum-
bropst angepracht, wie sich mayster Hans Holpain
maier erpotten, das er die taffei, so ime vormals an-
gedingt, daran er auch etwe vil gemacht, vol auß
beraitten, umb ain gelt anschlagen und uff den chor
setzen lassen wolle, wann er dann aus dem Elsaß,
dahin er uff Jacobi nechst ze komen und etlich arbait
daselbs aus zuberaitten sich versprochen hab, wider
anhaymsch kome, das als er verhoff, uff die nechst
künftigen vasten geschehen soll, wolle er von stund
an die gefligelten tafel, wie ime deßhalb ain visier
fürgehalten wirdet, auszuberaitten anfahen und sich
dhainer andern arbeit understeen und alsdann die
obbestimpten tafel widerumb für so vil gelts, als die
angeschlagen ist, nemen, sich auch darumb gegen
ainem capitel nach notturfft verschreyben und sein
behausung hie zu Augspurg verpfenden wöll.« Wichtig
ist in dieser Nachricht zweierlei. Erstens erfahren wir
von einer bisher nicht bekannten Reise Holbeins nach
dem Elsaß, wohin er zur Ausführung malerischer
Arbeiten berufen wurde. Die. Herkunft der stilkritisch
auf die Zeit 1508—10 festgelegten Altarflügel in Prag
aus dem Kloster Hohenburg wird dadurch erklärt.

Interessant ist ferner die Tatsache, daß Holbein sich
verpflichtete, eine für einen bestimmten Zweck her-
gestellte Tafel zurückzunehmen. Er muß also mit der
Möglichkeit gerechnet haben, sie später freihändig
zu verkaufen. Unsere Vorstellung von dem Bilder-
handel in einer mittelalterlichen Malerwerkstätte, in
welcher also durchaus nicht lediglich auf Bestellung
gearbeitet werden konnte, erfährt durch diese Notiz
eine erwünschte Bereicherung. Eine Eintragung vom
6. Juli 1509 teilt den Beschluß mit, nur die Außen-
seite der Flügel bemalen zu lassen. Leider ist über
die endgültige Ausführung keine sichere Nachricht er-
halten. Unter dem 25. Januar 1510 ist davon die
Rede »wie und welher mas fürohin die neugemacht
tafel uff den fronaltar uffgezogen und abgehoben
werden soll«. Die zuerst bestellte »Decke«, um die
es sich hier offenbar handelt, war also abgeliefert
worden. Ob sie später gegen die Flügel ausgetauscht
wurde, erfahren wir nicht mehr. Nur das Ende des Altars
ist wieder bekannt. In der Schreckenszeit des Dreißig-
jährigen Krieges wurde am 6. April 1632 auf die Kunde
vom Anrücken der Schweden der ganze Silberschatz des
Domes nach Salzburg verbracht, um dort eingeschmol-
zen und vermünzt zu werden. Was damals mit Holbeins
Gemälden geschah, ist nicht bekannt. Unter den erhal-
tenen Tafeln läßt sich keine namhaft machen, die mit
einiger Wahrscheinlichkeit mit dem ehemaligen Silber-
altar in Zusammenhang gebracht werden könnte.

Eine zweite auf Hans Holbein den Älteren be-
zügliche Nachricht veröffentlicht der Herausgeber des
genannten Archivs, A. Schröder, aus dem Chronicon
des P. Gregor Aberzhauser, das im Jahre 1603 ver-
faßt ist (Augsburg, Stadtbibliothek, Cod. Aug. 328).
Es wird da von einem im Jahre 1510 von dem
Augsburger Bürger Matin Weiß und seiner Frau Elisa-
beth Fackler für die Stiftskirche Hl. Kreuz gestifteten
Altar berichtet, der zu Ehren der Himmelfahrt Mariens
geweiht wurde. Die Hauptdarstellung der von Engeln
emporgetragenen Gottesmutter ist vermutlich ein Holz-
schnitzwerk gewesen. Auf den Flügeln waren die
Geburt des Kindes und die Anbetung der Könige
dargestellt. Während an dieser Stelle Meisternamen
nicht genannt sind, spricht P. Gregor in seinem »Liber
rerum monasterii S. Crucis« (Augsburg, Stadtbibliothek,
Cod. Aug. 330) bei Gelegenheit einer Aufzählung der
Stiftungen des Martin Weiß und seiner Frau von dem
»altare divae virginis« und fügt bei »a Joanne Holpain
artificiose depictum«. Im Jahre 1610 erhielt Herzog
Wilhelm V. von Bayern, wie P. Gregor weiter berichtet,
zum Danke für viele wertvolle Spenden an das Kloster »die
zwei vor hundert Jahren von Holbein gemalten Flügel
des Marienaltars«, die durch Kopien ersetzt wurden.
Originale wie Kopien sind verschollen. GLASER
 
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