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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Aus den Berliner Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0219

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVII. Jahrgang 1915/1916 Nr. 43. 8. September 1916

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

AUS DEN BERLINER MUSEEN

Das Neue Museum ist seit kurzem wieder ge-
öffnet, nachdem die Arbeiten für die neuen Heizungs-
anlagen abgeschlossen sind. Dem Publikum ist zu-
nächst ein Teil der ägyptischen Sammlungen und das
Kupferstichkabinett wieder zugänglich gemacht worden.
Das Hauptgeschoß steht zurzeit leer, da die Gips-
abgüsse nach antiken Skulpturen in den neuerbauten
Flügel der Universität überführt worden sind, wo sie
hoffentlich der Öffentlichkeit ebenso zugänglich ge-
macht werden wie vordem im Museum. Im Treppen-
hause steht noch das Gerüst, das zum Zwecke der
Reinigung der Kaulbachschen Wandgemälde errichtet
wurde. Die eine Wand ist bereits fertiggestellt, und
die Farben der Fresken, die unter einer dicken Schmutz-
schicht gelegen hatten, erstrahlen wieder in ihrer ur-
sprünglichen Frische. Wer die Bilder in ihrem bis-
herigen Zustande zu sehen gewohnt war, wird eine
Überraschung erleben, und es wird keine ganz un-
geteilte «Freude sein, denn der jahrzehntealte Staub
hatte manche Härten gemildert und einen grauen
Gesamtton über die Bilder gelegt, unter dessen wohl-
tuender Decke manches heut süßlich wirkende Rosa
und Himmelblau beinahe verschwunden war.

Das Kupferstichkabinett zeigt bei seiner Wieder-
eröffnung drei neue Ausstellungen. Im Oberlichtsaal
ist als verspätete Ehrung für den hundertsten Geburts-
tag des Meisters eine Auswahl aus dem graphischen
Werk Adolph von Menzels zu sehen. Von den frühen
Gelegenheitsarbeiten in Steindruck über die Haupt-
werke der vierziger Jahre, den Kugler, die Versuche
mit Pinsel und Schabeisen, das Armeewerk und die
Werke Friedrichs des Großen bis zu den späteren
Lithographien, Radierungen und den Holzschnitten zum
Peter SchlemihI und Zerbrochenen Krug, sind Proben
des reichhaltigen und sehr verschiedenartigen graphi-
schen Werkes Menzels zu sehen, in dem auch die
ihrer Form und Bestimmung nach schwer zugäng-
lichen Steinzeichnungen zu dem Armeewerk ihrer Be-
deutung gemäß zu verdientem Rechte kommen. Von
den zahlreichen Holzschnitten konnten nur relativ
wenige Proben ausgewählt werden. Probedrucke
zum Kugler sind verhältnismäßig selten. Das Kabinett
war vor nicht langer Zeit in der Lage, seine Bestände
gerade nach dieser Richtung glücklich zu ergänzen.
Ein Teil dieser Neuerwerbungen gelangt jetzt zum
ersten Male zur Ausstellung. Die vielen Probedrucke
zu den Werken Friedrichs des Großen mit eigen-
händigen Korrekturen und Randbemerkungen Menzels
bilden einen besonderen Schatz der Berliner Sammlung,
und die ausgestellten Beispiele gewähren einen guten
Einblick in die peinliche Akribie und Sorgfalt des

Schaffens, die um so erstaunlicher ist, wenn man das
Ergebnis betrachtet, das immer den Charakter un-
mittelbarer Improvisation zu wahren weiß.

Es ist ein weiter Weg von der graziösen Kunst
des Mannes, der im Leben ein so knurriger Philister
gewesen ist, zu der qualvoll schweren Gestalten-
welt der Käthe Kollwitz, deren nahezu vollständiges
graphisches Werk in dem neuen Ausstellungssaal zu
sehen ist. Um das Thema des sozialen Mitleids
kreist die Gedankenwelt der Künstlerin. Aus den zahl-
reichen Selbstbildnissen spricht ein Mensch, dem es
nicht gegeben ist, die Sichtbarkeit als einen schönen
Schein zu erleben. Das Talent, das sie in sich fühlt,
stellt die Künstlerin in den Dienst einer sozialen Idee.
Und es ist nur folgerichtig, daß sie ihre Tätigkeit
aufgab, nachdem sie in den zwei großen Zyklen
vom Weberaufstand und Bauernkrieg ihre große An-
klage gegen die Gesellschaftsordnung niedergelegt
hatte. In diesen beiden Zyklen sind Bildideen von
nicht gewöhnlicher Eindringlichkeit zur Gestaltung ge-
bracht. Neben den frühen Radierungen Klingers, die
gewiß ein höheres Maß der Anschaulichkeit und for-
malen Durchbildung voraus haben, werden diese Ar-
beiten der Künstlerin immer in Ehren genannt werden.
Das Berliner Kabinett besitzt eine außerordentlich reich-
haltige und nahezu lückenlose Sammlung der Radie-
rungen von Käthe Kollwitz. Reihen von Zustands-
drucken, von denen auch eine Anzahl zur Ausstellung
gelangte, gewähren einen guten Einblick in den
Schaffensprozeß.

In einer dritten Ausstellung endlich wird eine
kleine Zahl von Zeichnungen aus der Sammlung
Beckerath gezeigt. Es ist eine Auswahl aus den Rest-
beständen, die beim Ankauf noch in der Wohnung
des Sammlers verblieben waren und erst nach seinem
Tode in den Besitz des Museums gelangten. Die
wichtigsten Blätter, eine Reihe von Zeichnungen Rem-
brandts, konnten bereits in der Rembrandtausstellung
des Kupferstichkabinetts, der letzten vor Beginn der
Bauarbeiten, vorgeführt werden. So steht Rubens mit
einem stattlichen Blatt, einer Studie zu seiner be-
kannten Komposition der Stigmatisation des heiligen
Franziskus, an der Spitze, neben ihm Van Dyck mit
einer sorgfältigen Bildniszeichnung für die Ikono-
graphie. Von Jordaens sieht man eine farbenreiche
Komposition, Christus bei den Sündern darstellend.
Von weiteren Blättern flämischer Meister sind eine
schöne Kanallandschaft des älteren Jan Breughel und
eine der sorgfältigen und klaren Bildniszeichnungen
in Silberstift zu nennen, die einen besonderen Ruhm
des Goltzius ausmachen. Mit einer beweglich phan-
tastischen Hochgebirgsdarstellung ist Momper sehr
charakteristisch vertreten. Die Reihe der holländi-
 
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