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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Schumann, Paul: Kunstakademien und Kunstgewerbeschulen
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 5. 2. November 1917

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

KUNSTAKADEMIEN UND KUNSTGEWERBE-
SCHULEN

Über die Neuordnung der künstlerischen Erziehung
kann man jetzt auf der Grundlage von Auslassun-
gen Professor Fritz Röbers, des Direktors der Düssel-
dorfer Kunstakademie, in den deutschen Zeitungen
mancherlei lesen. Es handelt sich um eine Verein-
heitlichung des künstlerischen und des kunstgewerb-
lichen oder kunsthandwerklichen Unterrichts, wie er
beispielsweise in Leipzig früher bestand und wie
er auch jetzt noch — durch Poelzig ausgestaltet —
in Breslau besteht. Gegenwärtig sind Kunstakade-
mien und Kunstgewerbeschulen getrennte Anstalten,
so beispielsweise in Berlin, Dresden, Düsseldorf,
Karlsruhe, München und Stuttgart. Dazu kommt
auch noch, daß die Erziehung der Künstler und der
Kunsthandwerker in Preußen in zwei verschiedenen
Ministerien behandelt wird: die Kunstakademien unter-
stehen dem Kultusministerium, die Kunstgewerbe-
schulen sind zum Teil seinerzeit an das Handels-
ministerium abgegeben worden oder sollen es noch
werden. Daß eine solche Trennung nicht ersprießlich
ist, wird von vielen Sachkennern vertreten, und es
kann wohl kein Zweifel sein, daß die Trennung
mancherlei Schäden mit sich bringt, die durch eine
einheitliche Verwaltung und durch eine gründliche
Umgestaltung des Lehrbetriebes beseitigt werden
könnten.

Die Hauptfrage ist wohl die Stellung der Archi-
tektur. Die Baukunst ist das Schmerzenskind der
künstlerischen Erziehung. An vier Stellen wird jetzt
Architektur gelehrt: an den Bauschulen oder Bau-
gewerkenschulen wird die sozusagen niedere Baukunst
gelehrt, werden Baumeister, Zimmermeister, Maurer-
meister lehrhaft herangebildet; an einzelnen Kunst-
akademien wie in Berlin und in Dresden besteht eine
besondere Abteilung für die sozusagen höhere Archi-
tektur, an den technischen Hochschulen werden die
Architekten für den Staatsdienst ausgebildet, und neuer-
dings gibt es — z. B. in Dresden und Düsseldorf an den
Kunstgewerbeschulen — architektonische (Raumkunst-)
Abteilungen. Weiter kann die Zersplitterung wohl
nicht gut gehen. Wie ist zu helfen? Die Kunstge-
schichte lehrt, daß die Kunst am höchsten stand, als
Architektur, Malerei und Plastik miteinander Hand in
Hand gingen. Im Zeitalter der Renaissance und noch
mehr in der Barockzeit wurden großartige Gesamt-
kunstwerke geschaffen, die sich immer steigender Be-
wunderung erfreuen. Mit recht hat noch vor kurzem
auf dem Augsburger Denkmalpflegetag der bayrische
Generalkonservator Dr. Georg Hager ein hohes Lied
auf die Barockkunst gesungen. »Weit mehr als bei

den früheren Stilen — so sagte er u. a. — will das
Innere einer Barock- oder Rokokokirche immer als
Ganzes gesehen sein, nicht nur als Raumschöpfung
der Architektur, sondern auch als dekorative Schöp-
fung der Ausstattungskunst. Die Ausstattung durch
Stukkaturen, durch Decken- und Wandgemälde, durch
Altäre, Kanzel und Orgel bedeutet erst die Vollendung
der Raumschöpfung. Eine Fülle von Phantsie, eine
Fülle technischer und künstlerischer Meisterschaft steckt
in diesen Raumbildern«. Damals als diese großartigen
Gesamtschöpfungen von Architektur, Plastik und Ma-
lerei entstanden, gab es keine Kunstgewerbeschulen,
keine Scheidung zwischen Künstlern und Kunstgewerb-
en: es gab nur Künstler, sei es als Schöpfer, sei es
als Ausführende. Heute werden Architekten, Maler
und Bildhauer nicht einheitlich ausgebildet und stehen
im Leben nicht einheitlich zusammen beim Schaffen
von Gesamtkunstwerken, sondern verstehen einander
oft gar nicht. Daß Maler und Bildhauer in erster
Linie lernen müssen, für den Raum zu schaffen, ist
eine alte Weisheit, die man mehr oder minder ver-
gessen hat. In den Akademien lernen Maler und Bild-
hauer meist nur Staffelei- und Kabinettsbilder malen,
Bildwerke schaffen, für die nachher ein Raum gesucht
werden muß. Die Architekten aber lernen nicht ein-
dringlich genug, Malerei und Plastik als unentbehrliche
Teile ihrer Bauten und Raumschöpfungen anzusehen
und sie demgemäß stilgerecht zu verwenden. In den
akademischen Schülerausstellungen in Dresden konnte
man früher sehen, daß in alle Entwürfe von Architekten
ein dafür angestellter Maler die Plastik fein säuberlich
hineingezeichnet hatte, in allen Entwürfen sah sie ganz
gleichartig aus: ein Hohn auf die harmonisch künst-
lerische Durchbildung der Architekten. An der tech-
nischen Hochschule zu Dresden hat man in Erkenntnis
solchen Mangels einen Bildhauer angestellt, der die
Architekten im Geiste architektonisch-plastischer Einheit
unterweisen soll — aber es fehlt an einem geeigneten
Räume und den Studenten an Zeit, so daß die wohl-
gedachte Einrichtung noch keine genügenden Früchte
trägt. Die architektonische Professur an der Dresdner
Kunstakademie ist jetzt unbesetzt und ihre Wiederbe-
setzung wird von der technischen Hochschule bekämpft;
der akademische Rat der Kunstakademie dagegen ist
durchaus für Beibehaltung der architektonischen Meister-
werkstatt. Als Ausgleich ist vorgeschlagen, denselben
Professor hüben wie drüben anzustellen. Beide Teile
können für ihre Anschauung gewichtige Gründe bei-
bringen, die Akademie kann vor allem auf die wün-
schenswerte harmonische Durchbildung der Architekten,
der Maler und der Bildhauer im Sinne des Gesamt-
kunstwerks verweisen. Aber daran hat es bisher tat-
sächlich gefehlt: die architektonische Abteilung war
 
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