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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Münchener Brief
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Tietze, Hans: Anton Faistauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0053

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Münchener Brief — Anton Faistauer

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MÜNCHENER BRIEF

Unter den Kollektivausstellungen, die in jüngster
Zeit zu sehen waren, machte die von Karl Caspar
den erfreulichsten Eindruck. Der Künstler ist in den
letzten Jahren seinem Ideal bedeutend näher gekommen,
die letzten Bilder bedeuten einen ganz erheblichen Fort-
schritt gegenüber den vor fünf Jahren geschaffenen Ar-
beiten. Aber schon in den vor einem Dezennium ge-
schaffenen Werken ist der Keim zu seiner heutigen Kunst
deutlich zu spüren. Kein Zweifel, daß Caspar aus tiefem
religiösem Empfinden heraus schafft. Aber in dem
Bestreben, dem religiösen Erlebnis neue, weniger
monumentale als dekorative Formen zu verleihen,
geht zugunsten des Formalen häufig mehr von dem
eigentlichen Ausdruck verloren, als es der Künstler
will oder, vielleicht besser gesagt, Komposition und
Kolorit erschöpfen noch immer nicht ganz jenen Aus-
druck, den der Künstler in Farbe und Form um-
setzen will. Man hat das Empfinden, daß dem Künst-
ler beschauliche Szenen eigentlich besser liegen, als
dramatisch stark bewegte, da er bei letzteren ursprüng-
liche Kraft durch Klugheit ersetzen muß. Von dem
feinen und warmen menschlichen Empfinden des
Künstlers künden neben den religiösen Darstellungen
vor allem die lebensvollen, koloristisch sehr kulti-
vierten Bildnisse.

Auch der Russe Robert Oenin (welcher deutsche
Maler im feindlichen Ausland erfreut sich solch einer
Ausstellungsmöglichkeit?) verfolgt dekorative Ten-
denzen, nur daß er nicht vom religiösen Erlebnis
ausgeht, sondern Erlebnisse des Alltags in gesteigerter,
mystisch verdämmernder Form gestalten will. So viel
Schönes uns Genin auch diesmal wieder in seinen
graphischen Arbeiten bietet, so sehr versagt er als
Maler. Das kluge Anempfinden, das der Künstler
schon früher offenbarte, vergaß man bisher über dem
geschmackvollen Kolorit und der gefälligen Form
seiner Bilder. Jetzt aber tritt er zu anspruchsvoll auf,
vergreift sich im Format, läßt die Abhängigkeit von
fremden Vorbildern, von dem frühen Picasso und
von Cöster allzusehr verspüren, ohne immer im Kolo-
rit geschmackvoll zu sein, oder er will gerade da
koloristisch geschmackvoll wirken, wo wir eine solche
Art von Kolorismus als unangebracht empfinden. Das
Erlebnis, das uns der Künstler vermitteln will, scheint
allzu spielerisch empfunden, nicht aus der Tiefe heraus-
gestaltet, vor allem aber auch nicht so bezwungen,
daß es das große Format rechtfertigte. Man möchte
hoffen, daß dieser von Haus aus begabte Roman-
tiker den Mut fände, seine Kunst ganz auf sich allein
zu stellen und — ohne die allzu durchsichtige und
wenig packende Symbolik seiner jetzigen Bilder —
seiner zarten Lyrik in ganz eignen Werken Ausdruck gäbe.

In dem .neugegründeten Kunsthaus »Das Reich«,
das Freiherr Alexander von Bernus zur Pflege einer
neuen geistigen Kultur und zur Förderung der »Geistes-
wissenschaft« eingerichtet hat, kommen in der Eröff-
nungsausstellung einige Künstler zu Worte, bei denen
der in diesem Hause eigentlich so verpönte Materia-
lismus noch kräftig genug zu verspüren ist. Am

sympathischsten wirken die Holzschnitte des allzu
früh gefallenen Thylmann, der als Dichter uns ungleich
viel Bedeutenderes hinterlassen hat, denn als Gra-
phiker. Aber wenn auch in diesen Blättern manches
banal genug ist, so erkennt man doch ein ehrliches
Streben, zu einer neuen Geistigkeit zu gelangen. Die
Bilder des jungen Österreichers Aloys Wach sind von
einer fatalen Geschicklichkeit. Nichts ist peinlicher,
als solche expressionistische Virtuosen-Kunststücke, wo
mit der Durchgeistigung in Form und Farbe ge-
spielt wird und kein inneres Erleben zu verspüren ist.

Die Bildnisbüsten von Hans Wildermann offen-
baren einen langweiligen Naturalismus, besser ist der
weibliche Akt, in dem die Kunst Maillols ins Klassi-
zistisch-Akademische übersetzt erscheint. Von der
gleichen Art sind die Zeichnungen des Künstlers.

Die Graphische Sammlung hat in ihren neuen
Räumen in der Neuen Pinakothek ihre Ausstellungen
vorläufig in beschränktem Maße wieder eröffnet und
zeigte zunächst das graphische Werk des verstorbenen
Toni Stadler; dank dem Engegenkommen einiger
Privatsammler, die einige seltene Blätter für die Aus-
stellung hergaben, konnte man ein sehr klares und
umfassendes Bild von der Bedeutung Stadlers als
Graphiker gewinnen. Es will scheinen, daß er in
seinen Zeichnungen und Lithographien Bedeutenderes
und Eigenartigeres geleistet hat, als in seinen Bildern,
daß er in diesen Blättern mehr aus sich herausge-
gangen ist, seine Erlebnisse vor der Natur stärker
und unmittelbarer zur Geltung kommen. Hier erkennt
man auch, was ihn an der Kunst Stäblis besonders
interessiert hat, und es ist nicht ohne Reiz zu beob»chten,
wie der feinfühlige Österreicher die pathetischen Derb-
heiten des Schweizers mehr ins Empfindsame umsetzt.
Das Athmosphärische, das Spiel von Sonne und Wolken,
erhält in diesen Blättern eine Bedeutung, die kein Ge-
mälde Stadlers ahnen läßt. A. L. M.

ANTON FAISTAUER

Eine Kollektivausstellung in der Galerie Arnot gibt
einen Überblick über Anton Faistauers Fortarbeit und
jetziges Werk (worüber auch die Illustrationen im eben
erschienenen 7. Heft der »Bildenden Künste« einigen Auf-
schluß vermitteln). Der junge Künstler, der vor etwa
einem halben Dutzend Jahren mit den fahrig suchenden
Malereien eines begabten Anfängers vor das Publikum trat
und dann vor dessen Augen einen Teil seiner trüb gären-
den Entwicklungskämpfe durchmachte, hat nun seinen Stil
gefunden; aus den verschiedenen Möglichkeiten, die sich
ihm boten, hat er das malerische Talent als seine stärkste
Gabe befunden und zu voller Kraft emporgepflegt. Faistauer
ist heute Maler und nichts als Maler; seine Farbe blüht
und glüht in fettem Glanz; Menschenleiber und Landschaften
sind in die gleiche üppige Vegetabilität getaucht wie die
Stilleben und Blumenstücke, in denen Kraft und Beschrän-
kung des Künstlers am glücklichsten zur Geltung kommen.
Dieses Betreiben der Malerei als bloßen Augenkult ist
innerhalb des jungen Geschlechts, dem Faistauer angehört,
auffallend; es erniedrigt das gelungene Werk zum Zufalls-
treffer und macht das minder gelungene zum geschmack-
vollen Farbenfleck. Was dieser leuchtenden Farbigkeit
als festes Gerüste des Aufbaus und der Raumgestaltung
 
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