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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Bötticher, Georg: Hat Schadow Goethes Gesicht abgegossen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0059

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KUNSTCHRONIK

J^Folge. XXIX. Jahrgang

1917/1918

Nr. 10. 7. Dezember 1917

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HAT SCHADOW GOETHES GESICHT
ABGEGOSSEN?
Von Georg Bötticher

In Friedrich Zarnckes 1888 erschienener, jetzt längst
vergriffener verdienstvoller Schrift »Kurzgefaßtes Ver-
zeichnis der Originalaufnahmen von Goethe's Bildnis«
"eißt es auf Seite 80 unter der Überschrift: »Gesichts-
maske und Büste von Joh. Gottfr. Schadow«:

a) Die Gesichtsmaske, Weimar, Februar 1816.
tui einziges Exemplar in Bronze gegossen, sonst nur
jJipsabgüsse, die von der Eichlerschen Officin in Ber-

'n zu beziehen sind. Der Bronzeabguß kam in den
pesitz Theod. Hildebrandts in Düsseldorf, von ihm
ln den des Dichters Wolfg. Müller von Königswinter.
Jetzt auf dem Großherzogl. Museum in Weimar (Neuer-
d|ngs im Goethe-Nationalmuseum).

Goethes Tagebuch ist hier nicht ganz klar und
ausgiebig. Er erwähnt zwar wiederholt des Künstlers,
»'s dieser sich im Januar und Februar 1816 in Weimar

e' p°ethe des Rostocker Blüchermonuments wegen

" hielt, aber das Hauptinteresse war damals offenbar
erjen diesem zugewandt. Am 8. Februar heißt es:
p '['i ^?nadow- Porträt«, darunter aber kann nur die

' !Izeichnung zu der großen Medaille verstanden

Mask' dan" am 10-: >>Direktor Schadow, Gall'sche
w , ,e' Kupfermünzen betrachtet«. Wir müssen dies
durrhw deuten> daß am 10. eine Abnahme, wie 1807
rejjL 7 eisser für Dr. Gall, stattgefunden habe. Das
o i , Slch wohl zusammen mit den Einzeichnungen
cnadows in sein Tagebuch (Wittich, Kunstwerke und

(GothChten von Schadow 1849> s- 151): »Sein
formt 9esicht wurde auch in diesen Tagen abge

Abguß hergestellt«.

Von dieser Gesichtsmaske wurde ein Bronze-

So

und aur61' ^arncke- Durch diese seine Behauptung
einer AKfSe'ne Autorität hin ward die Annahme von
dow allgemmUng dCS Gesichts Goethes durch Scha"

hält^iber2 ^ar'egunS klingt ja zunächst recht annehmbar,
Punkte sf6'^ grundlichen Untersuchung in keinem

te stand

So hat Goethe den Vorwurf der Unklarheit und
Unausgiebigkeit in den betreffenden Stellen seines Tage-
buchs keineswegs verdient. Er berichtet nur nicht, was
die Voreingenommenheit Zarnckes berichtet zu sehen
wünschte. Sonst ist vielmehr anzuerkennen, daß er trotz
der Fülle der verschiedensten Geschäfte, die damals
auf ihn eindrangen, alle Phasen seiner Zusammenkunft
mit Schadow, allerdings mit der ihm eigentümlichen
Knappheit, notiert hat. Hier seine Aufzeichnungen
(Goethes Tagebücher 5. Band. Weimar 1893. Seite
202 u. f.):

»25. Jan.: Kamen Abends Kapellmeister Weber
und Direktor Schadow. 26. Jan.: Dir. Schadow bei
mir. 27. Jan.: Schadow'sches Modell . . . Prof. Scha-
dow. Beratung mit demselben. 28. Jan.: Nach Tische
Beschäftigung mit dem Modell. 29. Jan.: Mittag die
Berliner. 30. Jan.: Dir. Schadow, Raphaelische Kupfer
besehen. 3. Febr.: Dir. Schadow wegen der Basreliefs.
4. Febr. Mittags Dir. Schadow. 7. Febr.: Dir. Schadow.
8. Febr.: Dir. Schadow, Porträt. 9. Febr.: Dir. Schadow.
10. Febr.: Im Palais bei Schadow. Dir. Schadow. Gal-
lische Maske, Kupfermünzen betrachtet«.

So weit Goethes Tagebuch. Sollte der gewissen-
hafteste der Dichter eine so aufhältliche und lästige
Operation, wie das Abformen des Gesichts an leben-
digem Leibe ist, unerwähnt gelassen haben? Der schon
die Weissersche Abformung als höchst unbequem emp-
funden hatte?!

Hören wir nun, was und wie Schadow über diese
Zusammenkunft berichtet.

In dem schon von Zarncke angeführten Tagebuch
Schadows (veröffentlicht durch Wittich in »Kunstwerke
und Kunstansichten Sch.'s. Berlin 1849) fällt sogleich
der wunderlich-naive, oft konfuse Stil und die un-
zuverlässige Berichterstattung auf, die den Leser bald
veranlaßt, die Mitteilungen mit Vorsicht aufzunehmen.
Als Beweis für seine Unzuverlässigkeit mag nur er-
wähnt werden, daß Schadow am 29. Jan. 1816 ver-
zeichnet: »Am Abend waren wir imTheater . .. Schil-
ler, welcher abgesondert saß, sah man nur von Weitem.«
Ferner, am 3. März (soll heißen Februar): »Herr von
Schiller war nicht in Weimar, und machte ich dessen
Gattin Nachmittags meine Aufwartung.«

Schiller, der seit 1 1 Jahren tot war!

Bei der Neigung Schadows, in seinen Berichten
Hauptsächliches und Nebensächliches bunt durchein-
ander zu mischen, beschränken wir uns auf die Wieder-
gabe der Stellen, die die Medaille mit Goethes Por-
trät und die sogenannte »Maske« betreffen. Schadow
bemerkt darüber: »Am 6. Febr.: Herr von Goethe,
der Sohn, kam zu mir, mit dem Wunsche, seines
Vaters Profil in Wachs zu modellieren.« Späterhin:
»An demselben Morgen (welches Tages sagt er nicht)
saß Herr von Goethe zu dem Profil in Wachs, wozu
ich nachher einen Pegasus modellierte. Diese
bilden zusammen eine Medaille, welche ein dutzend-
mal in Metall gegossen ward und sich daher nur in
wenigen Münz-Sammlungen befindet. Sein Gesicht
wurde auch in diesen Tagen abgeformt; von
dieser Maske wurde ein Abguß in Bronze ge-
macht, welchen der Maler Hildebrand in
Düsseldorf besitzt, und nach welchem ich
eine Büste in Marmor anfertigte.
 
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