Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

DOI Artikel:
Voigtländer, Emmy: Zur Italienreise Grünewalds
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0105

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
189

Zur Italienreise Grunewalds — Personalien — Forschungen — Funde — Vereine

190

stellt. Auch macht er für den vorderen Schergen
auf andere ähnliche Figuren aus deutschen Bildern
aufmerksam. Es bedarf wahrlich nicht eines Teiles
einer Predella eines verhältnismäßig unbedeutenden
italienischen Malers, an einer durchaus nicht hervor-
ragenden Stelle in einer Florentiner Kirche, um das
Bild Grünewalds zu erklären.

Wie steht es mit den Mantegna in Mantua auch
für den Fall, daß Isabella D'Este jeden beliebigen
unbekannten wandernden Malergesellen in ihren Palast
gelassen hätte, der aus irgend einem Grunde auf dem
Wege nach Florenz (woher, vom Brenner oder vom
Gotthard?) den Umweg über Mantua gemacht hätte?
Kann nicht der Sebastian des Isenheimer Altars auch
ohne die tragende Figur aus dem Triumphzug Cä-
sars stehen, auf den man wohl nur aus der Ideen
Verbindung von den Triumpha Caesaris des Kanoni-
kus Reitzmann gekommen ist? Auch hier der Sinn
der Figuren gänzlich verschieden. Indem der Se-
bastian beide Arme erhebt und die Hände ineinander-
schlingt, wird der Kontrapost vollständig aufgehoben
und die Figur zu einer Ausdrucksfigur, nicht zu einer
plastisch statuarischen wie bei Mantegna. Noch flüch-
tiger sind die Ähnlichkeiten in den Zeichnungen
Grünewalds mit Bildern Mantegnas, die Hagen heran-
zieht. Die Unähnlichkeiten überwiegen bei weitem.
Weder der Umstand, daß im Uffizientriptychon der
Mohr kniet, und Hagen die kniende Figur der Zeich-
nung in Berlin als Mohrenkönig zu einer Anbetung
interpretiert (Schmid nimmt sie zu einer Krönung
Mariä), noch die flüchtige Ähnlichkeit der Madonnen-
zeichnung der Rückseite mit der Madonna von Man-
tegna, noch des Heiligen der Zeichnung in der Alber-
tina mit dem auffahrenden Christus aus demselben
Uffizientriptychon zwingen zu der Annahme, daß
Grünewald das Bild unbedingt gesehen haben muß.
Denn nur der Fall, daß nicht nur flüchtige Ähnlich-
keiten, sondern direkte Kopien vorlägen, könnte die
Berechtigung geben, von ihnen auf die italienische
Reise zu schließen, für die sonst nicht der geringste
Anhalt besteht. So sind die Unterlagen denn in der
Tat nicht genügend. Es gibt sonst wohl keine Kunst,
die in so durchgreifendem Gegensatz zur italienischen
stünde, wie die Grünewalds, und es widerspricht
jedem Begriff einer Einheit der künstlerischen Per-
sönlichkeit, wenn man aus solchen Zufallsähnlich-
keiten mit Künstlern sonst gänzlich anderen Charakters
gleich Schlüsse auf die Übernahme solcher Einzel-
heiten zieht. Ehe nicht noch andere Belege vor-
liegen, kann die Italienreise Grünewalds nicht mit
der Bestimmtheit behauptet werden, wie es ge-
schehen ist.

Abb. der angeführten Bilder von Holbein bei Glaser,
Hans Holbein d. Ä., Leipzig 1908, Tafel VII, VIII, XI, auch
XIII, XIX. Glaser, Zwei Jahrhunderte deutscher Malerei,
München 1916, S. 183. Für Mantegna: Knapp, Klassiker
der Kunst, Stuttgart 1910, S. 52, 93-96. Für Grünewald:
H. A. Schmid, Die Gemälde und Zeichnungen Grünewalds,
Straßburg 1911, vergl. S. 7 f., 50 f., 64 f., auch die Mono-
graphie von H. Josten, Velhagen und Klasings Künstler-
monographien, 1913.

PERSONALIEN

Der Maler August Deusser ist als Lehrer an die
Königliche Kunstakademie zu Düsseldorf beru en worden.

Curt Herrmann, der Vorsitzende der Freien Sezession
in Berlin, ist zum Professor ernannt worden.

Der König von Sachsen hat Max Liebermann das
Komturkreuz des Albrechtsordens verliehen.

FORSCHUNGEN

Eine Zeichnung von Rigaud in Frankfurt. In der

XVI. Lieferung der »Handzeichnungen alter Meister im
Städelschen Kunstinstitut« ist unter Nr. 3 eine Zeichnung
von Hyacinthe Rigaud veröffentlicht, die einen Bildhauer,
und zwar der Tradition nach den Nicolas Coustou, vor-
stellen soll. Vergleicht man jedoch hiermit das authen-
tische Porträt des Nicolas Coustou, wie es in dem Stich
von Ch. Dupuis nach Le Gros vorliegt, so sieht man so-
gleich, daß der Dargestellte der Frankfurter Zeichnung
nicht Coustou sein kann, da die beiden durchaus keine
Ähnlichkeit mit einander haben. Dagegen muß man an-
nehmen, daß wir es hier mit einem Bildnis des Holländers
Maerten van den Bogaert oder, unter welchem französi-
sierten Beinamen er bekannt ist, des M. Desjardins (geb.
1640 in Breda, f 1694 in Paris) zu tun haben, der in der
Kunstgeschichte als der Schöpfer des Reiterstandbildes von
Ludwig XIV. fortlebt, das früher die Place des Victoires
in Paris zierte. Man vergleiche insbesondere den Stich
von G. Edelinck, beschrieben von Robert Dumesnil im
Peintre-Graveur francais, Teil VII, Seite 249 unter Nr. 102,
sowie den Stich von Massard in »Galleries historiques de
Versailles«, Serie X Portraits divers, Section V.

Beide Bildnisse stellen Desjardins vor und sind nach

Rigaud. J. Ph. van der Kellen Dzn.

FUNDE

Funde mittelalterlicher Wandgemälde in Hessen.

Das Großherzogliche Denkmal-Archiv in Darmstadt gibt in
einer Ausstellung einen Überblick über die Tätigkeit dreier
Kriegsjahre. Sie zeigt die in wirklicher Größe und an
Ort und Stelle aufgenommenen Pausen in mittelalterlichen
Wandmalereien aus Hirschhorn, Wimpfen und anderen bis-
her nicht beachteten oder erst entdeckten Fundorten. Eine
Veröffentlichung der Bilderreihen wird später erfolgen.

VEREINE

Sitzung der kunstwissenschaftlichen Gesellschaft
in München am 14. Januar 1918. Herr Wolters eröffnet
die Sitzung mit Mitteilungen über die notwendigerweise
eingetretenen Beschränkungen in der Tätigkeit der Gesell-
schaft und spricht, anknüpfend an die jüngst vergangene
zweihundertjährige Gedenkfeier an Winckelmann über ihn
als Vertreter des Klassizismus in der Kunst wie in der
Forschung und die viel weiter tragende Bedeutung, die ihm
als dem ersten wirklichen Historiker der Kunst zukomme.

Herr Sieveking spricht über ein römisches Relief im
Maximilianmuseum zu Augsburg, auf das F. Kopp bei Ge-
legenheit des Denkmälertages 1917 die Aufmerksamkeit der
Archäologen gelenkt hatte. C. Robert (Germania 1917,
S. 177ff.) möchte die sehr zerstörte Darstellung auf den
Mythos von Argos und Jo deuten. Der Vortragende er-
kennt in ihr vielmehr den Tod des Ikaros.

Ferner legt Herr Sieveking ein prachtvolles, dem
Museum antiker Kleinkunst von einem Gönner geschenktes
Weinsieb aus Bronze vor, das durch den Reichtum seines
 
Annotationen