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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Heyne, H.: Ausstellung aus Chemnitzer Privatbesitz
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 28. 26. April 1918

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr.IIa.
Abonnenten der Zeitschr. f. bild. Kunst erhalten Kunstchronik u. Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 40 Pf. für die dreigespalt. Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

AUSSTELLUNG AUS CHEMNITZER
PRIVATBESITZ

Die Kunsthütte in Chemnitz hat zum Besten des Säch-
sischen Künstler-Hilfs-Bundes im April eine etwa 450
Nummern umfassende Ausstellung aus Privatbesitz ver-
anstaltet. Sie zeigt nur Malerei und Plastik. Die im
Chemnitzer Sammelwesen auch reich vertretene Graphik
ist ausgeschaltet. Ein gut und übersichtlich gedruckter,
illustrierter Katalog mit reizvoller Einbandzeichnung von
dem Chemnitzer Künstler Gustav Schaffer ist für 50 Pf.
dazu erhältlich. Leider sind nun unter die Abbildungen
der alten Meister einige geraten, die sich zur kleinen
schwarzweißen Wiedergabe nicht eigneten und auch ihres
Kunstwertes wegen hinter anderen Bildern hätten zurück-
stehen sollen, da ihre Benennung nicht zutrifft oder un-
sicher ist (z. B. Aert van der Neer). Die Hängung ist ge-
schmackvoll in glücklicher Wahl der zusammengeordneten
Bilder, überlegter Gestaltung und Aneinanderreihung der
Säle, was bei der unzweckmäßigen Raumeinteilung der
Kunsthütte die Lösung einer schwierigen Aufgabe bedeutet.
Man bemerkt, daß Chemnitz' Kunstsammlertum und seine
Vertreter jung sind, denn der Schwerpunkt ruht auf den
modernen und modernsten Meistern. Die großen Namen
der ferneren oder unmittelbaren Vergangenheit wie Spilz-
weg, Menzel, Feuerbach, Böcklin, Marees sind nicht oder
kaum vertreten. Von Schwind ist ein reizvolles Aquarell
als Vorarbeit zum Rüdigsdorfer Psychezyklus, von Thoma
nur ein kleines Gemälde von 1877 Frühlingsreigen (von
allerdings hervorragender koloristischer Zartheit) eine über-
malte Lithographie und ein Aquarell vorhanden, Stein-
hausen wird in seiner Bedeutung in dem Kabinettstückchen
Sonnenuntergang nur geahnt, auch Steppes wünschte man
weitere Käufer, da mit dem feinen Bildchen Bergwiese in
Chemnitz der Anfang gemacht wurde, ebenso den Karls-
ruhern, die nur in einigen kleinen, stillen Bildern Volk-
manns und Kallmorgens anklingen, während Dill uner-
freulich routiniert lauter spricht (mit Ausnahme eines kleinen
warm empfundenen Hafenbildes). Kalckreuth kann man
in seiner einzigen Vertretung durch ein spätes Werk nicht
zu den Karlsruhern zählen. Als Landschafter dieser Periode
wurde von den Chemnitzern Leistikow bevorzugt und
zwar in meist gut gewählten Stücken. Auch Strützel ist
in einem lieben Bildchen anwesend. Wer seine große
Glaspalastausstellung 1916 sah, würde seinen, bayrische
Alpenfrische erquickend ausströmenden Gemälden auch im
mittleren Deutschland stärkere Freunde wünschen, ähnlich
Toni Stadler, der dreimal vorkommt. Dietz, Leibi, Trübner
fehlen wieder ganz. Der Leibikreis tritt nur in kleinen,
wenn auch feinen Proben von Sperl, Spring, Helmer,
Erdtelt, Schuch und einigen qualitativ recht unterschied-
lichen Werken von Hirth du Frenes vor Augen. Max
Liebermann blieb völlig unbeachtet, während Uhde in
dem Mann mit Bierkrug aus seiner unter Einfluß von
Hals stehenden Periode und in dem Brustbild eines Patri-
archen von 1896 wertvoll, wenn auch nicht in einer sein ganzes
Wesen erschöpfend zum Ausdruck bringenden Komposition
vertreten ist. Auch von Corinth ist ein kühnes und doch

feines Werk, weiblicher Akt mit Kind auf Ruhebett, zu
sehen. Seine als Zimmerschmuck so hervorragend geeig-
neten Stilleben und Blumenstücke von mindestens gleicher
künstlerischer Qualität haben den Weg nach Chemnitz
noch nicht gefunden. Im übrigen scheinen Gotthardt Kühl
und Hans von Bartels (auch Sterl ist nur in einem reifen
Werk vertreten) in Chemnitz als Vertreter des Impressionis-
mus am meisten geschätzt gewesen zu sein. Zügel in
kleinen guten Proben verschiedener Perioden und Jung-
hannß treten hinzu. Der Fehler der Anfänger im Sammler-
tum, das Haften am Gegenständlichen in der Kunstbe-
wertung ist wohl die Ursache dieser Bevorzugung. Auch
an der unglücklichen Wahl bezüglich Stuck (wovon nur
das gute Stück Ringelreigen ausgenommen sei), Hengler
und manchem andern, z. B. der Bevorzugung von Pellar,
merkt man, daß die Käufer noch zu sehr abhängig vom
zufälligen Kaufangebot waren und die »Ware« noch nicht
immer von den »bleibenden Werten« zu scheiden wußten,
wenn sie unter starkem Namen kursierte. Die Mode-
strömungen haben in Chemnitz auch manchmal mehr
Macht gewonnen, als man wünschte, in der Aufnahme
der Scholle z. B., die aber im ganzen günstig und in
einigen besonders tüchtigen Leistungen vertreten ist; nur
fehlt das stärkste Talent wieder: Fritz Erler. Sein Bruder
Erich Erler ist in einer seiner Segantini-Nachahmungen
anwesend und erinnert schmerzlich daran, daß der Größere,
Segantini, nicht geladen wurde. Hans Unger erfreut sich
in Chemnitz einer merkwürdigen Beliebtheit. Bei der ge-
schickten Hängung in dem dunklen Dielenraum wirkt er
sehr dekorativ. Diese Qualität mag seine Aufnahme in
reiche Heimstätten berechtigt erscheinen lassen, wenn ihm
auch tiefere Werte abgehen. Zwintscher hat in dem Kind
mit den Stiefmütterchen, das ihn in der Ausstellung einzig
repräsentiert, dekorative Wirkung mit feineren Mitteln und
tiefer greifender Gestaltung erreicht. In dem modernen
Hauptraum aber bemerkt man neben den obenerwähnten
älteren Perlen vor allem ein munteres Draufgängertum im
Ankauf der modernster Richtung angehörigen Meister und
zwar mit Geschick in der Auswahl, so daß ihr Anschluß an
Innenräume selbst älteren Stils noch zu denken ist. Frei-
lich fehlt auch dadurch wieder das Prägnanteste. Hodler
ist in einem wunderfeinen frühen Flußbildchen mit Weiden
vertreten, in dem Corot eigenartig kraftvoll umgestaltet
nachwirkt. Nur die Steine lassen den späteren Hodler
ahnen. Buris kleines Bildchen Thuner See gibt die ganze
Eigenart des Künstlers. Münch tritt als Landschafter und
Porträtmaler auf.

Schmidt-Rottluff, Kirchner, Hettner, Pechstein, Segall
und auch Matisse sind in guten Beispielen ihrer noch aus
dem Impressionismus herausstrebenden Entwicklungszeit
vertreten. Der konsequente Sammler auf dem Gebiet der
expressionistischen Kunst dürfte aber an dem Farbenrausch
und der Gestaltungskraft (Seestücke) eines Nolde, der
dekorativen Größe manches späteren Pechsteins, den Linien-
und Farbenschwingungen eines Melzer nicht vorübergehen
wie bisher. Maria Caspar-Filser ist in einer starken Land-
schaft vertreten. Ihren Gatten vermißt man. Den stärksten
Ausdruck empfängt man von zwei Gemälden Jäckels und
 
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